Böhmermann floppt: 1 zu 0 für Burda
“David gegen Goliath” oder 30.000 verkaufte Satirehefte in einem Land mit 83 Millionen Einwohnern gegen Auflagen in den Hunderttausenden: In einem Rundumschlag gegen die Methoden der Klatschpresse legte sich der Satiriker mit seinem “Freizeit Magazin Royale”gegen die Granden rund um Burda und Co. an. Ein Kampfbericht.
“Qualitätsjournalismus versus Quanitätsjournalismus” und “Presse, die lügt”: Unter diesen Aufmachern fühlte ZDF-Chefsatiriker Jan Böhmermann zuletzt in seinem Magazin Royale der deutschen Klatschpresse auf den Zahn und ging zum Frontalangriff auf die Granden der Regenbogenpresse, allen voran die Verlagshäuser Bauer, Burda und Klambt, über. Um der Berichterstattung über die vermeintliche “Lügenpresse” die Krone aufzusetzen, veröffentlichten Böhmermann und der ZDF zudem unter dem Titel “Freizeit Magazin Royale” ein eigenes Printprodukt, das der Regenbogenpresse mit ihren eigenen Waffen begegnet: Reißerischen Titeln und schlicht unwahren Geschichten.
Mit Hubert Burda auf dem Cover und einer provokanten Aufmacher-Story, die zu enthüllen verspricht, wie Burda “mit Intrigen, Inzucht und Inkontinenz Millionen machte”, holt das Freizeit Magazin Royale zum direkten Schlag gegen den “Verlegerkönig” aus und trifft bei seinem Ziel mit einer gewünschten Reaktion ins Schwarze: Die deutsche Regenbogenpresse schäumt, wenn auch teils hinter vorgehaltener Hand.
"Hubba Bubba" Burda wütet im Intranet
Denn Böhmermann holt ganz schön aus gegen die Klatschpresse, die den Pressekodex “wie einen Kaugummi aufbläst und regelmäßig zum Platzen bringt”, wie es das linke Magazin Neues Deutschland zusammenfasst: Allen voran Hubert Burda, den Böhmermann in seiner Sendung “Hubba Bubba” nennt, bekommt ordentlich verbale “Schläge” des Satirikers ab. Diese soll der Verleger gar nicht gut aufgenommen haben, wie der der Medienblog uebermedien.de, der dem Böhmermann-Team bei seinen Recherchen half, aus einer verlagsinternen Stellungnahme der Leitung an deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zitiert . In der internen Mail sei von einer Attacke “auf die unterhaltenden Magazine” die Rede, “die Grenzen des guten Geschmacks” seien überschritten worden.
Die Kritik blieb allerdings bis auf den “Leak” auf uebermedien.de leise, offiziell zeigte sich der Burda Verlag in Understatement und enthielt sich einer ausführlicheren Stellungnahme. Offener mit dem Unmut gegenüber der Böhmermann’sch-ZDF’schen Publikation geht da schon ein anderes großes deutsches Medienhaus um.
Bauer Media Group wittert Rechtsbruch
So zeigte sich die Bauer Media Group in einem Statement gegenüber der Deutschen Presse Agentur zwar in erster Linie gelassen und meinte: “Satire finden wir richtig und wichtig. Und als Publisher Nummer 1 werten wir es als ein positives Zeichen, wenn Verlage neue Zeitschriften auf den Markt bringen und kreative Magazin-Konzepte möglichst viele Menschen erreichen”, witterte aber auch einen möglichen Rechtsbruch: “Allerdings finden wir es besorgniserregend, dass das ZDF offensichtlich die rechtlichen Grenzen seines Rundfunkauftrags verlassen hat, indem es mit Rundfunkgebühren eine neue Print-Zeitschrift publiziert.”
Zu einer Klage wird es aber wohl nicht kommen, was, wie die Süddeutsche Zeitung in einem Vergleich mit Barbara Streisand erläutert, wahrscheinlich auch der klügere Schachzug sein wird: Denn auch wenn diese Worte, die wie ein Warnschuss klingen, vermuten lassen könnten, dass in den Verlagen die Sorge aufgekommen ist, dass ein regelmäßiges Satire-Klatschmagazin herausbringen könnten, wird an dieser Stelle die Tatsache zur Genüge reichen, dass das nie der Plan war und so auch nicht passieren wird – denn das Magazin war und ist als einmalige begleitende Printpublikation zum Schwerpunktthema der Sendung gedacht und soll dies auch bleiben, wie sowohl Böhmermann als auch der ZDF klarstellten.
Wer am Ende wirklich zuletzt lacht
Wie gut hat der Schlag von Böhmermann, in Zahlen ausgedrückt, aber wirklich gesessen? Auf eXXpress.at Nachfrage erklärt ein ZDF-Sprecher, dass die erste Auflage des “Freizeit Magazin Royale“ von 30.000 Exemplaren ausverkauft ist, und “bereits 100.00 Online-Bestellungen” vorlägen. “Daher wird nun eine zweite Auflage von 120.000 Exemplaren nachgedruckt”, so der Sprecher des Senders, dessen Magazin nicht am Kiosk, sondern unter anderem auch bei Rewe auflag.
Ob das Böhmermann’sche Magazin nun zum großen Kiosk-Coup wurde, die Regenbogenpresse ihre eigenen Lügen gestraft hat oder gegen im Duell gegen die großen Kaliber der Klatschpresse nur einen “Lucky Punch” gelandet hat, darüber mag diskutieren, wer will.
Fakt ist, dass beim “Freizeit Magazin Royale” ganz bestimmt mehr als einer zuletzt lacht: Allen voran ist das die Leserschaft, zu deren Denkanstoß und Amüsement das Projekt gestartet wurde, und durch den vom ZDF konstatierten Erfolg und Nachdruck des Magazins auch die gute Sache – denn laut Sender sollen die gesammelten Erlöse des Satire-Blattes einem gemeinnützigen Projekt zur Stärkung von Medienkompetenz in Print und Internet gespendet werden.
Moin Jung-Verleger @janboehm Auf deinen Vertriebspartner @REWE_Supermarkt ist Verlass👍🏆🤘🚀🤠 #freizeitmagazin pic.twitter.com/aHlsVAIGqE
— Frank Behrendt (@frankzdeluxe) April 17, 2021
Und wer hat jetzt gewonnen?
Böhmermann selbst ist in den Ring gestiegen, um die Methoden der Macherinnen und Macher hinter den umstrittenen Medien vor den Vorhang zu holen und einmal mehr provokant zur Diskussion einzuladen. Durch die große Nachfrage nach dem Heft hat er sicherlich eine Bestätigung für seine Arbeit bekommen, und er tut auch Gutes, wenn der Reinerlös seines Projekts gespendet wird. Ein klarer Punkt für den Satiriker, doch spätestens wenn es um harte (Verkaufs-)zahlen und Fakten geht, dann kann der scharfzüngige ZDF-Satiriker Burda und Co. nicht so leicht aus dem Gleichgewicht bringen, wie diese auch selbst beteuern.
Uebermedien.de zitiert in diesem Zusammenhang ein Statement von Kay Labinsky, “Chief Publishing Officer Popular” des Burda Verlags, der sagt: “Die ‘Freizeit Revue’ ist eine der erfolgreichsten Marken und Produkte unseres Hauses’ und ‘unter allen über 2.000 deutschen Zeitschriften einer der Top-5-Umsatzbringer im Einzelhandel”, so Labinsky. Leserinnen und Leser würden bei der Lektüre so gut unterhalten, “dass sie das Heft regelmäßig in hoher Frequenz kaufen – die Schwankungen im Abverkauf sind minimal“. Auch in einem “Wettbewerb mit über 25 Kopien“ stehe der Verlag “extrem stabil“.
Punkte, die für Burda und seine Ziele sprechen und ihn auch nach der Aufregung um den “Böhmermann’schen linken Haken” getrost schlafen lassen können. Mit diesen Argumenten kann und wird Hubert Burda wieder getrost als “Sieger” aus dem Ring steigend sehen, denn selbst mit dem Nachdruck von 120.000 Exemplaren kommt das “Freizeit Magazin Royale” nicht an die Auflagen der Burda-Zugpferde “Freizeit Revue” ( aktuelle Auflage von 518.114 Exemplaren die in Deutschland zu je 1,99 Euro pro Ausgabe vertrieben werden) und dem renditeträchtigsten Prinprodukt des Verlags, der “Bunte” ( aktuelle Auflage von rund 365.100 Exemplaren, die am deutschen Markt zu je 2,99 Euro pro Ausgabe verkauft werden) heran.
Kommentare