Die verbreitete Gardasee-Panik: So hoch ist der Wasserstand wirklich
Seit Wochen überschlagen sich die Medien mit neuen Hiobsbotschaften über den Gardasee. Italiens größter See trockne wegen des Klimawandels aus – so ist zu lesen. Nur es ist schlicht falsch. Der jetzige Wasserstand kann die Panikmache nicht rechtfertigen. Darüber hinaus wird er falsch interpretiert.
Ob in Deutschland oder in Österreich: Die Horror-Schlagzeilen wollen kein Ende nehmen. Wer heuer am Gardasee auf Urlaub ist, der müsste sich demnach schön langsam fragen, ob er hier überhaupt noch baden kann.
Der Wasserstand war im Jahr 2007 niedriger
Die angeblich alarmierenden Pegel-Angaben beziehen sich auf den sogenannten Nullpunkt. Zurzeit befindet sich der Pegel 60 Zentimeter über diesem Punkt. Das ist nicht sonderlich viel, aber kein Negativrekord. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Im Jahr 2007 war der Pegelstand zu dieser Jahreszeit schon tiefer. Im Jahr 2002 lag er zu Jahresbeginn unter dem diesjährigen Stand. In anderen Jahren lag der Pegel zunächst weit höher, ist aber dann wieder kräftig gesunken.
Zurzeit steigt der Pegelstand wieder. Niemand in der Region sieht einen Grund zur Panik. Ein Wasserstand nahe am Nullpunkt ist nämlich nicht so tragisch, wie er sich anhört.
Ein Wasserstand nahe am Nullpunkt heißt nicht, dass der Gardasee austrocknet
Die Pegel-Angaben zum Wasserstand des Gardasees werden von den Medien „nicht korrekt interpretiert“, kritisiert Oskar Schwazer, CEO des Tourismusverbands Garda Trentino. Die Angaben beziehen sich auf einen sogenannten „hydrometrischen Nullpunkt“. Dies ist ein künstlich festgelegter Wert. Sich dem hydrometrischen Nullpunkt zu nähern, bedeute also nicht, dass der Gardasee bald leer ist oder austrocknet. Der See hat eine Durchschnittstiefe von 133 bis 136 Metern. An den tiefsten Stellen ist er sogar 346 Meter tief. Touristen können hier auch in diesem Jahr problemlos baden und tauchen.
Seit 1949 wird der Gardasee künstlich reguliert. Der „Nullpunkt“ dient dabei der Orientierung. Sobald dieser Punkt erreicht wird, werden vorbeugende Maßnahmen eingeleitet und das Ablassen von Wasser gestoppt.
Landwirtschaft und Umweltschutzbehörde sind entspannt
Für Schwazer ist die Panik schlicht nicht nachvollziehbar: „Der See hat mal mehr, mal weniger Wasser.“ In den vergangenen zwei Wintern habe es etwas weniger geregnet, weshalb „nicht so viel Schmelzwasser in den Gardasee geflossen ist wie in anderen Wintern“, berichtet er. Das sei aber nicht weiter dramatisch.
Der Gardasee dient nicht nur als Süßwasserspeicher, Freizeit- und Erholungsort, sondern auch als Bewässerungsgrundlage für die Landwirtschaft – bis hinein in die Po-Ebene. In der Landwirtschaft ist man unbesorgt. Ein Tröpfchen-Bewässerungsverfahren versorgt eine Fläche von mehr als 1300 Hektar. Der heurigen Ernte blickt man entspannt entgegen. „Unseren Olivenbäumen geht es sehr gut“, berichtet Massimo Fìa, Geschäftsführer der Ölmühle „Agraria Riva del Garda“, gegenüber dem Portal „TouristikNews“. „Wir sehen, dass sie eigentlich gesund sind. Wir erwarten eine gute Saison. Die Blüte beginnt im kommenden Monat.“
Die Biologin und Mitarbeiterin der Umweltschutzbehörde der Provinz Trient (APPA) Giovanna Pellegrini versichert: Der aktuelle Wasserstand beeinträchtige nicht die Qualität des Wassers: „Ein bisschen weniger Wasser hat keinen Einfluss auf die Gewässerqualität. Seit 1988 führen wir Ermittlungen über die Gewässerqualität durch. Die Dürre ist momentan kein Thema für die Gesundheit des Sees.“
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