Die Terrororganisation Hamas mag international geächtet sein – doch hinter den Kulissen laufen ihre Strukturen weiter. Besonders alarmierend: Österreich spielt dabei eine zentrale Rolle, wie gleich zwei Berichte – einer aus Washington, einer aus Wien – belegen.

Hamas-Aktivitäten in Deutschland, Italien und Österreich

Am 7. Oktober 2024 – ein Jahr nach dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel – veröffentlichte das US-Finanzministerium einen aufsehenerregenden, aber in Österreich kaum beachteten Bericht. Der Titel: „Das US-Finanzministerium geht gegen das internationale Hamas-Finanzierungsnetzwerk vor“.

Der brisante Bericht des US-Finanzministerium wurde in der österreichischen Öffentlichkeit bisher nicht wahrgenommen..S. DEPARTMENT OF THE TREASURY/Screenshot

Darin heißt es wörtlich: „Die Hamas betrachtet Europa als eine wichtige Quelle für die Mittelbeschaffung und unterhält seit vielen Jahren Vertretungen auf dem gesamten Kontinent – um über Schein-Hilfsorganisationen Gelder zu sammeln.“

Genannt werden drei Länder: Italien, Deutschland – und Österreich. Laut dem Office of Foreign Assets Control (OFAC), der Kontrollbehörde des US-Finanzministeriums für Sanktionen, agieren in diesen Ländern Personen, die „eine zentrale Rolle bei der externen Finanzierung der Hamas spielen, oft unter dem Deckmantel karitativer Arbeit, mit der die terroristischen Aktivitäten der Gruppe finanziert werden.“

Terror mit System: Die Hamas nutzt Geiselnahmen und Propaganda – und finanziert sich dabei auch über Netzwerke in Europa, darunter Österreich.GETTYIMAGES/Ayman Alhesi/Anadolu

Hamas-Funktionär mit besten Verbindungen in Österreich

Ein zentraler Akteur der Hamas operiert laut US-Bericht ausgerechnet in Österreich: „Adel D. ist für die Aktivitäten der Hamas in Österreich verantwortlich und einer der prominentesten Vertreter der Hamas in Europa. Er steht in enger Verbindung zu hochrangigen Hamas-Führern und hatte leitende Positionen in mit der Hamas verbundenen Institutionen inne, die Gelder an die Organisation transferieren. Adel D. nimmt im Namen der Hamas an Konferenzen und Delegationen teil.“

Er arbeitet demnach mit weiteren Hamas-nahen Organisationen zusammen – darunter die vom US-Finanzministerium gelistete Union of Good und die al-Quds International Institution.

Radikale Parolen, gut finanziert: Bewaffnete Terror-Kämpfer bei einer Übung in Gaza.APA/AFP/MOHAMMED ABED

Türkische Schutzräume für Hamas-Funktionäre

Adel D. soll enge Kontakte in die Türkei pflegen. Auf Facebook posierte er mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Die Türkei gilt als Schlüsselort für Hamas-Aktivitäten. Einer der umtriebigsten Hamas-Helfer – ein jemenitischer Staatsbürger – lebt dem US-Bericht zufolge in der Türkei. „Er ist ein wichtiges Mitglied des einst geheimen Investitionsportfolios der Hamas, das Vermögenswerte von über 500 Millionen US-Dollar verwaltete.“

Wiener Doku-Stelle: Hamas und AKP sind eng vernetzt

Auch die österreichische Dokumentationsstelle Politischer Islam berichtet in ihrer jüngsten Studie von dieser Entwicklung: „Mit dem Wohlwollen der Regierung beherbergt die Türkei im Exil lebende Hamas-Kader, an der Mittelbeschaffung sind türkische Unternehmen maßgeblich beteiligt.“

Der neue Bericht zeigt die enge Vernetzung zwischen türkischer AKP und Hamas auf.Dokumentationsstelle Politischer Islam/Screenshot

Diese Aktivitäten „haben auch Auswirkungen auf Europa“, da sie „über Finanznetzwerke und ideologische Plattformen bis in EU-Länder wie Österreich reichen“, erklärt die Doku-Stelle in ihrer Analyse „Die AKP und die Muslimbruderschaft“. (Die Hamas ist der palästinensische Zweig der Muslimbruderschaft.)

Symbolischer Schulterschluss: Hamas-Führer in Ankara

„Ein symbolischer Höhepunkt des Bündnisses der AKP mit Teilen der Muslimbruderschaft war die Einladung des Hamas-Führers Khaled Mashaal zum Parteikongress im Dezember 2014“, heißt es im Bericht.

In seiner Rede erklärte Mashaal: „So wie euer Volk Jerusalem, Al-Aqsa und Palästina in der Vergangenheit über Jahrhunderte hinweg geschützt hat, so bin ich zuversichtlich, dass wir Palästina und Jerusalem in Zukunft erneut befreien werden.“

Feste Bande: Der türkische Präsident Erdoğan und Hamas-Chef Khaled Mashaal beim Handschlag in Istanbul – Symbol einer brisanten Allianz.GETTYIMAGES/Kayhan Ozer/Anadolu Agency

Erdoğan verteidigt Hamas nach dem 7. Oktober

Seit dem Massaker vom 7. Oktober 2023 gilt die Türkei als wichtigster politischer Rückhalt der Hamas. Erdoğan hat mehrfach erklärt, Hamas sei keine Terrororganisation – und verweigert jede Distanzierung.

„Nach den Anschlägen auf Israel am 7. Oktober 2023 wurde die Türkei zu einem der wichtigsten Förderer der Hamas“, stellt die Doku-Stelle klar. Ankaras Beziehung zu Hamas sei „das wichtigste bestehende Bündnis mit einer Organisation der Muslimbruderschaft“.

Türkische Soft-Power als Einflussinstrument in Europa

Neben Geld und Politik geht es auch um Narrative. „Türkische Einflussnahme und Medienarbeit verbreiten Pro-Hamas- und andere islamistische Narrative in den Diaspora-Gemeinschaften in Europa“, heißt es im Bericht.

Die Doku-Stelle unterstreicht gegenüber dem exxpress: „Islamistische Gruppierungen – aber auch Drittstaaten – versuchen über ihr jeweiliges Islamverständnis auch politischen Einfluss auf jene Muslime zu nehmen, die in Österreich leben. Diese werden von manchen Ländern als selbstverständliche Einflusszone erachtet.“

Hamas nutzt Geiselübergaben wie hier in Rafah gezielt für ihre mediale Inszenierung – flankiert von einem gut ausgebauten Propagandanetz, das bis nach Europa reicht.GETTYIMAGES/Ali Jadallah/Anadolu

Diyanet, ATIB und islamistische Mediennetze

Ein zentrales Element sei die staatliche Religionsbehörde Diyanet, unterstreicht die Dokumentationsstelle: „Die Türkei setzt bewusst Soft-Power-Instrumente ein, um Einfluss auf die türkeistämmige Community auszuüben.“ Besonders aktiv sei in Österreich die ATIB Union – ein Netzwerk von Moscheen unter Diyanet-Aufsicht.

Die Doku-Stelle Politiker Islam hält fest: „Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind die Verbindungen der türkischen Religionsbehörde Diyanet wie die ATIB Union. Mit den Islamischen Föderationen ist darüber hinaus ein weiterer Verband in Österreich aktiv, der als regionale Vertretung der IGMG (Islamische Gemeinschaft Millî Görüş) gilt.“

Islamistische Propaganda nach dem 7. Oktober

Im Zusammenhang mit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober gewann Propaganda erneut an Einfluss.: „Nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023 wurden deren Narrative von islamistischen Aktivisten nicht nur bereitwillig aufgegriffen, sondern die folgenschweren Ereignisse auch als Vehikel für die eigene Agenda genutzt“, warnt die Doku-Stelle.

„Vor allem soziale Medien spielen hierbei – und für die Verbreitung islamistischer Propaganda – eine entscheidende Rolle.“

Mit anderen Worten: Die Hamas ist in Europa nicht verschwunden – sie hat sich nur noch mehr in den Untergrund zurückgezogen. Und die Türkei bleibt ihr wichtigster Schutzraum.