
EU überweist Ägypten Milliarden – und Europas Bürger müssen sparen
Die EU vergibt vier Milliarden Euro an Ägypten – offiziell zur Wirtschaftsstabilisierung und Migrationskontrolle. Doch Kritiker warnen vor einem Geschenk an ein autoritäres Regime. Die FPÖ spricht von einem Wahnsinn auf Kosten der europäischen Steuerzahler.

Die Europäische Union hat sich auf milliardenschwere Finanzhilfen für Ägypten verständigt – offiziell zur wirtschaftlichen Stabilisierung und zur Eindämmung unerwünschter Migration. Konkret handelt es sich um ein neues Hilfspaket in Höhe von vier Milliarden Euro, das in mehreren Tranchen ausgezahlt werden soll. Doch nicht alle sind zufrieden mit den Milliarden für Ägypten.
Vier Milliarden Euro für Kairo
Auf der einen Seite warnen Kritiker, der Deal könnte mehr zur Festigung autoritärer Strukturen beitragen als zur Lösung der eigentlichen Probleme des Landes. Auf der anderen Seite zeigt sich die FPÖ empört, dass Brüssel Milliarden an Drittstaaten verteilt, während für die Europäer laufend neue Sparpakete geschnürt werden.
„Diese Art des Umgangs mit dem Geld europäischer Steuerzahler ist ein Wahnsinn. Statt dringend notwendige Investitionen in den Mitgliedsstaaten zu tätigen, wird das Geld großzügig an Drittstaaten verteilt. Wenn die EU tatsächlich über derartige finanzielle Spielräume verfügt, wäre es wohl an der Zeit, diese Mittel an die Mitgliedsstaaten zurückzugeben”, kritisiert der freiheitliche Delegationsleiter im Europäischen Parlament Harald Vilimsky. Statt die eigenen Bürger zu entlasten, werde immer wieder nach Wegen gesucht, den EU-Haushalt auszuweiten oder die Beiträge der Mitgliedsstaaten zu erhöhen, nur um dann weltweit finanzielle Hilfen zu verteilen.
Rückzahlung in 35 Jahren
Tatsächlich soll das Geld allerdings zurückgezahlt werden, wenn auch erst in 35 Jahren. Die Finanzhilfe ist Teil einer umfassenden Partnerschaft, die im März 2024 zwischen der EU und Ägypten vereinbart wurde. Damals wurde bereits ein Gesamtpaket von 7,4 Milliarden Euro beschlossen, inklusive Investitionen, Zuschüssen und weiterer Kredite. Der jetzt beschlossene Vier-Milliarden-Kredit war darin bereits grundsätzlich vorgesehen, wurde aber erst jetzt konkret ausgehandelt und mit Rückzahlungsmodalitäten sowie Auflagen versehen. Es handelt sich also um eine Umsetzung eines Teils des damaligen Versprechens und nicht um einen neuen, zusätzlichen Deal.
Im Gegenzug erwartet Brüssel vor allem eine intensivere Zusammenarbeit bei der Kontrolle der Migrationsrouten. Ägypten gilt aufgrund seiner Lage sowohl als Transit- als auch zunehmend als Herkunftsland für Migranten. Die EU setzt darauf, dass Kairo künftig stärker bei Rückführungen und Grenzkontrollen kooperiert.
Altbekanntes Rezept mit fragwürdiger Wirkung
Das aktuelle Vorgehen erinnert an frühere Vereinbarungen, etwa 2016 im Rahmen eines IWF-Programms (Internationaler Währungsfonds), das mit zusätzlichen europäischen Finanzhilfen flankiert wurde. Damals sank die Zahl der Migranten aus Ägypten kurzfristig deutlich – ein vermeintlicher Erfolg.
Doch ökonomisch blieb der erhoffte Aufschwung aus: Schulden, Inflation und Armut stiegen weiter, die langfristige Wirkung verpuffte. Im Jahr 2022 stellte Ägypten erneut die größte Gruppe an Migranten auf der zentralen Mittelmeerroute.
Stabilisierung oder Stützung eines autoritären Regimes?
Kritik an dem Milliardenpaket kommt unter anderem vom deutscher Politikwissenschaftler Stephan Roll. In einer Analyse für das „Megatrends Afrika Spotlight“ der Stiftung Wissenschaft und Politik warnt er bereits im März 2024 davor, dass die EU-Gelder vor allem zur Festigung des autoritären Herrschaftssystems unter Präsident Abdel Fatah al-Sisi beitragen könnten. Die ägyptische Regierung investiere Milliarden in fragwürdige Großprojekte wie den Bau einer neuen Verwaltungshauptstadt oder ein Atomkraftwerk – häufig unter direkter Beteiligung des Militärs. Gleichzeitig fehle es an demokratischer Kontrolle, Reformbereitschaft und sozialem Ausgleich. Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt laut Roll in Armut.
Besonders kritisch sieht der Nahost-Experte auch das Vorgehen der EU-Kommission: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nutzte eine rechtliche Ausnahmebestimmung, um einen Teil der Gelder im Schnellverfahren freizugeben – ohne vorherige Zustimmung des EU-Parlaments. Roll spricht hier von einer taktischen Umgehung der parlamentarischen Kontrolle und stellt infrage, ob ein solches Vorgehen angesichts jüngster Finanzzuflüsse aus den Golfstaaten überhaupt notwendig sei.
Zweifel an Nachhaltigkeit
Zwar verweist die EU-Kommission auf externe Krisen wie den Ukrainekrieg oder die Lage in Gaza, die Ägyptens Wirtschaft zusätzlich belastet hätten. Doch viele Experten sehen die eigentlichen Ursachen in einer jahrelangen Schuldenpolitik sowie der wirtschaftlichen Vormachtstellung des Militär. Neue Finanzspritzen ohne grundlegende Reformen würden das Machtgefüge nur weiter zementieren.
Ein zusätzliches Investitionsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten in Höhe von 24 Milliarden US-Dollar sowie erweiterte IWF-Kredite sorgen derzeit ohnehin für frische Liquidität in Kairo. Dringlicher Finanzbedarf scheint also nicht gegeben – was die Eile der EU noch fragwürdiger erscheinen lässt.
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