Laut einem Reuters vorliegenden Entwurfsdokument plant die EU-Kommission, noch heuer den Abschluss neuer Gasverträge mit Russland zu verbieten. Bestehende Importe sollen bis spätestens Ende 2027 auslaufen. Die Gesetzesinitiative soll im Juni vorgestellt werden – Änderungen sind noch möglich.

In dem Entwurf heißt es: Der Ausstieg dürfte „nur begrenzte Auswirkungen auf Preise und Versorgungssicherheit“ haben – sofern er mit globalen Entwicklungen und „verlässlichen Lieferanten“ abgestimmt werde. Das klingt nach Wunschdenken. Für Österreich und andere Länder steht viel auf dem Spiel: Versorgungssicherheit, Energiepreise und politische Souveränität.

Veto-Recht der EU-Staaten entscheidend

Das Brüsseler Vorhaben könnte noch an den Mitgliedstaaten scheitern. Sanktionen wie diese benötigen die einstimmige Zustimmung aller 27 EU-Länder – und insbesondere Ungarn sowie die Slowakei haben sich bisher klar gegen ein Gasverbot ausgesprochen. Beide Länder beziehen weiterhin russisches Pipeline-Gas und befürchten drastisch steigende Preise.

Ungarns Premier Viktor Orbán bleibt hart: Ein Gas-Stopp gegen Russland kommt für ihn nicht infrage – zu teuer, zu riskant.GETTYIMAGES/NurPhoto / Kontributor

Die Kommission betont zwar, dass alle Maßnahmen Russland stärker treffen sollen als die EU selbst – doch nicht alle Staaten sehen das so.

Von der Leyen will LNG aus den USA

Schon jetzt setzt Brüssel zunehmend auf Flüssiggas aus den USA (LNG) – eine Entwicklung, die nicht zufällig kommt. Bereits unter Donald Trump hatte Washington Europa zu mehr US-Gasimporten gedrängt, um den Handelsüberschuss auszugleichen.

Laut Kommission sollen europäische Unternehmen künftig leichter aus bestehenden Verträgen mit russischen Lieferanten aussteigen können – ohne hohe Strafzahlungen. Doch laut Rechtsexperten sei das riskant: Die Berufung auf „höhere Gewalt“ dürfte kaum halten – Klagen und hohe Vertragsstrafen könnten folgen.

Trump und von der Leyen: Bald Lieferant und Abnehmer? Brüssel will raus aus Putins Gas – und setzt womöglich auf teures US-LNG.APA/AFP/JIM WATSON

Hattmannsdorfer warnt: Neue Abhängigkeit droht

Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) begrüßt grundsätzlich die Diversifizierung der Energiequellen: „Österreich ist hier mit gutem Beispiel vorangegangen.“ Doch auch er warnt: „Langfristig sollte sich die EU Optionen offenhalten und die Lage nach dem Ende des Krieges neu bewerten.“

Auch der wirtschaftsnahe Verein oecolution ist gegen einen übereilten Bruch mit Russland: Zwar sei es sinnvoll, Alternativen zu suchen – doch ein komplettes Ausschließen russischer Gaslieferungen könne in eine neue Abhängigkeit führen. Geschäftsführer Christian Tesch nennt sie beim Namen: „die Trump-USA.“

Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer (ÖVP) warnt: Die EU darf sich nicht in neue Abhängigkeiten stürzen – Trump-Gas ist keine Lösung.APA/FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR

Was passiert, wenn der Krieg endet?

Besonders brisant: Die EU hatte sich bereits 2022 das unverbindliche Ziel gesetzt, bis 2027 auf russische fossile Brennstoffe zu verzichten. Doch aktuell stammen immer noch rund 19 Prozent des EU-Gases aus Russland – über die TurkStream-Pipeline und per LNG. Vor dem Krieg waren es fast 40 Prozent.

Falls es zu einem Friedensschluss mit Russland kommt, könnten Sanktionen wieder aufgehoben und Gaslieferungen wieder erlaubt werden. Ein kompletter Ausstieg wäre dann möglicherweise überflüssig – aber irreversibel. Doch offiziell setzt Brüssel nicht auf einen Frieden mit Russland.