Experten-Talk: Der Staat soll die Insolvenzwelle nach der Krise in Kauf nehmen
Die sehr spezifischen Herausforderungen der heimischen Wirtschaft nach der Corona-Krise waren Thema des jüngsten “Moving Forward Round Table”-Talks. Neue Finanzierungswege für Unternehmen und hohe Arbeitslosigkeit trotz Fachkräftemangel kamen dabei zur Sprache, und auch, weshalb sich der Staat mehr auf seine Kernaufgaben konzentrieren soll.
Damit die Wirtschaft wieder in Schwung gerät, sollte der Staat von allzu viel Interventionismus Abstand nehmen. Darin waren sich die Experten beim „Moving Forward Round Table“ am Samstag weitgehend einig. Zum ersten Mal nach mehr als einem Jahr fand das Event nicht im virtuellen Raum statt. Auch die Unternehmen müssten umdenken und dazulernen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen, unterstrichen die Gesprächspartner. Unternehmer sollten sich etwa mehr auf internationalen Finanzmärkten nach Wachstumskapital umsehen.
Steuererhöhungen sind ein Hemmschuh
Das Comeback Österreichs in der Post-Pandemie-Zeit kann gelingen, allerdings sollte der Staat die verspäteten Firmenpleiten, die noch folgen werden, zulassen und nicht nochmals aufschieben. Das unterstrich Heinz Peter Knass, CEO des Turbinenbauunternehmens Global Hydro Energy. „Die Förderung nach dem Gießkannenprinzip hat auch das Unkraut wachsen lassen. Es kam teilweise zu keinen Strukturverbesserungen und Restrukturierungsmaßnahmen wurden verabsäumt.“
Nun sei eine Rückbesinnung des Staates auf seine Kernaufgaben unausweichlich. Die bevorstehende Insolvenzwelle werde man in Kauf nehmen müssen, damit die Wirtschaft wieder in ihr Gleichgewicht zurückfindet. Knass warnte vor Steuererhöhungen, die ein Hemmschuh für die Wirtschaft seien und den Staat vor neue Finanzprobleme stellen könnten. Er forderte neben neuen internationalen Wirtschafts- und Handelsabkommen, um Industrie und Export zu unterstützen, eine Reduktion der Lohnnebenkosten.
Entkoppelung von Realwirtschaft und Kapitalmarkt problematisch
Über Wege aus der Krise und zurück zum volkswirtschaftlichen Wachstum diskutierten ansonsten Josef Mantl, Gründer und CEO der Kommunikationsagentur Josef Mantl Communications GmbH und Organisator des Round Tables, sowie Daniel Bezan, geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung Bezan & Ortner Consulting und der Rechtsanwalt Mario Kapp, in dessen Kanzlei Kapp & Partner Rechtsanwälte der Talk stattfand.
Kapp appellierte an die Regierung, den Rahmen für Digitalisierung und Ökologisierung zu schaffen, doch auch er findet der Staat solle staatliche Interventionen so gering wie nötig halten. „Europa muss die Rahmenbedingungen für Zukunftsbranchen definieren und neue Spielregeln für Venture Capital zulassen, um nicht erneut das Nachsehen zu haben, wie beispielsweise bei den Digitalplattformen“, warnte Kapp.
Sorgen bereitete den Experten die Entkoppelung von Realwirtschaft und Kapitalmarkt. Österreichische Unternehmen setzen derzeit zu wenig auf die Möglichkeiten, durch Engagement auf den weltweiten Finanzmärkten Wachstumskapital aufzunehmen. Bezan vermisst die Expertise in den Unternehmen. Sie führt dazu, dass Kredite noch immer zur häufigsten Finanzierungsform zählen. „Unternehmern müssen sehr rasch die Weichen für die Zukunft stellen und ihre Strategie neu ausrichten, um nicht zurückzubleiben“, meinte Bezan abschließend.
Unternehmen sollten in die Qualifikation ihrer Mitarbeiter investieren
Durchaus beachtliche Herausforderungen sah Bezan auf die heimischen Unternehmen zukommen: „Durch die Krise kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen, die gesunden Unternehmen zu schaffen machen werden. Sie werden den Preiskampf von bereits vor der Krise angeschlagenen Firmen zu spüren bekommen, die um Liquidität kämpfen“. Allerdings seien die Wachstumsprognosen der Wirtschaftsforscher positiver als erwartet. „Um die gute Stimmung zu nutzen, müssen Lehren aus der Krise gezogen und ein langfristiger Change-Prozess angestoßen werden.“
Darüber hinaus müssten Industrieunternehmen selbst in die Qualifikation ihrer Mitarbeiter investieren. Anders ließe sich der Fachkräftemangel nicht bekämpfen und nur so könne man international wettbewerbsfähig bleiben. Trotz der hohen Arbeitslosenquote sind tausende Stellen unbesetzt, weil es an qualifiziertem Personal mangelt. An der energieintensiven Industrie hängen in Österreich rund 400.000 Arbeitsplätze, die durch Strafsteuern gefährdet werden können, wenn es zu einer Abwanderung kommt.
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