Was viele ahnten, belegt nun eine neue Studie im Fachjournal Scientific Reports schwarz auf weiß: Fast die Hälfte aller offiziellen Covid-19-Todesfälle in sieben Athener Spitälern hatte mit dem Virus nichts zu tun. Die Betroffenen starben zwar mit, aber nicht an Corona.

Die Autoren heben hervor, wie wichtig diese Unterscheidung für die korrekte Beurteilung der Pandemie ist. Auch für Österreich ist das brisant – denn hier wurde diese Differenzierung ebenfalls nie gemacht.

Diese neue Studie aus Griechenland bringt Klarheit: Fast die Hälfte der Covid-Toten starb gar nicht an dem Virus.Scientific Reports/Screenshot

Nur ein Viertel starb direkt an Covid-19

Die Forscher untersuchten 530 offiziell als Corona-Tote registrierte Patienten aus sieben großen Athener Krankenhäusern während der Omikron-Welle (Jänner bis August 2022). Das Ergebnis: Nur 25,1 Prozent (133 Personen) starben direkt an Covid-19. Weitere 29,6 Prozent (157) hatten das Virus als mitverantwortlichen Faktor. Aber 45,3 Prozent (240 Personen) starben aus ganz anderen Gründen – sie hatten nur zufällig einen positiven Test.

Diese Todesfälle wurden trotzdem als „Corona-Tote“ gezählt – ein systematischer Fehler. Hauptursachen bei den falsch zugeordneten Fällen waren Schlaganfall, bakterielle Blutvergiftung, Lungenentzündung nach Verschlucken, Herzversagen oder Krebserkrankungen.

Weniger Symptome, andere Todesursachen

Patienten, die nur „mit“ Covid-19 starben, waren im Schnitt jünger, oft chronisch krank, häufig immungeschwächt und hatten sich im Krankenhaus angesteckt. Sie zeigten kaum typische Covid-Symptome und wurden meist nicht gegen Corona behandelt. Wer hingegen tatsächlich an Covid-19 starb, hatte fast immer Atemnot, benötigte Sauerstoff und erhielt spezifische Therapien.

Corona-Behandlung? Nicht zwingend.GETTYIMAGES/Sean Anthony Eddy

Besonders aussagekräftige Studie

Der besondere Wert der Studie: Sie basiert nicht bloß auf Totenscheinen, sondern auf einer medizinischen Prüfung jedes einzelnen Falls durch Ärzte, Patientenakten, Labordaten und Symptome. Das macht sie aussagekräftiger als frühere Analysen – auch wenn Daten von Intensivstationen fehlen.

Auch andere Länder hatten zu hohe Zahlen

Die griechischen Forscher untersuchten nur Corona-Tote in Athen. Sie verweisen aber auf Befunde aus anderen Ländern, denen zufolge auch dort zu viele Tote als Corona-Opfer gezählt wurden. In Dänemark waren während der Omikron-Welle 40 Prozent der gemeldeten Covid-Toten tatsächlich an anderen Ursachen gestorben, in Schweden rund 24 Prozent. In China sank die Zahl drastisch, als man nur noch Atemwegserkrankungen als Corona-Todesursache gelten ließ.

Leichentransport in Thailand: Bilder wie dieses gingen um die Welt.GETTYIMAGES/Sirachai Arunrugstichai

Parallelen zu Österreich

Österreich kommt in der Studie zwar nicht vor – doch die Parallelen sind auffällig: Auch hierzulande wurde während der Pandemie jeder Verstorbene mit positivem Test im Epidemiologischen Meldesystem (EMS) als Corona-Toter erfasst – unabhängig von Symptomen oder Krankheitsverlauf.

Und das blieb so: Im März 2022, mitten in der Omikron-Welle, erklärte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) auf eine parlamentarische Anfrage des FPÖ-Bundesrats Markus Leinfellner: Als Covid-19-Tod gilt „ein laborbestätigter Fall mit Ausgang Tod“. Kurz: Jeder Corona-Infizierte, der stirbt, zählt automatisch als Corona-Toter. „Daher kann nicht zwischen dem Tod mit oder an Corona unterschieden werden.“

Gesundheitsminister Rauch 2022: „Zwischen Tod mit oder an Corona kann nicht unterschieden werden.“GETTYIMAGES/GETTYIMAGES

Brisanz der Omikron-Welle

Gerade die Omikron-Variante war zwar hoch ansteckend, aber für die meisten Menschen harmlos. Doch genau das führte zu einem statistischen Problem: Viele schwerkranke Patienten wurden zufällig positiv getestet – und landeten als „Corona-Tote“ in der Statistik, obwohl Covid mit ihrem Tod nichts zu tun hatte. Die Studie kritisiert: Das verzerrte die Wahrnehmung der Gefahr – und diente als Rechtfertigung für drastische Maßnahmen.

Forscher warnen vor gefährlicher Verzerrung

Die Autoren betonen: „Die Genauigkeit bei der Definition der Todesursache während der Pandemie ist von entscheidender Bedeutung für Überwachung und gesundheitspolitische Maßnahmen.“ Wer die Pandemie seriös aufarbeiten will, kommt um diese Erkenntnis nicht herum. „Um verlässliche Schlüsse über die Covid-19-Sterblichkeit zu ziehen, müssen wir Verzerrungen beseitigen, die durch ungenaue Definitionen zu falschen Ergebnissen führen können.“

Blumen und Namensschilder hängen an einem Friedhofstor in Brooklyn (New York): Weltweit wurde der Corona-Toten gedacht.GETTYIMAGES/Spencer Platt

Klare Forderung: Neue Standards – ehrliche Zahlen

Das Team um Studienleiter Basoulis fordert deshalb klare Standards für künftige Pandemien. Nur wenn Symptome, Behandlungen, medizinische Akten und ärztliche Einschätzungen berücksichtigt werden, lassen sich verlässliche Entscheidungen treffen. Auch Politik und Medien müssten endlich ehrlicher werden: Denn die wöchentliche Statistik war oft mehr Zahlenspiel als Realität.