Endstation Saarlouis: Wie Ford sich mit der E-Mobilität selbst ins Aus manövriert
Nach über einem halben Jahrhundert gehen bei Ford in Saarlouis die Lichter aus. Der traditionsreiche Ford-Standort, einst ein Symbol industrieller Stärke in Deutschland, produziert bald sein letztes Auto. Offiziell endet die Fertigung des Ford Focus am 30. November – tatsächlich wird das letzte Modell aber schon vorher vom Band rollen.
Für tausende Beschäftigte im Saarlouiser Werk ist das Ende des Ford Focus mehr als nur das Ende einer Modellreihe. „Das ist ein emotionaler historischer Schnitt“, erklärt Betriebsratschef Markus Thal. Noch rund 350 Fahrzeuge verlassen täglich das Werk. Doch in wenigen Wochen wird auch dies Geschichte sein.
Von den einst über 4.600 Beschäftigten in Saarlouis, sind heute nur noch etwa 2.700 im Einsatz. Rund 1.000 von ihnen sollen bleiben und künftig Komponenten und Ersatzteile für den europäischen Markt fertigen. Für die übrigen Mitarbeiter greift ein Sozialtarifvertrag, der Abfindungen, Prämien und Qualifizierungsprogramme vorsieht – ein Versuch, den unvermeidlichen Strukturbruch sozial abzufedern.
55 Jahre Automobilgeschichte
Seit Januar 1970 liefen in Saarlouis über 15,6 Millionen Fahrzeuge vom Band – vom legendären Escort über den Capri und Fiesta bis hin zu Focus, Kuga und C-Max. Jahrzehntelang galt das Werk als Herzstück der europäischen Ford-Produktion.
Besonders der Escort und der Focus prägten das Straßenbild einer ganzen Generation. Doch auch der technologische Wandel machte nicht Halt vor der Werkshalle an der Saar. Zwischen 2013 und 2018 wurde hier das erste Elektroauto von Ford in Europa gebaut: der Focus Electric. Allerdings blieb es bei kleinen Stückzahlen – ein Symbol für die zögerliche, teils widersprüchliche Strategie des Konzerns in der Elektromobilität.
Fehlentscheidung mit Ansage
Der Wendepunkt kam im Juni 2022: Ford entschied, die Fertigung des Focus in Saarlouis einzustellen und stattdessen im spanischen Valencia eine neue Elektro-Plattform zu errichten. Unter anderem aufgrund der günstigeren Standortbedingungen, die in Spanien vorherrschen. Damit wollte der Konzern auf den politisch forcierten Wandel hin zur E-Mobilität reagieren.
Die vermeintliche Zukunftsstrategie bringt jedoch keine Markterfolge, sondern Leerstand und Verunsicherung. Der Absatz von Fords Elektroautos bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
Vom Industriepionier zum Mahnmal
Was einst als Erfolgsgeschichte deutscher Automobilproduktion begann, endet nun als Lehrbeispiel für den Preis einer überhasteten Transformation. Der Fokus auf E-Mobilität, politisch gefeiert als Zukunftspfad, erwies sich für Ford als riskanter Kurswechsel. Statt Stabilität brachte er Unsicherheit – für Beschäftigte, Regionen und ganze Wertschöpfungsketten.
Saarlouis steht damit sinnbildlich für eine Branche, die sich unter politischem Druck von ihrem Fundament entfernt hat. Die einst stolze Produktionslinie für Verbrenner, Sinnbild deutscher Ingenieurskunst, wird nun durch Fördergelder und Strukturprogramme ersetzt – ein Kapitel, das zeigt, wohin eine planwirtschaftlich gelenkte Industriepolitik führen kann: in die Sackgasse.
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