
Konservativ ist rechtsextrem? So unseriös ist der neue DÖW-Bericht
Am Freitag erschien der neue Rechtsextremismus-Bericht des „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ (DÖW). Dort wird nicht nur die rechtsextreme Szene ins Visier genommen, sondern auch konservative Positionen und einige ÖVP-Politiker. Der Sohn eines von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfers spricht von „billigem politischen Kleingeld“, das das DÖW betreibt.

Am Freitag wurde der neue Rechtsextremismusbericht des „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ (DÖW) veröffentlicht. Das DÖW wurde 2023 von Innen- und Justizministerium beauftragt, jährlich einen solchen Bericht zu verfassen. Der 196-seitige Bericht soll einen Überblick über die rechtsextreme Szene in Österreich, ihre Akteure, Vereine und Vernetzungen auf nationaler und internationaler Ebene bieten.
Wirft man jedoch einen genaueren Blick in das Dokument, stellt sich heraus, dass das DÖW katholische sowie konservative Positionen und ÖVP-Politiker anscheinend als „rechtsextrem“ einstuft.
Unter dem Punkt „Rechtskatholizismus“ wird etwa die ÖVP-Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler erwähnt. Dort heißt es, dass Kuglers Vorzugsstimmenwahlkampf bei der Wiener Gemeinderatswahl 2015 „maßgeblich von diesem Millieu“ – damit ist das “rechtskatholische” gemeint –, getragen wurde.
Auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger und ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer kommen vor
Bei der Nationalratswahl am 29. September konnte die Wienerin einen Erfolg verbuchen: Mit 3284 Vorzugsstimmen hat die Abgeordnete in der Bundeshauptstadt den Titel der ÖVP-Vorzugsstimmen-Kaiserin errungen.
Im gleichen Atemzug werden in dem Bericht auch Jan Ledóchowski und Suha Dejmek, der Präsident und die Vizepräsidentin der „Plattform Christdemokratie“ genannt. Beide erlangten bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020, bei der sie für die ÖVP angetreten sind, genug Vorzugsstimmen, um einen Platz im Landtag zu erhalten. Dafür hätten auf der Wahlliste vor ihnen gereihte Kandidaten auf Plätze verzichten müssen. Die Vorreihung funktionierte nicht, da sich eine Bezirkspolitikerin weigerte.
Die „Plattform Christdemokratie“ setzt sich unter anderem für den Schutz und die Anliegen von Christen in der Politik ein und hat vor kurzem die „Meldestelle für Christenfeindlichkeit“ ins Leben gerufen.
Im Bericht kommt auch der neue ÖVP-Klubobmann August Wöginger vor. Angeblich würdigte Martin Sellner 2021, dass Wöginger in einer Presseaussendung auf „de[n] demokratiezerstörende[n] Nebeneffekt des Bevölkerungsaustauschs“ hingewiesen habe.
Auch der Name des Wiener ÖVP-Obmannes Karl Mahrer erscheint. In dessen Aussagen sollen die Identitären einige ihrer Argumente wiedererkannt haben.
„Heteronorme Familienverhältnisse“ sind anscheinend rechtsextrem
„Christliche und konservative Positionen sind weder rechts noch extrem, und schon gar nicht rechtsextrem. Wertorientierte Politiker und Wähler in einen solchen Kontext zu stellen ist rufschädigend und verharmlost Rechtsextremismus“, sagt Gudrun Kugler gegenüber Exxpress.
Unter „Rechtskatholizismus“ versteht der DÖW „konservative bis reaktionäre (…) Randbereiche“ des „politischen Katholizismus“. Kernanliegen dieses Milieus seien, laut dem Bericht, die „Erweiterung des Einflusses der katholischen Kirche und deren Doktrin“. Der Bericht unterstellt dem „politischen Katholizismus“ „religiös begründete politische Betätigung, die mit Grundelementen der österreichischen Demokratie in Konflikt“ stünde. Als „politische Anliegen“ nennt der Bericht, der durchgehend mit dem „Gender-Stern“ gendert, gängige bürgerlich-konservative Ansichten, unter anderem das „Eintreten für heteronormative Familienverhältnisse“, „traditionelle Geschlechterrollen“ oder eine „Ablehnung einer vermeintlichen ‘Islamisierung’“.
Auch die „Märsche fürs Leben“, die jedes Jahr in mehreren österreichischen Städten veranstaltet stattfinden und die sich für den Lebensschutz einsetzen, werden kritisch ins Visier genommen.
Norbert Kastelic: „Unwissenschaftliche Agitationsplattform“
„Solch wichtige Anliegen für politische Agitation zu missbrauchen ist besonders unverständlich, da für mich der Kampf für die Würde jedes Menschen in meiner politischen Arbeit immer im Vordergrund steht und sich in meinen zahlreichen Anträgen für den Schutz der Menschenrechte zeigt. Eines meiner Kinder habe ich nach einer Widerstandskämpferin benannt. Mit solcher nicht ernstzunehmender Agitation tut sich das DÖW auch selbst keinen Gefallen“, sagt Gudrun Kugler weiter.
Kritik an dem DÖW-Bericht kommt auch von Norbert Kastelic, Sohn des von den Nationalsozialisten ermordeten Widerstandskämpfers Jakob Kastelic. Der Bundesobmann des NS-Opferverbands, der Kameradschaft der politisch Verfolgten, sagt gegenüber exxpress, es sei „eine Zumutung, wenn in einem sogenannten ‚Rechtsextremismus-Bericht‘ die Gräueltaten der NS-Diktatur verharmlost werden und versucht wird, billiges politisches Kleingeld zu machen“.

Kastelic sagt weiter: „Mit den faktisch falschen Aussagen, christliche Politiker und Positionen als rechtsextrem zu bezeichnen, beleidigt das DÖW nicht nur jene Opfer, die unter dem Joch des Nationalsozialismus leiden mussten, sondern verharmlost das NS-Regime und stellt sich als unwissenschaftliche Agitationsplattform dar.”
FPÖ in der Kritik
Auch die FPÖ ist im Visier des Rechtsextremismusberichts. Die Partei wird dort 232-mal genannt. Im Kapitel zum deutschnationalen Vereinswesen heißt es etwa, es gebe eine “starke personelle Verankerung” in der und ein “historisches Naheverhältnis” zur FPÖ. Das völkische Milieu, zu dem auch studentische Burschenschaften zählen, ist laut Bericht ein traditioneller “Pfeiler des österreichischen Rechtsextremismus”, heißt es in einer APA-Meldung.
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker bezeichnet den Bericht als “Offenbarungseid des linksgetriebenen DÖW”. Dieses missbrauche den staatlichen Auftrag “für einen ideologisch motivierten Rundumschlag gegen alles und jeden, der linke politische Positionen kritisiert”. Die auftraggebenden Ministerien forderte Hafenecker zur Distanzierung auf.
In einem Instagram-Post schreibt die Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler, es sei ein „Armutszeugnis“, wenn ein „linkes Narrativ offenbar das Hauptmotiv der Präsentation“ sei.
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