EU fordert eigene Streitkräfte – um „aggressiven Militäraktionen“ vorzubeugen
Von den meisten Bürgern unbemerkt ist im Mai die „Konferenz für die Zukunft Europas“ in Strasbourg mit viel Pomp zu Ende gegangen. Die dort entwickelten Vorschläge sind näher besehen hochbedenklich – für Demokratie und Frieden. Treibende Kraft dahinter waren vor allem Kommissionspräsidentin von der Leyen und Frankreichs Präsident Macron.
Auf hunderten von Seiten des Abschlussberichts finden sich unzählige Reformvorschläge. Der finale Konferenz-Report zeigt, wie die künftige EU gemäß den Vorstellungen Brüssels aussehen soll. Viele Debatten-Foren sind dem Papier vorausgegangen. Kürzlich wurde der Bericht feierlich den EU-Institutionen übergeben.
Vor allem zwei Vorschläge lassen aufhorchen.
EU-Truppe soll Militäraktionen fremder Staaten „zuvorkommen“
Da wäre zunächst der 23. Vorschlag mit dem Titel: „Die EU als starker Akteur auf der Weltbühne in Sachen Frieden und Sicherheit“. Dort fordert die Konferenz: „Gemeinsame Streitkräfte, die zur Selbstverteidigung eingesetzt werden und aggressiven Militäraktionen jeglicher Art zuvorkommen sollen (!!), mit der Fähigkeit, in Krisenzeiten (auch bei Naturkatastrophen) Unterstützung zu leisten“.
Die EU spricht hier zwar von „Selbstverteidigung“, will aber gleichzeitig aggressiven Militäraktionen anderer Staaten „zuvorkommen“. Das bedeutet: Diese europäische Armee könnte eingreifen, bevor ein Angriff überhaupt stattgefunden hat. Das geht weit über das hinaus, was der Bündnisfall im NATO-Vertrag vorsieht. Artikel 5 spricht einzig von einem „bewaffneten Angriff“ gegen eine oder mehrere Vertragsparteien, der „als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird“. Nur in einem solchen Fall sei Beistand zu leisten.
Auch außerhalb Europas im Einsatz
Sobald gemäß der EU-Kommission demnach eine Militäraktion droht – ohne bereits stattgefunden zu haben – können die europäischen Streitkräfte zuschlagen. Dabei soll diese neue Armee keineswegs nur auf europäischem Territorium im Einsatz sein: „Außerhalb der europäischen Grenzen könnten die Streitkräfte unter außergewöhnlichen Umständen … eingesetzt werden“. Dabei würde man aber nicht mit der NATO „in Wettbewerb treten“ oder dieses Militär-Bündnis etwa „duplizieren“ – schwer denkbar, wie das vermieden werden soll.
Sollten auch heimische Streitkräfte Teil dieser europäischen Truppe werden, wäre Österreich im Handumdrehen in einen Krieg verwickelt.
Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips
Solange das Einstimmigkeitsprinzip gilt, könnten sich europäische Regierungen gegen solche Einsätze allerdings querlegen. Doch dem will das Konferenz-Papier offensichtlich vorbeugen. Mehr als einmal spricht es von der Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips. So steht etwa beim 39. Vorschlag zum Thema „EU-Entscheidungsprozess“: „Alle Angelegenheiten, die bislang einstimmig beschlossen werden müssen, sollten künftig mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden.“
Prof. Keber: „Die Bürger sollen übergangen werden“
Genau davor hat kürzlich in einem TV-Gespräch mit dem eXXpress der Finanzexperte Prof. Markus C. Kerber (TU Berlin) gewarnt: „Momentan werden die Bürger noch nicht übergangen“, hielt er fest. „Künftig sollen sie aber übergangen werden. Die EU-Kommission will das Einstimmigkeitsprinzip abschaffen. Dann müssten sich kleinere Länder den Mehrheitsentscheidungen fügen.“ Und: „Das Einstimmigkeitsprinzip beschützt uns noch davor, dass diese Brüsseler Kommissionsoligarchie machen kann, was sie will. An der Einstimmigkeit muss man unbedingt festhalten.“
Inwiefern diese Konferenz „basisdemokratisch“ abgelaufen ist
Diese über die Köpfe der Europäer hinweg festgelegten Pläne hat die EU in einer „demokratischen Verpackung“ präsentiert: „Hunderte von Organisationen der Zivilgesellschaft beteiligten sich in einem basisdemokratischen Ansatz im Rahmen von Themenblöcken“, heißt es im Konferenz-Bericht. Die gesamte Konferenz sei „einem basisdemokratischen Ansatz“ gefolgt.
Inwiefern? Die Zukunftskonferenz wurde vom Marktforschungsinstitut „Kantar“ organisiert, einem seit Jahren in Brüssel etablierten Dienstleister der EU-Kommission. Kantar hat 800 politisch neutrale Bürger in 27 Mitgliedsstaaten ausgesucht und für die Zukunftskonferenz vorbereitet. Dabei wurden alle Teilnehmer über ihre Funktelefonnummer gefunden. Die EU-Kommission scheint es mit den Datenschutz offensichtlich nicht allzu genau zu nehmen: Telefonbücher gibt es nicht mehr, aber die EU-Kommission darf jeden auf seinem persönlichen Funktelefon anrufen.
Diese so ausgewählten 800 Bürger durften in den vergangenen Monaten bei verschiedenen Themenblöcken mitdiskutieren. Das also versteht die EU unter einem „basisdemokratischen Ansatz“. Von einem „teuren Selbstgespräch“ Brüssels mit sich selbst spricht hingegen die Schweizer „Neue Zürcher Zeitung“. In der Schweiz weiß man eben aus eigener Erfahrung, was direkte Demokratie ist.
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