Brisant: WKStA hat Pilnaceks Laptop – mit heiklen Daten über sich selbst
Kurz vor dem Pilnacek-U-Ausschuss wird’s pikant: Ausgerechnet die WKStA hat Zugriff auf Christian Pilnaceks Privat-Laptop – jene Behörde, die der verstorbene Sektionschef jahrelang kritisierte. Was er auf seinem Computer über die WKStA sammelte, sieht diese nun: Sie führt zwei Pilnacek-Fälle – „freiwillig“, ohne Spezialzuständigkeit.
Christian Pilnacek (Bild) galt jahrelang als mächtigster Mann der Justiz – bis der Machtkampf mit der WKStA eskalierte. Jetzt steht sein Fall im Mittelpunkt des neuen U-Ausschusses.APA/HELMUT FOHRINGER
Ein Untersuchungsausschuss mit Sprengkraft: Die FPÖ will lückenlose Aufklärung rund um den Tod von Christian Pilnacek – und mögliche politische Einflussnahme auf die Ermittlungen. Brisant: Ausgerechnet die ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) könnte nun selbst ins Rampenlicht geraten. Der Fall des verstorbenen Spitzenjuristen lässt die Justiz bis heute nicht los.
Karriereende, Konflikte – und Vorwürfe, die nachhallen
Christian Pilnacek, jahrelang der mächtigste Beamte im Justizministerium, wurde im Oktober 2023 bei Rossatz tot am Flussufer gefunden. Stunden zuvor war ihm nach einer Geisterfahrt unter Alkoholeinfluss der Führerschein abgenommen worden. Der Obduktionsbericht: Tod durch Ertrinken, Fremdverschulden ausgeschlossen – dennoch halten sich Mordtheorien.
In seinen letzten Lebensjahren lieferte sich der Sektionschef einen offenen Machtkampf mit der WKStA und deren Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda – von Eurofighter-Ermittlungen bis zu Anzeigen und Gegenanzeigen, begleitet von Interviews und internen Eskalationen. Schon 2019 versuchte Ex-Justizminister Josef Moser das „offensichtlich zerstörte Verhältnis zwischen der Korruptionsstaatsanwaltschaft und dem Sektionschef“ per Mediation zu retten – erfolglos. Spätestens nach der Ibiza-Affäre am 17. Mai 2019 eskalierte der Konflikt endgültig.
Noch am Abend der Veröffentlichung des Ibiza-Videos schrieb Pilnacek an Johann Fuchs, damals Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien: Man wolle der WKStA „keine aktive Rolle“ zukommen lassen, es gelte, ein „Vorpreschen der WKStA zu verhindern“. Die WKStA warf später Pilnacek und Fuchs vor, „gegen die WKStA anstatt mit der WKStA“ zu arbeiten. Ende 2020 zeigte die Behörde beide in Innsbruck wegen Amtsmissbrauchs und Falschaussage beim Ibiza-U-Ausschuss an.
Medien berichteten über Chats, in denen Pilnacek die WKStA als „missraten“ bezeichnete und warnte: „Die schießen die Republik zusammen.“ Er forderte, man solle die „Accounts der WKStA sichern“. Vrabl-Sanda zeigte sich über Passagen wie „Wir müssen jetzt scharf eingreifen, die Truppe ist das Letzte“ erschüttert. Die U-Ausschüsse zu Ibiza und zur ÖVP machten das zerrüttete Verhältnis öffentlich sichtbar. Aus Sicht der WKStA agierte Pilnacek politisch motiviert.
Unter Justizministerin Alma Zadić (Grüne) wurde Pilnacek im Februar 2021 suspendiert – wegen Verdachts auf Verrat eines Amtsgeheimnisses. Eine Kommission hob die Suspendierung auf, Zadić setzte sie erneut in Kraft. Bis zu Pilnaceks Tod wurde kein Vorwurf rechtskräftig festgestellt; in einem Verfahren war er bereits freigesprochen, seine Rückkehr ins Ministerium schien nur mehr eine Frage der Zeit.
Pilnaceks Tod markierte das tragische Ende einer Karriere zwischen Macht, Intrige und Justizkampf – und ist nun Zentrum eines U-Ausschusses, der Österreichs Justizapparat erschüttern könnte.
Laptop, Daten, WKStA – der offene Interessenkonflikt
Jetzt wird’s heikel: Pilnaceks Privat-Laptop und mehrere Datenträger liegen seit seinem Tod in der Verwahrung der Justiz. IT-Experten des Ministeriums erledigen die Forensik – die Ergebnisse gehen an die WKStA. Dort werden sie ausgewertet.
Die Optik ist explosiv: Ausgerechnet jene Behörde, die Pilnacek jahrelang scharf kritisierte, erhält Einblick in das, was er über sie sammelte – über die WKStA als Behörde, über einzelne Personen dort und über Dokumente, die mutmaßliche Missstände und Fehlverhalten belegen sollen.
Das hat erhebliche Tragweite für die ermittelnde Behörde selbst. Von „gleichgültig“ kann keine Rede sein. WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda zeigte sich schon bei früher geleakten Chats „erschüttert“. Jetzt sitzt die WKStA an den Auswertungen – der Eindruck eines offenen Interessenkonflikts drängt sich auf.
Pilnaceks letzte Mission: Kampf gegen die WKStA
Bis zuletzt arbeitete Pilnacek an brisanten Unterlagen gegen die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Auf seinem Laptop fanden Ermittler vorbereitete Fragen an WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda und einen weiteren Beamten – gedacht für den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss.
Der ehemalige PR-Berater Peter Hochegger spricht in seinem neuen Buch von „gegen die WKStA gerichteten Dokumenten“ auf dem Computer des verstorbenen Spitzenjuristen.
Tatsächlich sammelte Pilnacek – unterstützt von Anwaltskreisen – Aktenstücke und Informationen über die WKStA. Sein Ziel: juristische Fehlleistungen, unsachliche Motive und politisch brisante Kontakte einzelner Staatsanwälte aufzudecken. Kurz vor seinem Tod arbeitete er an Sachverhaltsdarstellungen gegen zwei WKStA-Beamte. Brisant: Über all diese Korrespondenzen und Aktenstücke kann sich nun ausgerechnet die WKStA selbst ein Bild machen – dank des beschlagnahmten Laptops und weiterer Datenträger.
Kurz vor seinem Tod suchte Pilnacek Kontakt zu den Freiheitlichen. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker berichtete, Pilnacek habe um ein Gespräch mit Parteichef Herbert Kickl gebeten – um über „handwerkliche Fehler“ der Staatsanwaltschaften und die geringe Verurteilungsquote der WKStA zu sprechen. Diese lasse nur den Schluss zu, so Pilnacek, dass die WKStA „ein politisches Verfolgungsinstrument ist, sonst wäre sie schon längst zugesperrt“.
Laut Ex-Politiker Peter Pilz beriet Pilnacek überdies Beschuldigte in WKStA-Verfahren – das gehe aus den Daten seines Laptops hervor, schreibt Pilz in seinem Buch „Pilnacek“.
Zuständig? Egal! WKStA führt zwei Pilnacek-Verfahren selbst
Die WKStA hat Einsicht in hochsensible Daten aus Pilnaceks Privatbesitz – obwohl sie dafür laut Strafprozessordnung (§ 20a Abs. 1 und 4 StPO) gar nicht zuständig ist, wie mehrere Strafrechtsexperten kritisieren. Trotzdem führt die Behörde gleich zwei Verfahren in der Causa Pilnacek – freiwillig.
Im ersten Verfahren ermittelt die WKStA gegen unbekannte Täter wegen angeblicher Interventionsversuche. Auf einer heimlich aufgezeichneten Tonaufnahme hatte Pilnacek erzählt, Personen der ÖVP hätten ihn gebeten, bei Strafverfahren zu intervenieren.
Bemerkenswert ist der Umfang des Daten-Materials, das der WKStA nun zur Verfügung steht: Neben Laptop und USB-Sticks wurden auch Daten aus einer Sicherungskopie von Pilnaceks Smartwatch ausgewertet – insgesamt 206 Chatnachrichten. Strafrechtlich Relevantes fand die WKStA bislang nicht – für sie selbst könnten die Funde jedoch höchst brisant sein.
Das zweite Verfahren betrifft den Verdacht der falschen Beweisaussage gegen zwei Frauen, bei denen Pilnacek zeitweise gewohnt haben soll. Dabei geht es um widersprüchliche Angaben zum Verbleib von Laptop und Datenträgern nach seinem Tod. Wer hatte wann Zugriff – und wurden Daten gelöscht oder später wiederhergestellt?
Rechtsexperten sehen das kritisch: Laut Strafprozessordnung wäre nicht die WKStA, sondern die entsprechende Staatsanwaltschaft in Niederösterreich zuständig. Trotzdem führt die Korruptionsbehörde beide Verfahren mit erheblichem Personalaufwand weiter – obwohl sie mehrmals über Überlastung und Personalmangel klagte.
Die Frage liegt auf der Hand: Warum tut sich die WKStA das an? Andere Staatsanwaltschaften könnten jederzeit übernehmen. Auf exxpress-Anfrage verwies die WKStA an die Oberstaatsanwaltschaft Wien – sie beantworte Fragen zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Staatsanwaltschaften.
Politischer Sprengsatz vor dem U-Ausschuss
Kurz vor dem U-Ausschuss sitzt ausgerechnet die zentrale Ermittlungsbehörde auf jenen brisanten Daten, die sie selbst betreffen. Zugleich führt die WKStA zwei Pilnacek-Verfahren ohne Spezialzuständigkeit – obwohl sie seit Jahren Ressourcenknappheit beklagt.
Die Frage, die sich aufdrängt: Warum behält die WKStA diese Causa bei sich – rund um einen verstorbenen Spitzenjuristen, dessen Konstante bis zuletzt war: Vorgehen gegen die WKStA? Dem ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter hatte Pilnacek 2019 in einem geleakten Chat mitgeteilt: „die WKSA ist und bleibt ein Problem“.
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