
„Die EU ist auf dem Irrweg“ – Ex-General drängt auf Friedenskonferenz in Wien
Die EU hat sich ins Abseits manövriert – nun entscheiden Moskau und Washington über den Frieden, warnt General i.R. Günther Greindl. Doch genau das biete eine Chance: Ein OSZE-Friedensgipfel könnte Europas Sicherheit neu ordnen – gemeinsam mit Russland. Wien wäre der ideale Ort für diese Weichenstellung. Andernfalls drohe ein neues Wettrüsten.

Günther Greindl, österreichischer Generalstabsoffizier im Ruhestand, prognostiziert: „Trump und Putin werden den Krieg in der Ukraine ohne Mitwirkung der EU beenden. Die Ukraine und die EU werden eine neue ukrainisch-russische Grenze sowie den Verzicht der Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft akzeptieren müssen.“
Diese „herbe Enttäuschung“ sei jedoch selbst verschuldet, unterstreicht Greindl im Magazin Libratus, in dem er überdies „Friedenspolitik statt Wettrüsten“ fordert. „Während des gesamten Krieges hat die EU Gespräche mit Russland abgelehnt. Selbst kulturelle und sportliche Kontakte wurden rigoros unterbunden. Als Viktor Orbán diesen Bann brechen wollte, wurde er als Putin-Versteher diffamiert.“

Die EU hat ihren sicherheitspolitischen Kompass verloren
Greindl war Leiter der Generalstabsgruppe für Sicherheitskooperation im Verteidigungsministerium und erster Militärrepräsentant Österreichs bei der EU und NATO. Sein Urteil ist eindeutig: „Die EU befindet sich schon längere Zeit auf einem sicherheitspolitischen Irrweg.“ Sie poche auf eine nebulöse „regelbasierte Weltordnung“, deren genaue Regeln und Urheber unklar seien.
„Die Friedensunion EU hat ihren Grundgedanken aus den Augen verloren. Statt Diplomatie dominiert Kriegsrhetorik, denn die EU soll angeblich ‚kriegstüchtig‘ werden. Diese Logik ist absurd.“

„Zeitenwende zum Frieden statt Rüstungsspirale“
Wenn Trump und Putin den Ukraine-Krieg beenden, müsse sich die EU entscheiden: „Spätestens dann ist es Zeit, mit Russland Frieden zu schließen. Eine Zeitenwende zum Frieden, eine Rückkehr zur kooperativen Sicherheit ist die Zukunft. Frieden in Europa ist nicht gegen, sondern nur mit Russland möglich.“
Die geopolitischen Rahmenbedingungen seien günstig: Eine Annäherung zwischen Russland und den USA zeichne sich ab, Trump wolle die US-Truppen in Europa drastisch reduzieren und habe bereits eine Halbierung der Atomwaffen vorgeschlagen. Das könne der Beginn ernsthafter Verhandlungen über eine europäische Sicherheitsarchitektur sein.

Ein neuer Wiener Kongress?
Die Grundlage für eine tragfähige Sicherheitsordnung sei allerdings 1990 mit der Charta von Paris geschaffen worden, die das „Zeitalter der Konfrontation und Teilung Europas“ für beendet erklärte und alle Teilnehmerstaaten auf „Achtung und Zusammenarbeit“ verpflichtete. Die NATO wurde darin nicht erwähnt, „weil kooperative Sicherheit keine Militärbündnisse braucht“.
Greindl sieht hier den Ansatz für eine neue Friedensordnung: „Eine europäische Friedenskonferenz am Sitz der OSZE in Wien, gegebenenfalls unter Einbindung Chinas, könnte diese historische Aufgabe übernehmen – so wie einst der Wiener Kongress den Frieden in Europa neu ordnete. Diesmal sollte die EU ihre oft beschworene strategische Autonomie ernsthaft verfolgen.“

„Europäische Sicherheit in europäische Hände“
Eine echte strategische Autonomie sei nur möglich, wenn „ausschließlich europäische Soldaten die Selbstverteidigung Europas übernehmen“. Dazu gehört laut Greindl: keine US-Kommandos oder Stützpunkte in der EU, und eine strategische Partnerschaft mit den USA, die perspektivisch um Russland erweitert werden könnte.
Der General i.R. ruft zur „Wiederbelebung der OSZE“ auf: „Sie wäre der gemeinsame Schirm der kooperativen Sicherheit von San Francisco bis Wladiwostok.“ Österreich als neutraler Sitzstaat der OSZE könne dabei eine entscheidende Rolle spielen und eine aktive Friedenspolitik einleiten. „Die österreichische Bevölkerung stünde mit überwältigender Mehrheit dahinter.“ Der ehemalige Außenminister hatte zum EU-Beitritt Österreichs erklärt: „Die Neutralität ist unser spezifischer Beitrag zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in Europa.“

„Europa bleibt ein politischer Zwerg“
Die Abhängigkeit von den USA lähme hingegen Europa. Der Ukraine-Krieg zeige: „Eine dauerhafte europäische Sicherheitsarchitektur ist gescheitert. Die EU kann nicht einmal auf ihrem eigenen Kontinent für Sicherheit sorgen.“
Mit einem Verweis auf die Abschiedsrede von George Washington (1796) warnt Greindl vor europäischer Einseitigkeit: „Eine Nation, die aus Gewohnheit Hass oder Vorliebe empfindet, ist ein Sklave dieser Emotionen.“ So vergesse sie auf ihre Interessen und Verpflichtungen.
Die NATO-Staaten der EU wollen auf den Schutz der USA nicht verzichten. Das Problem: „Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) bleibt unter US-Dominanz. Die EU kann nur im Einklang mit amerikanischen Interessen handeln. Eine eigenständige EU-Armee bleibt Illusion.“
Greindls Fazit: „Solange diese Abhängigkeit besteht, bleibt Europa ein politischer Zwerg. Die EU wird nur dann eine Rolle spielen, wenn sie ihre eigene Sicherheit verantwortet. Das bedeutet keineswegs ein neues Wettrüsten – sondern eine eigenständige Friedenspolitik.“
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