Knalleffekt: Aus für die Marchfelder Schnellstraße
Noch vor dem ersten Spatenstich erfolgt nun das Aus für das Autobahnprojekt durchs Marchfeld. Am Freitag gab das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung bekannt, dass die geplante Marchfeld-Schnellstraße (S8) in der vorliegenden Version nicht realisiert werden darf. Betroffen sind rund 18.000 Anrainer.
Als Grund gab das Gericht eine Umweltunverträglichkeit an. So würde das Natura 2000 Gebiet, durch das die Schnellstraßen führen würde (siehe Karte) erheblich beeinträchtigt und die Brutstätte des besonders geschützten Vogels Triel unwiderruflich zerstört werden.
Zur Erklärung: Natura 2000 ist ein Netzwerk an Gebieten in Europa, die unter strengem Naturschutz stehen. Laut WWF umfasst Natura 2000 rund 19 Prozent des europäischen Festlandes und 9 Prozent der Meeresgebiete in Europa.
Die Marchfelder Schnellstraße beschäftigt die Politik bereits seit Jahrzehnten. 2006 wurde das Projekt im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ beschlossen. Danach wurden Baupläne eingereicht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, die in einer Baugenehmigung gipfelte, Vorarbeiten begonnen, bei denen ein Massengrab mit gefallenen Soldaten aus der Schlacht bei Wagram von 1809 gefunden wurde und der Bescheid im September 2021 mit dem Hinweis auf den gefährdeten Vogel Triel aufgehoben.
Eine Bürgerinitiative und eine Umweltorganisation sprachen sich wie die Grünen und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) gegen den Bau aus, Gänserndorfs ÖVP-Bürgermeister René Lobner, diverse Vereine und Initiativen von Anrainern sowie die FPÖ und ÖVP für den Bau. Es kam immer wieder zu Protesten und Demonstrationen für den Bau der Schnellstraße von betroffenen Anrainern, die unter der Verkehrsbelastung durch ihre Ortschaften leiden.
Die Marchfeld-Schnellstraße soll die beiden Hauptstädte Wien und Bratislava miteinander verbinden. Auf Wikipedia ist folgende Erklärung zu finden: „Parallel dazu befindet sich südlich der Donau mit der Ost Autobahn A4 und der Nordost Autobahn A6 bereits eine Straßenverbindung zwischen den beiden Metropolen, weshalb der Bau einer weiteren Schnellstraße mehr als fraglich ist. Die S8 soll beim zukünftigen Knoten S1/S8 von der im Zuge der ebenfalls im Planungsstadium für einen Ausbau befindlichen Wiener Außenring Schnellstraße S1 abzweigen und bis zum Grenzübergang bei Marchegg führen.”
Täglich stauen sich bis zu 35.000 Fahrzeuge durch die Ortschaften
Auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Freitag, das Projekt zu stoppen, gibt es Reaktionen aus der Politik. Erwartungsgemäß erfreut zeigen sich die Grünen, allen voran Verkehrsministerin Leonore Gewessler. „Das Bundesverwaltungsgericht sagt unmissverständlich: Diese Autobahn kann so nicht gebaut werden. Es gibt im Jahr 2024 bessere Lösungen. An diesen Lösungen könnten wir seit Jahren arbeiten – leider hat das Land jedoch bisher jeden Schritt voran blockiert”, so Gewessler (Grüne) in einer Aussendung. Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen im Niederösterreichischen Landtag, begrüßt die Entscheidung zum Baustopp ebenfalls: „Es braucht attraktive Alternativen, damit die Menschen freiwillig vom Auto auf die Bahn umsteigen. Die S8 wäre ein Fossil der Vergangenheit gewesen, das durch Flächenversiegelung und Zerstörung der Natur nicht nur der Umwelt geschadet, sondern auch die Lebensqualität im Marchfeld massiv beeinträchtigt hätte.”
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kritisiert die Entscheidung scharf: „Diese Entwicklung ist der beschämende Schlusspunkt in der ideologisch getriebenen Verkehrspolitik der Ministerin Leonore Gewessler. Und sie bestärkt uns nur umso mehr: Wir stehen geschlossen hinter dem Marchfeld. S1 und S8 müssen zu den wichtigsten verkehrspolitischen Projekte der nächsten Bundesregierung werden. Wir lassen die staugeplagte Bevölkerung nicht im Stich.“
FPÖ-Landeshauptfrau-Stellvertreter und Verkehrslandesrat Udo Landbauer spricht hingegen ebenso wie der Gänserndorfer Bürgermeister René Lobner von „einem schwarzen Tag”. „Für viele verkehrsgeplagte Niederösterreicher ist die druckfrische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die S8 aufgrund ihrer Trassenführung nicht gebaut werden kann, ein schwerer Schlag ins Gesicht“, so Landbauer und hofft, dass der Wirtschaftsstandort „nicht in die Steinzeit zurückversetzt wird“.
Lobner pocht hingegen auf das Gesetz. „Die Marchfeldschnellstraße S8 steht seit dem Jahr 2006 im Bundesstraßengesetz. Die Erkenntnis des BVwG ändert an dem gesetzlichen Auftrag nichts. Das grüne Verzögerungsspiel der letzten Jahre hat damit seinen traurigen Höhepunkt gefunden. Leidtragende sind einmal mehr die Marchfelderinnen und Marchfelder. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass es eine Entlastung für sie gibt. Der nächste Verkehrsminister wird gefordert sein, den hinterlassenen Scherbenhaufen von Gewessler zu beseitigen”, so der ÖVP-Bürgermeister und liefert Zahlen: „Täglich stauen sich bis zu 35.000 Fahrzeuge durch die Orte im Marchfeld. Die S8 würde 18.000 Anrainerinnen und Anrainer entlasten. Allein daran sieht man die Dimension und Notwendigkeit dieses Projekts.“
Mit dem Gerichtsentscheid wurde gleichzeitig eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof zugelassen, die den Prozess in die nächste Instanz heben könnte. Es bleibt also weiterhin spannend.
Vor sechs Jahren veröffentlichte die ASFINAG ein Video von der Visualisierung der Schnellstraße:
Mit der vorgesehenen S 8 (Gesamtlänge 14,4 Kilometer) sollen die Region Marchfeld erschlossen und rund 18.000 Anrainer vom Verkehr entlastet werden. Laut der ASFINAG belaufen sich die geplanten Gesamtkosten auf 310 Millionen Euro.
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