Konstruktiv, anständig – und plötzlich knallhart?

Gescheiterte Integration, Islamismus-Gefahr und ungeordnete Migration sind Themen, die Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer gerne anspricht. Aber natürlich „konstruktiv“, „ohne Hetze“ und stets „mit Anstand“, wie er nicht müde wurde zu betonen. Seit Jahren grenzt sich die Wiener ÖVP unter ihm demonstrativ von der „polarisierenden Polemik“ der FPÖ ab.

Doch jetzt sorgen die Entwürfe der neuen Wahlkampfplakate für Verwunderung – oder besser gesagt für offene Münder.

Spitzenkandidat Karl Mahrer (M.) und sein Team: Sind alle vom neuen Kurs überzeugt?APA/ROLAND SCHLAGER

Plakate, die man eher von der FPÖ erwarten würde

Auf den neuen Sujets stehen Slogans, die man so wohl kaum von der ÖVP erwartet hätte:

„Deutsch ist Pflicht, Habibi. Wien wieder schlau machen.“
„Wiener Blutvergießen stoppen. Wien wieder sicher machen.“
„Mutter, der Mann mit dem Koks ist bald nicht mehr da.“

Ein weiteres Slogan nimmt auf den Vornamen des Spitzenkandidaten Bezug: „Karl statt Kalifat. Wien wieder Heimat machen.“

Also doch Populismus? Nein, nein, das muss wohl die „ernsthafte Politik mit echten Lösungen“ sein, von der Mahrer immer spricht. Und wenn man die FPÖ dabei rechts überholt – auch gut.

Der Landesparteiobmann will sich auf den ÖVP-Plakaten offenbar von einer anderen Seite zeigen, die nicht so ganz zu seinem bisherigen Image passt.APA/GEORG HOCHMUTH

ÖVP-Funktionäre schlagen Alarm

Kein Wunder, dass es in der Wiener ÖVP mittlerweile rumort. Ein internes E-Mail, das dem exxpress vorliegt, zeugt von erheblichem Ärger. Eine Funktionärin nennt die Plakate darin „geschmacklos und grausig“, ja sogar „menschenverachtend“. Besonders „Wiener Blutvergießen stoppen“ sorgt für Empörung: „Soll das heißen, Nicht-Wiener Blutvergießen ist okay?“

Auch sonst seien die Slogans „einer christlich-sozialen Partei unwürdig“, die Verantwortlichen für die Wahl-Kampagne sollten „keine weiteren Aufträge mehr bekommen“.

Klubobmann Markus Wölbitsch (l.) und Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer (r.) verstanden sich bisher als seriöse Alternative zur FPÖ.APA/GEORG HOCHMUTH

Richtungswechsel? Nicht wirklich!

Trotz parteiinterner Kritik scheint die Richtung klar: Migration und Sicherheit werden die bestimmenden Themen der Wiener ÖVP. Der Spruch „Wiener Blutvergießen stoppen“ wurde bereits im Jänner auf Social Media gepostet. Die neue Plakatkampagne ist also offenbar keine spontane Laune.

Brisant: So grenzte sich die ÖVP bisher von der FPÖ ab

Besonders pikant ist der Kontrast zu Statements in den vergangenen Monaten und Jahren, mit denen sich führende Politiker der Wiener ÖVP klar gegen die Rhetorik der FPÖ positioniert haben. „Es hat sich mehrfach gezeigt, dass man mit Polemik und Populismus keine Probleme lösen kann“, erklärte etwa Sicherheitssprecher Hannes Taborsky. Ins selbe Horn stieß Landesgeschäftsführer Peter Sverak: „Hetze hat noch kein Problem gelöst.“

Die FPÖ arbeite „nur auf die Spaltung der Gesellschaft“ hin, meinte Karl Mahrer, ihre „zunehmende Aggressivität und das galoppartige Überschreiten roter Linien“ seien „demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklungen“. Offenbar agiere sie nach dem Motto „unter der Gürtellinie geht fast alles“, daher gehörten „Beleidigungen, geschmacklose Herabwürdigungen und Beschimpfungen zu ihrer Standard-Rhetorik“.

Fazit: FPÖ-Kurs – aber mit Anstand!

Wie passen diese Plakate in das bisherige „anständige“ Selbstbild der Wiener ÖVP?

Politik kann manchmal kreativ sein – oder einen Rückzieher machen. Es bleibt abzuwarten, ob die umstrittenen Sprüche tatsächlich in der finalen Kampagne auftauchen. Doch eines steht fest: Die FPÖ hat Konkurrenz bekommen. Karl Mahrer macht jetzt auch auf rechts – nur eben „mit Anstand“.