Bernhard Heinzlmaier: Die Meinungsdiktatur der Postmarxisten
Heute beherrschen linke Postmarxisten die gesellschaftlichen Debatten. Ihre zentrale Strategie: Ideen und Bewegungen, die ihnen entgegenstehen, sollen als rechts, rechtsextrem oder faschistisch denunziert werden. Das macht etwa die SPÖ-Politologin Natascha Strobl vor. Ihr neues Buch verdreht die Fakten und betreibt Dirty Campaigning.
In der letzten Ausgabe der Weltwoche findet sich eine treffende Analyse der politischen Stimmung in den mitteleuropäischen Ländern, die mit der Feststellung endet, dass das bürgerliche Lager längst die Herrschaft über die gesellschaftlichen Debatten verloren hat. Die Deutungsmacht über das Zeitgeschehen hat der linke Postmarxismus übernommen, der von den Theorien von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe angeleitet wird, kühlen Pragmatikern der Macht, die sich nicht einmal davor scheuen, Ideen des NSDAP-Juristen Carl Schmitt aufzugreifen, wenn es um die Erreichung der Hegemonie über die Köpfe der Menschen und die Übernahme der Staatsmacht geht. Zentrale Strategie dieser neuen Linken ist es, alle Ideen, Meinungen und Bewegungen, die ihnen entgegenstehen, als rechts, rechtsextrem oder gar faschistisch zu denunzieren.
"Rechtsextreme" Impfverweigerer sind oft grüne Anhänger der Alternativmedizin
Die Bewegung der Impfverweigerer und der Kritiker der Impfpflicht hat es den linken Bürgerkindern, die die soziale Basis des Postmarxismus darstellen, besonders angetan. Geschickt überschwemmen sie schon während jeder ihrer Demonstrationen das Internet mit „Tatsachenberichten“ über den gewaltbereiten Rechtsradikalismus der Manifestanten.
Gegenüber diesen Darstellungen ist Skepsis angezeigt, weil es empirische Forschungen über die soziale Zusammensetzung der Impfskeptiker gibt, die unter diesen einen quantitativ bedeutenden Anteil von den Grünen nahestehenden anthroposophisch angehauchten fanatischen Anhängern der Alternativmedizin ausweisen. Das könnte auch erklären, warum die Grünen, mit Ausnahme ihres unberechenbaren Parteivorsitzenden, recht zurückhaltend sind, wenn es um die Kritik an den Impfskeptikern geht.
Impf-Protestler auf der Mahü gleichen eher einer Pilgerprozession nach Medjugorje
Letzten Sonntag hatte ich zufällig die Gelegenheit, der Demonstration der Impfgegner auf der Mariahilferstraße beizuwohnen. Ich selbst gehe grundsätzlich nicht auf Demonstrationen, weil jeder, der sich in eine solche Masse hineinbegibt, seinen Verstand verliert und sich wie Vieh in den irrationalen Rhythmus der Herde einordnet, die von übermäßigen Reizen geleitet wird, wie schon Sigmund Freud festgestellt hat.
Einen Massenwahn konnte man bei dieser melancholischen Gemeinschaft, die da an uns vorübertrottete, nicht erkennen, auch keine Aggression. Brav hielten sie ihre Schildchen in die Höhe, auf denen durchwegs banale Sprüche zum Thema Freiheit abgehandelt wurden und erinnerten insgesamt eher an eine innengeleitete Pilgerprozession auf dem Weg nach Medjugorje. Wer vor denen Angst hat, der hat ein Resilienz-Problem.
Postmarxistische Grüne wollen "Abweichlern" den Zugang zu den Medien verweigern
Andererseits gibt es auch den Grünen nahestehende Aktivisten wie die Deutsche Carolin Emcke, die, ganz auf dem aggressiven Kurs der Postmarxisten, dem liberalen Verfassungsstaat, der Bürgerechte wie die Meinungsfreiheit garantiert, einen „infantilen Meinungsfreiheits-Nihilismus“ vorwerfen und fordern, dass Menschen, die sich gegen Ökototalitarismus, legale Fluchtrouten oder die allgemeine Impfpflicht aussprechen, der Zugang zu den Medien verweigert werden soll. Frau Emcke ist übrigens auch der Auffassung, dass die Klimaforscher die Juden der Gegenwart sind, weil sie von aller Welt verfolgt werden. Tatsächlich werden sie mit Forschungsmillionen förmlich überschüttet.
SPÖ-Funktionärin Natascha Strobl vertritt eine einfache Formel: Trump = Kurz
Die Wiener Politologin und SPÖ-Funktionärin Natascha Strobl ist die Chefideologin der radikalen Linken. Sie beherrscht aber den Jargon von Laclau und Mouffe noch nicht ganz. Der Sprache ihres neuen, übrigens hervorragend geschriebenen Buches „Radikalisierter Konservativismus“, haftet noch die verstaubte Stilistik des leninistischen Primitiv-Stamokap-Geschwurbels der Sozialistischen Jugend der 1990er-Jahre an. Da geistern alte Begriffe wie Arbeiterklasse, Klassenkampf, Revolution und Proletariat herum und da wird das Paradies einer postkapitalistischen Ordnung als Ziel einer sakralen Erlösungsgeschichte beschworen.
Der eigentliche Zweck des Buches ist es aber, die österreichischen Konservativen mit allen zu Gebote stehenden sprachlichen Tricks und Finessen in die unmittelbare Nähe des Rechtsextremismus zu rücken. Das wird besonders dadurch zu erreichen versucht, dass der amerikanische Präsident Trump und der österreichische Exkanzler Kurz gleichgesetzt werden. Die einfache Formel des Buches lautet: Trump = Kurz = radikalisierter Konservatismus.
Kurz ist eher der pragmatische Politik-Manager, als Symbolfigur des "White Trash"
Man kann ohne Zweifel Kurz vieles vorwerfen, dass er aber wie Trump eine Symbolfigur des „White Trash“ auf der politischen Bühne zu geben versuchte, um mit derben Sprüchen die untersten Sozialschichten der Abstiegsgesellschaft zu gewinnen, kann man wohl nicht sagen. Auch von einer Allianz mit einem ohnehin in Österreich nicht vorhandenen Äquivalent der Alt-Right-Bewegung konnte bei Kurz keine Rede sein. Im Gegensatz dazu mimte er eher den smarten, höflichen und pragmatischen Politik-Manager, der über allen Ideologien steht.
Zum klerikalen Totalitarismus der Zwischenkriegszeit stand er in überhaupt keiner Beziehung, im Gegenteil, er quartierte das Dollfuß-Porträt aus dem Parlamentsklub der ÖVP aus und ging auf Distanz zur kirchlichen Caritas, die sich ebenso wie die SPÖ mehr um Flüchtlinge und Migranten kümmert als um bedürftige Menschen der österreichischen Unterschichten. Auch die am Ende des Buches insinuierten Parallelitäten der politischen Verhältnisse unserer Tage mit denen der Weimarer Republik sind an den Haaren herbeigezogen und absurd.
Hinter Polit-Analyse versteckt sich Wahrheitsverdrehung und übles Dirty Campaigning
Das Buch beinhaltet aber zwei Textstellen, die nichts anderes wie Wahrheitsverdrehung und übles Dirty Campaigning sind. In der einen wird den Lesern erklärt, dass ein Verbot der Antifa nicht möglich ist, weil diese lediglich ein „Label für eine breite Strömung antifaschistischer Gruppierungen“ sei. In Wirklichkeit ist die Antifa eine gut organisierte und schlagkräftige anarchistische Geheimorganisation, deren Ziel die Vernichtung des bürgerlichen Staates und die Brechung der Herrschaft des Kapitals ist. Natürlich meldet ein Geheimbund keinen Verein bei der Vereinsbehörde an, weil er sich sonst den Strafverfolgungsbehörden auf dem Präsentierteller servieren würde. Es macht natürlich keinen Sinn einen Geheimbund zu verbieten, aber man kann es mit seinen Symbolen und Zeitschriften tun, die in linken Buchhandlungen vertrieben werden.
Die andere deutet auf perfide Art einen Zusammenhang zwischen dem konservativen Protest gegen das Nikolausverbot an Wiener Schulen und dem Massenmord von Anders Breivik im Jahr 2011 in Norwegen an. Mit der Formulierung „solche scheinbar banalen Aufreger haben reale Konsequenzen“, wird recht unverhohlen eine mögliche Mitverantwortung von Konservativen und FPÖ für den Amoklauf in den Raum gestellt. Begründung: auch Breivik hat in seinem wahnhaften Manifest das Nikolausverbot thematisiert. Wer solche Zusammenhänge herstellt, der will nicht aufklären, sondern politisch Andersdenkende in ein schiefes Licht rücken.
Bei allem, was sich heute in Europa abspielt, kann keine seriöse Analyse auf die Idee kommen, dass wir es mit einer Radikalisierung des Konservativismus zu tun haben, der im Gegenteil so handzahm wie niemals zuvor ist. Eher schon mit einer Radikalisierung demokratischer linker Parteien wie SPD, SPÖ oder Grüne, die in ihren Reihen Antifa-Apologeten und antidemokratischen und gleichheitsfeindlichen Identitätspolitiken Raum und Stimme geben.
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