
EU diskutiert Rückkehr zu russischem Gas: Kurswechsel in der Energiepolitik
Die Sanktionsfront gegen Russland bröckelt. Mittlerweile erwägt die EU die Rückkehr zu russischem Gas. Angesichts hoher Energiepreise und wirtschaftlicher Belastungen wächst vor allem in Deutschland und Ungarn der Druck, wieder zuzulassen. Heftiger Widerstand kommt aus den baltischen Staaten und Polen.

Die Energiepolitik der Europäischen Union nimmt eine unerwartete Wendung. Der Kurs, der auf einen vollständigen Ausstieg aus russischer Energie bis 2027 abzielt, gerät zunehmend unter Druck. Der Vorstoß, die Importe von russischem Gas wieder zu erlauben, wurde vor allem von deutschen und ungarischen Diplomaten angestoßen, wie die Financial Times berichtet.
Hintergrund: Wirtschaftliche Realität und geopolitische Überlegungen
Die russische Wirtschaft ist nach wie vor stark von Einnahmen aus dem Energiesektor abhängig. Bis 2022 stammten rund 50 Prozent der Staatseinnahmen aus dem Export fossiler Brennstoffe. Doch die Sanktionen und der Krieg in der Ukraine haben diese Einnahmen erheblich schrumpfen lassen. Laut Berichten aus Moskau ist der Export von Energie in die EU um etwa 50 Prozent zurückgegangen. Auch Gazprom, der größte russische Staatskonzern, hatte 2023 mit einem Verlust von sieben Milliarden Dollar zu kämpfen und kündigte den Abbau von 40 Prozent seiner Arbeitsplätze an. Trotz verstärkter Lieferungen nach China und in die Türkei können diese Märkte den europäischen Absatz nicht annähernd ersetzen. Vor dem Krieg kam fast ein Drittel des Gases in Europa aus Russland, aktuell sind es nur noch etwa zehn Prozent.
Besonders Ungarn und die Slowakei sind nach wie vor auf russisches Gas angewiesen, obwohl die Ukraine ihre Pipelineverbindungen gekappt hat. In Brüssel wird daher eine Rückkehr zu russischem Gas rechtlich nicht ausgeschlossen. Der EU-Beschluss, bis 2027 vollständig auf russische Energie zu verzichten, ist zwar eine politische Absichtserklärung, aber rechtlich aktuell nicht bindend. Und obwohl Ungarn die Sanktionspolitik der EU regelmäßig in Frage stellt, könnte eine Lockerung der Sanktionen theoretisch durchgesetzt werden. Erst kürzlich sicherte sich Budapest von der EU-Kommission Garantien zum Schutz von Gas- und Ölpipelines, was die EU dazu brachte, neue Sanktionen gegen Russland zu akzeptieren.

Die wachsenden Spannungen innerhalb der EU und der internationale Druck
Der Vorstoß, zu russischem Gas zurückzukehren, trifft jedoch auf erbitterten Widerstand, vor allem vonseiten der baltischen Staaten und Polen. Diese Länder vertreten eine harte Linie gegenüber Russland und den Sanktionen. Ein osteuropäischer Diplomat äußerte sich in der Financial Times empört darüber, dass überhaupt in Erwägung gezogen wird, die Gasimporte wieder aufzunehmen.
Trotz dieser Widerstände wächst in einigen EU-Mitgliedstaaten der Druck, insbesondere in Deutschland und Österreich, wo die hohe Belastung durch die gestiegenen Energiepreise zunehmend problematisch wird. Die hohen Kosten für Flüssiggas haben sowohl für die Industrie als auch für Verbraucher spürbare Auswirkungen. Angesichts dieser wirtschaftlichen Belastungen kommt die Frage auf, ob ein kompletter wirtschaftlicher Bruch mit Russland wirklich die beste Lösung war.
Ausblick: Eine schwierige Entscheidung für die EU
Der politische Kurs der EU in Bezug auf russisches Gas steht an einem Wendepunkt. Der wirtschaftliche Druck, besonders aus Deutschland, gepaart mit geopolitischen Faktoren und den anhaltenden wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs, macht die Entscheidung komplexer denn je. Während die meisten osteuropäischen Staaten auf einem harten Kurs beharren, sieht die Lage in den größeren Wirtschaftsnationen zunehmend anders aus. Der Weg zu einem neuen Gas-Deal mit Russland könnte von großer Bedeutung sein.
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