
Copy & Paste-Gutachten zur AfD: Verfassungsschutz blamiert sich, sagt Plagiatsjäger
„Text-Simulakrum“, „unglaublich dröge“, „nicht dazu da, gelesen zu werden“ – der Medienwissenschaftler Stefan Weber zerreißt das neue Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD. Seine Vorwürfe: Copy & Paste, fehlende Methodik – und sogar Stellen, die sich auf völlig andere Parteien beziehen.

Es soll ein juristisches Schwergewicht sein, ist aber offenbar ein kopiertes Behörden-Leichtgewicht: Das neue, 1100 Seiten starke Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) zur AfD, das die Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft, gerät zunehmend unter Beschuss. Besonders scharf kritisiert es der bekannte Medien- und Plagiatsforscher Stefan Weber.
Sein Befund: Eine Bundesbehörde mit 4.200 Mitarbeitern produziere ein „Copy-&-Paste-Gutachten“, das zur politischen Debatte nichts beiträgt, sondern nur eine Frage aufwirft: Wie schlecht darf ein offizielles Dokument auf Steuerzahlerkosten eigentlich sein? Mindestens 20 Prozent des Textes bestehen aus wörtlich oder sinngemäß abgeschriebenen Passagen. Ganze Seiten seien mit Gerichtsurteilen gefüllt, die „ohnehin online nachzulesen“ seien. Das geht aus einer Analyse Webers hervor, über die er auf seinem eigenen Blog schreibt, und der überdies der Berliner Zeitung vorliegt.
„Unglaublich dröge“ – und nicht einmal korrekt zitiert
Schon der Einstieg in Webers Analyse ist vernichtend: „Dieses ‚Gutachten‘ ist nicht dazu da, um gelesen zu werden.“ Der Text sei „unglaublich dröge“ und erinnere an „Dissertationen oder Sachbücher von Grünpolitikern“ – also Texte, die vorgeben, Substanz zu haben, aber in Wirklichkeit „aus Quatsch oder Redundanz bestehen“. Die Sprache sei hölzern, die Struktur leserabweisend.
Gerichtsurteile abgeschrieben – auch solche, die nichts mit der AfD zu tun haben
Laut Weber beginnt auf Seite 3 des Gutachtens eine gigantische Copy & Paste-Orgie: Gerichtsurteile werden seitenweise fast wortgleich wiedergegeben, teilweise siebenmal hintereinander zitiert, obwohl sie jeder frei im Internet nachlesen kann. Noch pikanter: Wie die Berliner Zeitung enthüllt, bezieht sich eine zentrale Passage der abschließenden Bewertung gar nicht auf die AfD, sondern auf die Partei Pro NRW – ohne dass das Gutachten diesen Zusammenhang offenlegt.
Undurchschaubare Bewertung, fehlende Methodik
Die Kritik von Weber geht noch weiter: Die Trennung von Beschreibung und Bewertung sei nicht nachvollziehbar. Ein stringentes Bewertungssystem? Fehlanzeige. Statt klarer Analyse biete das Gutachten nur eine „Sammlung von Gerichtsurteilen und Zitaten mit einer anschließenden subjektiven Bewertung nach einem erneut undurchschaubaren Bewertungssystem“, so Weber im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Auch ein Literaturverzeichnis fehlt. Stattdessen gibt es ein „unglaublich dröges Personenverzeichnis“.
Selbstplagiate und Copy & Paste aus alten Gutachten
Mehrfach kopiert das BfV laut Weber sogar sich selbst: Formulierungen aus dem Hochstufungsgutachten von 2021 tauchen fast wortgleich wieder auf – nun aber mit Bezug auf völlig andere Aussagen oder Organisationen wie den Verein „Ein Prozent“. Ein Urteil, das im aktuellen Gutachten eine Schlüsselrolle spielt, bezieht sich in Wirklichkeit auf Die Linke – das bleibt ebenfalls unerwähnt.
Geheimhaltung trotz öffentlicher Quellen?
Weber wundert sich auch über die Geheimhaltung des Papiers – obwohl sich der Verfassungsschutz laut Gesetz vorrangig auf öffentlich zugängliche Quellen stützen soll. Die Berliner Zeitung zitiert dazu den ehemaligen SPD-Kultusminister Mathias Brodkorb, der schreibt: „Die Geheimhaltung ist ein taktischer Mechanismus, um sich mit der Aura der Unangreifbarkeit zu umgeben.“ Die Macht der Behörde werde dadurch „unangemessen gestärkt“, während eine offene Debatte verhindert werde.
Eine Behörde mit 4.200 Mitarbeitern liefert Copy & Paste
Stefan Webers scharfer Schluss-Satz: „Zur politischen Debatte um die AfD wird dieses Machwerk nichts beitragen. Wenn überhaupt, wird es zu einer anderen politischen Debatte einen Beitrag leisten: nämlich zur Frage, welche Textqualität eigentlich eine Behörde mit 4.200 Mitarbeitern, die vom Steuerzahler finanziert werden, produziert.“
Kommentare