Wegen Mordversuchs musste sich heute ein Türke (47) vor einem Wiener Schwurgericht verantworten. Er hatte seine Ex-Ehefrau nach einer Anzeige gegen ihn niedergestochen. Sie war am 6. Jänner in Floridsdorf zu einer Polizeistation gegangen, weil sie sich von dem Mann bedroht gefühlt hatte. Am Heimweg lauerte er ihr auf und stach auf sie ein – sie überlebte nur knapp.

Opfer musste Kopftuch tragen und wurde geschlagen

Bereits kurz nach der Hochzeit habe der Mann der Türkin laut Staatsanwältin “gezeigt, wo es lang geht”. Die Frau habe keine Röcke mehr anziehen dürfen und musste beim Verlassen der Wohnung ein Kopftuch tragen, sodass sie ihren erlernten Beruf als Zahnarzthelferin aus hygienischen Gründen auch nicht mehr ausüben konnte und in einem Callcenter arbeitete. Das Paar bekam zwei Kinder, die schon bald Angst vor ihrem Vater entwickelten.

2012 kam es zum ersten tätlichen Angriff gegenüber seiner Frau, weil sie von Scheidung sprach. Immer wieder kam es zu Schlägen und Würgeattacken. “Sie werden heute einen Angeklagten sehen, der ein Musterbeispiel eines Patriarchen ist”, sagte die Staatsanwältin an die Geschworene gerichtet.

Am Weg von der Polizeistation nach Hause passte er sie ab

2019 reichte die heute 41-jährige Frau die Scheidung ein, was ihr Mann aber nicht akzeptierte. Er zog erst viele Monate später aus der gemeinsamen Wohnung aus, als die Frau ihm eine Notwohnung organisierte. Immer wieder lauerte er der Familie auf, beobachtete sie, wenn sie das Haus verließ.

Am 6. Jänner – die Frau hatte drei Jahre nach der Scheidung einen neuen Mann an ihrer Seite – verließ sie mit ihrem neuen Lebensgefährten die Wohnung, um spazieren zu gehen – dort passte sie ihr Ex-Mann ab. Nach wüsten Drohungen alarmierte das Paar die Polizei, doch der Türke war bereits verschwunden. Telefonisch erreichten die Polizisten ihn jedoch und sprachen ein Betretungs- und Annäherungsverbot sowie ein vorläufiges Waffenverbot über ihn aus.

Türke stach elf Mal auf sie ein

Das dürfte den Mann so erzürnt haben, dass er laut Anklage nach Hause fuhr, ein Messer mit einer elf Zentimeter langen Klinge holte und der Frau, die in der Zwischenzeit alleine unterwegs war, an ihrer Wohnadresse auflauerte. Elf Mal stach er auf sie ein, alleine fünf Mal in den Bauch. Schockierte Augenzeugen alarmierten Rettung und Polizei, was für die Frau ein großes Glück war. Ein zufällig anwesender Arzt übernahm die Erste Hilfe. Die Frau verlor mehr als eineinhalb Liter Blut. Dem gerichtsmedizinischen Gutachten von Christian Reiter zufolge wäre sie ohne rasche notärztliche Hilfe verblutet.

Der Mann beteuerte, dass er seine Frau nur “erschrecken” habe wollen. Dass er so oft zugestochen habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern, es können nur vier Stiche gewesen sein. “Aber wer hat die restlichen sieben Stiche verursacht”, fragte der Vorsitzende des Schwurgerichts Christoph Bauer. Eigentlich wollte er nur mit ihr wegen Besuchsvereinbarungen bezüglich der Kinder reden. “Aber da hat sie mir lächelnd ins Gesicht gesagt, dass ich die Kinder nie wieder sehen werde. Da habe ich sie verletzen müssen”, meinte der Beschuldigte. “Sie hat meine Psyche zerstört, weil ich meine Kinder drei Jahre lang nicht gesehen habe.”

Motiv: "Wollte sie erziehen"

Der Grund für die Attacke: “Ich wollte sie damit erziehen”, entgegnete er. “Ich wollte sie nur unterrichten, dass sie sich so nicht verhalten soll.” Auf den Vorhalt des Richters, dass die Frau nur mit viel Glück überlebte, vier Operationen über sich ergehen lassen musste, meinte der Angeklagte: “Ich möchte dem Arzt danken, der ihr geholfen hat.” Auf die Frage, warum der Mann, der seit 20 Jahren in Österreich lebt, nicht die Rettung verständigt hatte, sagte er: “Ich habe die Telefonnummer nicht gewusst.”

Danach beschwerte er sich: “Meiner Frau wird mehr Achtung geschenkt, als mir.” Das Ganze sei ein Komplott gegen ihn. Auf die Frage der Beisitzerin, ob er das Recht einer Frau akzeptiere, sich scheiden zu lassen, meinte er klar: “Nein!” Und auf die Frage eines Geschworenen, ob Schläge und Drohung für ihn normal seien, sagte er: “Ich bin eigentlich gegen Gewalt gegen Frauen.” Im Falle einer anklagekonformen Verurteilung drohen dem Mann zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft. Der Prozess ist bis 18.00 Uhr angesetzt. Erst gegen Mittag wurde die Einvernahme des Beschuldigten beendet, danach kommen Sachverständige und zahlreiche Zeugen zu Wort. Fraglich ist deshalb, ob wie angekündigt noch am Dienstag ein Urteil gefällt wird.