
Das Morden der „milden Islamisten“ zeigt, wie Politik und Medien mal wieder versagt haben
Im Nordwesten Syriens haben Regierungstruppen der dschihadistischen HTS zahlreiche Alawiten massakriert. Laut Reuters wurden allein am Donnerstag über 90 Menschen getötet, manche Quellen sprechen von bis zu 1000 Opfern. Es sind die schwersten Kämpfe seit Assads Sturz. ACHTUNG! Videos sind nichts für schwache Nerven!
Im Nordwesten von Syrien haben Regierungstruppen der dschihadistischen Hayat Tahrir al-Sham (HTS) im Nordwesten des Landes zahlreiche Alawiten massakriert und exekutiert. Das berichten regionale Medien übereinstimmend. Allein am Donnerstagabend wurden laut Reuters mehr als 90 Menschen getötet. Seither gehen die Kampfhandlungen, Plünderungen und Morde weiter, manche Quellen berichten von bis zu 1000 Toten. Dutzende weitere Menschen wurden bei den heftigen Kämpfen verletzt. Es handelt sich um die schwersten Gefechte in Syrien seit der Absetzung Assads durch Rebellen.
Auslöser der Gewalt soll ein „gut geplanter und vorsätzlicher Angriff“ auf Regierungstruppen gewesen sein. Der Nordwesten Syriens und die Provinz Latakia gilt als Hochburg des ehemaligen Machthabers Baschar Al-Assad, in der viele Alawiten und religiöse Minderheiten leben. Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete Vergeltungsangriffe der Regierungskräfte in der Küstenstadt Jableh sowie in umliegenden Dörfern der Provinz Latakia. Daraufhin wurden HTS-Milizen mobilisiert, die nun die Widersacher ermorden. Die Gewalt gilt vor allem der Gruppierung der Alawiten, der auch Baschar Al-Assad angehörte, aber auch Christen oder Drusen seien betroffen, heißt es.
Videos von Erschießungen in den sozialen Medien
Videos in sozialen Medien zeigen brutale Erschießungen und Exekutionskommandos. Auf einem Video wird ein Mann in auf eine Grünfläche gezerrt und dort mit dutzenden Schüssen getötet. Auf einem anderen Video ist zu sehen, wie zahlreiche Bewohner Latakias auf kniend aneinander gepfercht und wie Hunde durch die Straßen gescheucht werden. Auf einigen dieser Aufnahmen sind Dutzende blutüberströmte Leichen zu sehen, teilweise mit gefesselten Händen. Immer wieder berufen sich die Mörder auf Allah und rufen etwa „Allahu Akbar“.
Das Regime von Abu Mohammad al-Julani, der sich nun Ahmed al-Sharaa nennt, übernahm im Dezember 2024 die Herrschaft von der Assad-Dynastie nach über 50 Jahren an der Macht. Die Machtübernahme wurde von zahlreichen Jubelbildern in europäischen Großstädten begleitet. Während einige europäische Länder Gesprächsbereitschaft signalisieren, bleiben Großbritannien und die USA zurückhaltend – nicht zuletzt, weil HTS aufgrund früherer Verbindungen zu al-Qaida und ISIS weiterhin als Terrororganisation gilt.
Dabei gab es zahlreiche Gründe, Al-Julani und HTS kritisch gegenüberzutreten. Die ideologischen Vorläufer der Organisation sind die Terrororganisation Al-Qaeda und Al-Nusra. Unter den Kämpfern, die durch Syrien zogen und Assad stürzten, waren aber auch Dschihadisten aus dem Ausland, die zuvor bei ISIS mordeten. In Provinzen, in denen HTS schon kurzzeitig zumindest regionale Macht innehatte, war es zudem zu einer Scharia-Rechtsprechung, Vertreibung und Konversionen und schwerer Gewalt gegen religiöse Minderheiten gekommen.
Relativierung und Beschwichtigung, wohin das Auge reicht
Bemerkenswert: Die deutsche Regierung zeigte sich gegenüber den Islamisten auffällig konziliant. So reiste Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Anfang Januar, schon wenige Wochen nach dem Umsturz, nach Syrien, um mit dem neuen Machthaber zu sprechen. Während Baerbock Assad zum einen harsch sanktionierte und immer wieder kritisierte, war ihr Ton gegenüber Al-Julani versöhnlich. So gratulierte sie auch den Syrern zum Machtwechsel, obwohl von Beginn an klar war, dass in ihren Reihen zahlreiche Hardliner sind.
„Bei aller Skepsis dürfen wir die Chance nicht verstreichen lassen“, so Baerbock damals. Sie hob zudem hervor, dass die Gruppe sich von ihren dschihadistischen Ursprüngen distanziere und zivile Strukturen in Idlib aufgebaut habe.

Auf Baerbock folgte Entwicklungsministerin Svenja Schulz, die sich ebenfalls im Januar mit syrischen Vertretern trag und Hilfsprojekte im Wert von 60 Millionen Euro ankündigte. Kritiker verwiesen darauf, dass die Finanzierung über UN-Organisationen hinweg unzureichend ist und in islamistische Strukturen fließe. Unter anderem sicherte Schulze zu, Investitionen in das syrische Gesundheitssystem zu tätigen. Auch UN-Generalsekretär, António Guterres, reiste nach Damaskus, um die neuen Machthaber zu beglückwünschen.
Auch Medien überboten sich in Beschwichtigungen. Tagesschau und Zeit etwa schrieben mehrfach von „moderaten Rebellen“ und „milden Islamisten“. Die Nahost-Kommentatorin Kristin Helberg, gern gesehener Gast bei ARD und ZDF, schrieb: „Was sollte der Westen in Syrien tun? Nicht im eigenen Interesse einmischen und bevormunden, sondern die Syrer:innen begleiten und unterstützen, wenn sie ihre Zukunft gestalten.“ Als es zu Demonstrationen in Berlin, Dortmund, Essen kam, verwiesen Medien auf jubelnde Syrer – und betonten, dass man sich für die Flüchtlinge freuen müsse.
Nun zeigt sich: Sowohl Politik als auch Medien lobten, relativierten und kooperierten mit mordenden Islamisten, die nicht davor zurückschrecken, gegen religiöse Minderheiten vorzugehen – und diese umzubringen…
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NiUS erschienen.
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