Sechs Jahre nach Bataclan: Paris startet mit Aufarbeitung der Terrornacht
Rund um den Jahrestag des 11.September startet in Paris der Mammutprozess zur Aufarbeitung der verheerendsten Terroranschläge in der Geschichte Frankreichs: Fast sechs Jahre nachdem in Bataclan 130 Menschen Islamisten zum Opfer fielen, sollen endlich offene Fragen geklärt werden. Aber: Wird der einzige noch lebende Attentäter von 2015 sein Schweigen brechen?
Am heutigen Mittwoch startet in Paris die Aufarbeitung eines der schwersten kollektiven Traumata, welches Frankreich in seiner Geschichte verkraften musste – und das im größten und aufwändigsten Prozess, der je in der “Grande Nation” geführt wurde. Der Riesenprozess rund um die schrecklichen Terroranschläge von Bataclan vom 13. November 2015, bei dem 130 Menschen ihr Leben auf tragische wie sinnlose Weise an den Terror verloren haben, lässt niemanden in Frankreich kalt, und auch in Österreich werden Erinnerungen an die Terrornacht vom 4. November 2o20 wach: “Ein kalendarischer Zufall lässt den 20. Jahrestag des 11. Septembers und den Auftakt des außergewöhnlichen Prozesses der (Bataclan-) Anschläge von 2015 in ein und dieselbe Woche fallen. (…) 130 Personen sind in der Konzerthalle Bataclan, im Stade de France und den Straßencafes im fünften und sechsten Pariser Arrondissement ums Leben gekommen. (…) Genauso wie der 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten war der 13. November 2015 für die französische Gesellschaft ein Stoß mitten ins Herz und von unfassbarer Gewalt”, schreibt dazu die französische Tageszeitung “Le Parisien”.
Vor Gericht stehen der einzig überlebende Terrorist Salah Abdeslam und 19 mutmaßliche Helfer. Zwölf von ihnen droht lebenslange Haft, gegen sechs wird der Prozess in Abwesenheit geführt. In welchem Umfang der Prozess neue Erkenntnisse bringen wird, hängt primär davon, ob die Angeklagten, allen voran Abdeslam, ihr beharrliches Schweigen brechen werden. Zunächst ist der Prozess bis Mai kommenden Jahres angesetzt.
Zu Beginn war ein Aufgebot an tausend Ermittlern damit befasst, die Gewaltakte in der Nacht des 13. November zu rekonstruieren. Wie sich herausstellte, stand hinter den Anschlägen, welche die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich beansprucht hatte, eine belgisch-französische Dschihadistenzelle mit engen Verbindungen nach Syrien. Oussama Atar, ein Belgier mit marokkanischen Wurzeln, gilt gemeinhin als Drahtzieher der Attentate. Er soll die Anschläge von Syrien aus koordiniert haben. Laut Infomationen des französischen Geheimdienstes wurde er jedoch bei Angriffen auf Syrien 2017 getötet und kann dadurch im Prozess nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden.
Wie sich herausstellte, waren mehrere der an der Terrornacht von Paris beteiligten Attentäter mit falschen Pässen über die Flüchtlingsroute aus Syrien nach Europa gekommen. Laut einer Zeugenaussage soll einer der Terroristen behauptet haben, dass er gemeinsam mit 90 anderen einsatzbereiten Dschihadisten unterwegs gewesen sei. Eine der großen bislang ungelösten Fragen des Prozesses ist es, wie groß die Terror-Gruppe tatsächlich war. Auch in Österreich waren im Jahr 2015 zwei mutmaßlich an den Pariser Anschlägen beteiligte Männer festgenommen worden: Ein Algerier und ein Pakistaner, die wegen gefälschter syrischer Papiere in Griechenland hängen geblieben waren, hatten ausgesagt, dass sie gemeinsam mit zwei Selbstmordattentätern vom Fußballstadion von Atar in Syrien beauftragt worden waren.
Was genau war in der verheerenden Terrornacht von Bataclan passiert? Es war der Abend des 13. November 2015, als jeweils drei mit Selbstmordgürteln ausgestattete Männer gemeinsam direkt im Herzen von Paris den verheerendsten Terroranschlag der französischen Geschichte verübten: Eine Gruppe griff am Fußballstadion Stade de France, die nächsten in einem Ausgehviertel, und die letzte im Konzertsaal Bataclan an. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nahm die Anschläge als ihre Taten in Anspruch.
Die Anschläge von Bataclan waren unter anderem einer der Gründe dafür, dass Frankreich noch vor allen anderen Nationen mit Österreich mit trauerte, als in der Nacht vom 4. November 2020 in der Wiener Innenstadt ein Anschlag verübt wurde, der erschreckende Parallelen zur Pariser Terrornacht aufwies. Der fanzösische Präsident Emmanuel Macron setzte sogar das mehr als seltene Zeichen, nur wenige Stunden nach den Anschlägen am nächsten Morgen höchstpersönlich in der österreichischen Botschaft in Paris vorstellig zu werden und sich ins Kondolenzbuch einzutragen. Frankreich ist das womöglich am schlimmsten von Terroranschlägen gebeutelte Land Europas und kämpft fast jährlich mit terroristisch motivierten Gewaltakten.
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