
"Unglaublich, dass sowas möglich ist": Anwalt hält Verfassungsrichter im ORF-Streit für befangen
Der Wiener Anwalt Alexander Scheer erhebt im Streit um die umstrittenen ORF-Gebühren Vorwürfe gegen einen Verfassungsrichter. Er weist auf eine brisante Verbindung zwischen der Kanzlei des Richters und einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hin …
Laut Alexander Scheer wurde die Kanzlei Herbst Kinsky, deren Mitgründer und Gesellschafter Dr. Christoph Herbst ist, von der OBS (ORF-Beitragsservice GmbH) beauftragt, um eine Gegenschrift in einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof einzubringen. Gleichzeitig gehört Herbst als Verfassungsrichter aber zu jenem Gremium, das über genau diese Beschwerde zu entscheiden hat. Auch wenn Herbst selbst möglicherweise nicht aktiv an der Erstellung der Schriftsätze beteiligt war, wirft Scheer die Frage auf, ob eine solche Konstellation mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Unbefangenheit vereinbar ist.
“Es ist ungefähr so, als würde ein Richter eine Klagebeantwortung verfassen und anschließend selbst darüber entscheiden”, argumentiert Scheer. “Selbst wenn Herbst sich in diesem speziellen Fall für befangen erklärt, bleibt der Umstand bestehen, dass seine Kanzlei an dem Verfahren beteiligt war. Dadurch entsteht zumindest der Anschein einer Befangenheit.”
Das Verfassungsgerichtshofgesetz erlaubt es Richtern, weiterhin in ihrem Hauptberuf tätig zu sein. Einige Verfassungsrichter sind daher neben ihrer Tätigkeit am Höchstgericht auch als Anwälte oder Universitätsprofessoren tätig.
Mögliche Reformen gefordert
Besonders brisant ist laut Scheer die Tatsache, dass das Verfassungsgerichtshofgesetz keine effektiven Mittel zur Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit vorsieht. Während in anderen Gerichten Anträge auf Ablehnung eines Richters gestellt werden können, ist dies beim Verfassungsgerichtshof nicht vorgesehen. Der Jurist sieht darin eine gravierende Lücke im System. “In Polen wurden Verfahren gegen das Land eingeleitet, weil man dort Änderungen an der Justiz vorgenommen hat, die zu einer politischen Einflussnahme auf Gerichte führten. Wenn hier ein Verfassungsrichter indirekt mitverdient, während seine Kanzlei eine Partei in einem Verfahren vertritt, dann sollte das ebenso hinterfragt werden”, wählt er einen drastischen Vergleich.
Der Anwalt fordert daher eine Reform des Systems, das solche Interessenkonflikte verhindern soll. “Es ist unglaublich, dass so etwas in Österreich überhaupt möglich ist. Ein Verfassungsrichter sollte nicht in einer Position sein, in der er oder seine Kanzlei wirtschaftlich von einem Verfahren profitieren kann, über das er später mitentscheidet.”
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