
Chaos an der Front: Ukrainische Generäle rebellieren gegen eigenen Chef
Immer mehr ukrainische Offiziere schlagen Alarm: Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj soll mit autoritärem Mikromanagement die Verteidigung lähmen, Rücktritte ignorieren und eigenmächtig über Truppenbewegungen entscheiden. Intern ist von „Sabotage“ und „Kontrollwahn“ die Rede.

Die Kritik kommt aus den eigenen Reihen. Wie Ukrainska Pravda (auf Deutsch: „Ukrainische Wahrheit“) berichtet, formiert sich in der Armee offener Widerstand gegen Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj. Ihm wird vorgeworfen, die Kriegsführung durch extreme Kontrolle und Eingriffe bis ins kleinste Detail zu behindern. „Er schneidet uns die Hände ab“, klagt ein hochrangiger Offizier gegenüber dem ukrainischen Online-Medium.
Laut dem Bericht will Syrskyj offenbar selbst entscheiden, welcher Soldat wohin geschickt wird, welche Infanterie-Einheit welche Stellung einnimmt – ja sogar wer neue Brigade-Kommandanten wird. Dabei würde er laut Insidern selbst Zugführern konkrete Koordinaten vorschreiben – unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen, falls diese nicht befolgt werden.

„Er schreibt Kampfbefehle, als wäre er noch Kompaniechef“
Anstatt sich auf strategische Entscheidungen zu konzentrieren, schreibe Syrskyj operative Direktbefehle, heißt es in der Armee. Der Generalstab ignoriere dabei laut mehreren Quellen nicht nur militärische Logik, sondern auch geltende Vorschriften.
Ein Beispiel: Ein Vorschlag, bei Kostiantynivka eine Verteidigungslinie anzupassen, um Ressourcen für eine gefährdete Region freizumachen, wurde von Syrsky kurzerhand abgelehnt. Die örtlichen Bedingungen – etwa ein Stausee als natürliche Begrenzung – spielten für ihn offenbar keine Rolle.
„Wie können wir gezwungenermaßen einen Ort aufgeben? Dass wir so Kräfte sparen könnten, interessiert niemanden“, zitiert das Investivativmedium einen Offizier.
Rücktritt eines Top-Generals – doch Syrsky ignoriert ihn
Besonders brisant: Der Kommandant der ukrainischen Landstreitkräfte, General Mykhailo Drapatiy, soll nach einem russischen Angriff auf ein Ausbildungsgelände am 1. Juni seinen Rücktritt eingereicht haben – doch Syrskyj habe das Gesuch nicht unterzeichnet.
Offenbar gibt es einen tiefen Machtkonflikt zwischen beiden. Drapatiy gilt als pragmatischer Verteidiger, der vor einer überhasteten Offensive warnt. Syrskyj hingegen will Ukrainska Pravda zufolge weiter auf Angriff setzen – trotz schwindender Kräfte. „Syrskyj entscheidet allein, wo Reserven hingehen, welche Korps verstärkt werden – obwohl das die Aufgabe der Landstreitkräfte wäre“, heißt es im Bericht. „Er entzieht Drapatiy gezielt Befugnisse, um ihn schlecht aussehen zu lassen.“

Ukrainska Pravda: Es geht um Macht – nicht ums Militär
Ukrainska Pravda gilt als eines der renommiertesten investigativen Medien der Ukraine und ist bekannt für ihre regierungskritische, unabhängige Berichterstattung – selbst in Kriegszeiten. Drei voneinander unabhängige Quellen bestätigen im Bericht, dass Syrskyj den inneren Machtapparat kontrollieren wolle – und darin offenbar auch eine Konkurrenz durch Drapatiy fürchte. Denn der genießt in der Truppe den Ruf eines humanen und starken Kommandeurs.
Laut der Online-Plattform sei das kein Einzelfall, sondern Symptom einer tieferen Krise in der militärischen Führung. Das Mikromanagement des Oberkommandierenden lähme Entscheidungen, demoralisiere die Truppen – und könnte letztlich die Verteidigung des Landes gefährden.
Oleksandr Syrskyj ist seit 2024 Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, wurde von Präsident Selenskyj in der Hoffnung auf neue Impulse eingesetzt. Er war unter anderem für die Verteidigung Kiews im Frühjahr 2022 verantwortlich, steht aber seit der verlustreichen Offensive 2023 zunehmend in der Kritik.
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