Der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn (74) sieht düstere Zeiten auf die Wirtschaft in Deutschlands – und auch Österreichs und tatsächlich wohl so gut wie ganz Mitteleuropas – zukommen. Schuld an dieser pessimistischen Prophezeiung ist einerseits der Krieg in der Ukraine – aber nicht allein. Auch die Abkehr von preiswerten Energiequellen sowie der demografischen Wandel tragen als Haupttreiber einen großen Teil zur aktuellen wirtschaftlichen Situation bei.

"Der Staat kann uns den bekannten Wohlstand nicht mehr garantieren"

Die Energiepreise und die Inflation erreichen immer neue Höhen – hier allein dem Krieg in der Ukraine allein die Schuld zu geben wäre nicht richtig, so Hans-Werner Sinn. Dem Ökonomen zufolge würden wir uns auch in keiner viel besseren wirtschaftlichen Situation befinden, wenn Russland nicht in seinem Nachbarland einmarschiert wäre – nein, einiges hätten wir uns selbst zuzuschreiben, ist Sinn überzeugt. Besonders mit seinem Heimatland Deutschland geht er hier hart ins Gericht: “Deutschland hat den demografischen Wandel verschlafen”, ist er sich sicher. Der Staat könne den uns bekannten Wohlstand künftig nicht mehr garantieren, so Sinn.

Sinn: "Ein Embargo gegen Russland wäre der falsche Weg"

Dementsprechend sieht der ehemalige Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München auch keinen schnelle und einfachen Weg aus der Wirtschaftskrise – auch, wenn der Krieg sofort enden würde. Und auch den Sanktionen gegenüber Russland – insbesondere der Idee eines Embargos für Öl und Gas – steht Sinn mehr als skeptisch gegenüber: “Ein Embargo wäre der falsche Weg”, ist der Wirtschaftswissenschaftler sich sicher – und sieht den Kurs der deutschen Bundesregierung hier als den richtigen Weg.

“Ohne das russische Gas kommt Deutschland zumindest kurzfristig in massive Schwierigkeiten. Die Rechnungen, die da gemacht werden bezüglich eines nur geringen Einbruchs des Bruttoinlandsprodukts, sind nicht zielführend, weil das Bruttoinlandsprodukt gar keine Importe erfasst, also auch nicht den unmittelbaren Schaden durch fehlende Gasimporte”, so Sinn in einem Interview mit “Merkur”.

"Ohne China können wir Russland mit Sanktionen nicht niederringen"

Bezüglich der Sanktionen gelte es zu unterscheiden: “Es gibt ja zwei Typen von Sanktionen. Die eine Sanktion, die von den USA betrieben und von Europa unterstützt wird, ist, den Russen das Geld vorzuenthalten, das sie früher durch den Export von Ressourcen verdient haben. Das macht den Westen reicher und die Russen ärmer. Der andere Typ von Sanktion ist, dass wir kein neues russisches Gas mehr kaufen. Damit schädigen wir zwar auch die Russen ein bisschen – aber vor allem uns selbst”, so Sinn, der darauf aufmerksam macht, dass Russland China als alternativen Kunden in petto hat. ” Solange wir China nicht im Boot haben, können wir Russland mit Sanktionen nicht niederringen”, stellt er klar.

"Die Energiewende der Grünen ist ein Scherbenhaufen"

Auch in Bezug auf die Erschließung alternativer Energien um sich schnellstmöglich aus der Abhängigkeit Russlands zu begeben räumt Sinn mit Träumereien auf: “Spätestens Putin hat nun klargemacht, dass die grüne Energiewende ein Scherbenhaufen ist. Der Flatterstrom aus Wind und Sonnenenergie, auf den die Grünen setzten, braucht als Komplement zwingend den Strom aus Gaskraftwerken, um während der vielen Dunkelflauten die Stromversorgung zu sichern. Der grüne Wasserstoff, von dem sie träumen, kann zwar auf längere Frist auch Ersatz bieten, doch wird er aus den französischen Elektrolyseuren stammen, die mit Atomstrom betrieben werden.”