Der Deutschlehrer Philippe Wampfler, der an einem Gymnasium in Zürich lehrt, wirbelt in der Schweiz mächtig Staub auf: Er verzichtet in seinem Unterricht künftig auf jegliche Literatur, die rassistische Bezeichnungen enthält. Dabei fängt er bei Friedrich Dürrenmatts (1921-1990) „Die Physiker“ an. Begründung: Zweimal ist darin das N-Wort zu lesen – das N-Wort steht für die früher gebräuchliche Umschreibung dunkelhäutiger Menschen aus Subsahara-Afrika.

Auf dieser Grundlage wird Wampfler wohl auch das berühmteste Werk eines anderen Schweizer Schriftstellers von Weltrang, Max Frisch (1911-1991), auf seine Verbotsliste setzen müssen. Im Roman „Homo Faber“ kommt das N-Wort nämlich noch häufiger als zweimal vor.

Für viele schwarze Schüler ist das N-Wort ein Tabu

Wie es dazu kam, dass der Lehrer „Die Physiker“ von der Liste der Pflichtlektüren strich? Zwei schwarze Schüler seien nach der Lektüre des Dramas zu ihm gekommen und hätten das Gespräch gesucht, erzählt er der Zeitung „Tagesanzeiger“: „Sie sagten, sie wollten nicht auch noch im Unterricht mit dem N-Wort konfrontiert werden.“

Insgesamt hätten ihm zehn Schüler ihre Bedenken wegen des N-Worts in dem Dürrenmatt-Drama geäußert. „Für meine Schülerinnen gibt es keine Rechtfertigung, das N-Wort auszusprechen. Für sie ist klar, dass weiße Menschen das nicht tun dürfen“, so Wampfler.

"Ich reproduziere keinen Rassismus", sagt Gymnasiallehrer Philippe WampflerQuelle: Florian Bachmann/Tagesanzeiger

Wampfler erntet viel Kritik: Sein Vorgehen sei „völlig krank“

Zu seiner Schulzeit sei Rassismus in Schulen kein Thema gewesen. „Ich dachte, Rassismus sei das, was in Südafrika oder in den USA passiert“, sagt Wampfler. „Dass Leute hier (in der Schweiz; Anm.) auch leiden, bekam ich nicht mit, weil ich nicht betroffen war.“ Nun will er es aber besser machen.

Dafür hat er bereits viel Kritik geerntet. „Völlig krank“ sei er, schrieben ihm gewisse Leute per Mail. Er entmündige die Schüler, dafür sollte er entlassen werden. „Die Leute werfen mir vor, dass ich mich dadurch nicht mit Rassismus auseinandersetzen würde“, sagt er. „Das stimmt nicht. Ich reproduziere ihn einfach nicht.“

War nicht politisch korrekt: Die Auslieferung des Winnetou-Kinderbuchs wurde gestoppt

Forderung: N-Wort soll in „Schwarze“ umgewandelt werden

Jetzt fordert Wampfler vom Diogenes-Verlag, bei dem „Die Physiker“ publiziert wurde, die Versionen für die Schule entsprechend anzupassen. Sprich: das N-Wort in „Schwarze“ umzuwandeln oder mittels Fußnote eine Erklärung für das N-Wort einzufügen.

Tatsächlich wäre es nicht das erste Mal, dass Verlage in Werke eingreifen. Die Sprache von Astrid Lindgren, der Autorin des Klassikers „Pippi Langstrumpf“, wurde der Leserlichkeit halber angepasst. Von Georg Büchners „Woyzeck“ werden mittlerweile Lesefassungen für die Schule hergestellt, und auch die Werke von Goethe wurden überarbeitet. Jüngstes Beispiel: Der deutsche Verlag Ravensburger hat die Auslieferung des Kinderbuchs „Der junge Häuptling Winnetou“ von Karl May (1842-1911) gestoppt, weil die indigene Urbevölkerung in den USA darin stereotyp und also nicht zeitgemäß dargestellt wird.

Sind Sie der Meinung, dass Werke der Weltliteratur, in denen das N-Wort vorkommt, auf eine Verbotsliste gesetzt werden sollen?