Was für ein Absturz: Erst von der Politik umarmt, nun zum Problemfall geworden. Der frisch gebackene ESC-Sieger JJ war Österreichs neuer Superstar – bis zu einem folgenschweren Interview mit der spanischen Zeitung El País. Darin erklärte der 24-jährige Countertenor: „Ich würde mir wünschen, dass der ESC nächstes Jahr in Wien stattfindet, ohne Israel.“ Und weiter: „Ich bin enttäuscht, dass Israel noch teilnehmen darf. Russland ist rausgeflogen – warum nicht Israel? Beide sind Angreifer.“ Überdies machte er auf Instagram ein Like beim tödlichen Terroranschlag auf ein junges israelisches Paar.

Kopfschütteln erzeugte der Countertenör auch mit seiner halbherzigen Entschuldigung: „Es tut mir leid, falls meine Worte missverstanden wurden.“ Nach allgemeiner Einschätzung wurden sie aber nicht missverstanden.

Vom Nationalheld zum diplomatischen Problem

Diese Aussagen schlugen ein wie eine Bombe – doch was macht Österreichs politische Spitze, die zuvor um JJ buhlte? Sie duckt sich weg.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen? Kein Kommentar.

Kanzler Christian Stocker (ÖVP)? Schweigt – und schickt Staatssekretär Florian Pröll vor, der dann auch Klartext spricht, und erklärt, dass solcher Antisemitismus bei uns „keinen Platz hat“.

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS)? Ähnlich ausweichend.

Und Kulturminister Andreas Babler (SPÖ), zuständig für den ESC? Der zieht sich auf einen formalen Satz gegenüber heute zurück: „Die Teilnahme Israels ist alleinige Entscheidung der EBU.“

Mikl-Leitner hält dagegen

Nur eine Politikerin lässt kein diplomatisches Wischiwaschi zu: Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Landeshauptfrau von Niederösterreich, wird deutlich: „Wer Israel ausschließen will und mit Russland in einen Topf wirft, braucht keine Bühne, sondern dringend eine Geschichtslektion.“

Von Seiten der SPÖ-Spitze hat sich bisher nur Justizministerin Anna Sporrer zur Causa geäußert. Dass der ESC-Sieger den Terrorangriff auf das jüdische Paar gelike hat, habe sie „entsetzt“, erklärte sie.

ORF laviert, EBU wiegelt ab

Der ORF, der JJ noch als musikalischen Hoffnungsträger inszenierte, rudert nun zurück: „Seine Aussagen sind seine Privatmeinung“, heißt es auf Nachfrage. „Für den ORF stehen beim ESC die Musik und die künstlerischen Darbietungen im Vordergrund.“ Die EBU, als Veranstalterin des Song Contests, sieht ebenfalls keinen Handlungsbedarf: „Wir zeigen die Welt, wie sie sein könnte – nicht wie sie ist“, lautet die diplomatische Formel.

Sie ducken sich und zeigen kein Rückgrat

Was bleibt, ist ein massives Glaubwürdigkeitsproblem: Noch vor wenigen Tagen ließ sich die Staatsspitze mit JJ feiern – jetzt will niemand mehr etwas gesagt haben. Statt klarer Haltung gibt es Ausflüchte, statt Distanzierung lavierendes Schweigen. Ein

Selfie ist schnell gemacht – Rückgrat zeigen offenbar deutlich schwerer. Ein Selfie sagt mehr als tausend Worte – und manchmal eben auch zu viel.