Hätte sich Karl Nehammer bei den Österreichern um seinen neuen Spitzenjob bewerben müssen – er wäre glatt durchgefallen. Fast zwei Drittel sagen: Nein zu Nehammer als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Das zeigt eine aktuelle OGM-Umfrage für das Nachrichtenmagazin „Blickwechsel“ (Mittwoch, 9. April, ab 22:15 Uhr bei ServusTV und ServusTV On). Die Mehrheit hält ihn für nicht geeignet – und der Aufgabe nicht gewachsen.

Und das kommt nicht von ungefähr: Die Österreicher konnten Nehammer von Dezember 2021 bis Jänner 2025 als Bundeskanzler erleben – samt all seiner Entscheidungen, Krisenauftritte und zuletzt: einem Milliarden-Defizit, das erst jetzt in voller Höhe ans Licht kommt.

Finanzminister Markus Marterbauer (Bild, SPÖ) hat Nehammer nominiert.APA/HELMUT FOHRINGER

Spitzenposten nur mit Parteibuch

Und jetzt? Soll dieser Politiker künftig über noch größere Milliardenbeträge entscheiden? Genau das ist geplant. Ganz ohne Bewerbung, ohne Ausschreibung, ohne Auswahlverfahren wird Nehammer ab September ins Direktorium der EIB berufen – jener EU-Bank, die heuer Investitionen von bis zu 95 Milliarden Euro plant. Und Nehammer wird mitentscheiden.

Die meisten schütteln da den Kopf: 62 Prozent der von OGM Befragten meinen, wer das Land in die roten Zahlen geführt hat, sollte kein Banker werden.

Ohne Kompetenz

Mehr Transparenz bei Postenvergaben – das hat sich die Regierung in ihrem Programm groß auf die Fahnen geschrieben. In der Realität spüren die Österreicher davon wenig. Laut aktueller OGM-Umfrage orten 65 Prozent bei Nehammers EU-Karrieresprung nichts als klassischen Postenschacher. Sie sind überzeugt: Ohne Parteibuch hätte er keine Chance gehabt. Nur dir richtigen Kontakte zählen.

Und Nehammers Kompetenz? Ein zweijähriger Lehrgang. Davor: Berufssoldat und Kommunikationstrainer. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) verhilft ihm dennoch mit diesen Voraussetzungen zu einem der mächtigsten Finanzposten Europas.

Nehammer war in den vergangenen Wochen auffallend gut gelaunt. Jetzt wissen wir warum.APA/TOBIAS STEINMAURER

22,5 Milliarden Euro Defizit – und trotzdem nach Luxemburg?

2024 rutschte Österreich in ein Rekorddefizit von 22,5 Milliarden Euro – 4,7 Prozent des BIP, weit über der Maastricht-Grenze. Doch das war nur die halbe Wahrheit. Laut Kritikern verschwiegen Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) die zusätzlich wachsenden Defizite der Bundesländer und Gemeinden – weitere 4,6 Milliarden Euro. Jetzt drohen Kürzungen von bis zu 12 Milliarden Euro – doppelt so viel wie ursprünglich geplant.

Der frühere profil-Chefredakteur Christian Rainer nennt das Budgetloch in den Vorarlberger Nachrichten einen „Krater“ – und Nehammers Aufstieg zur EIB einen „postdemokratischen Kuhhandel, bei dem der Bürger nicht einmal mehr Statist ist, sondern nur noch eine Zahl im Haushaltsdefizit.“

Mitentscheider über Milliarden

Nehammer wird bei der EIB kein Sesselwärmer, sondern Mitglied des Direktoriums – dem höchsten Führungsgremium der Bank. Dort wird kollektiv über Kreditvergaben, Großprojekte und Investitionsstrategien entschieden, mit einfacher Mehrheit. Jeder Vizepräsident übernimmt konkrete Themen und Regionen, leitet operative Abteilungen und gestaltet die Finanzierungsschwerpunkte mit. Laut Medienberichten soll Nehammer künftig für Ukraine-Finanzierungen zuständig sein – ein hochsensibler Bereich.

Die bis zu 95 Milliarden Euro, die die EIB im Jahr 2025 investieren will, fließen in Klimaschutz und Umwelt (als EU-Klimabank), Sicherheit und Verteidigung (inklusive Krediten für Rüstungszulieferer), Innovation und Digitalisierung sowie in soziale Infrastruktur – von Bildung über Gesundheit bis Wohnbau.

Gut bezahlt – ohne Steuerpflicht

Nehammer soll bei der EIB rund 378.000 Euro brutto jährlich verdienen – steuerfrei, denn EIB-Funktionäre zahlen keine nationalen Steuern, sondern nur eine interne EU-Abgabe.

Offiziell wird sein Gehalt nicht direkt vom Steuerzahler bezahlt. Die EIB finanziert sich aus dem Kapital der Mitgliedstaaten – auch aus Österreich – sowie über Anleihen am Kapitalmarkt, die staatlich abgesichert sind. Faktisch haftet also doch der Steuerzahler mit.

Bei der Bevölkerung durchgefallen

Die Österreicher haben sich in den gut drei Jahren der Kanzlerschaft von Karl Nehammer ein Urteil gebildet – und das fällt vernichtend aus, wie die aktuelle OGM-Umfrage zeigt:

65 Prozent sagen: Ohne Parteibuch hätte er keine Chance
62 Prozent meinen: Wer das Land in die roten Zahlen geführt hat, sollte kein Banker werden
Fast 70 Prozent fordern: Klare Regeln für Politikerkarrieren – mit Ethikkommission und Abkühlphase