Auf die Kritik folgt nun die scharfe Replik: Johnnie Moore Jr., Chef der Gaza Humanitarian Foundation (GHF), erhebt im Gespräch mit dem exxpress schwere Vorwürfe gegen Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS).

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar in Jerusalem bezeichnete Meinl-Reisinger am Montag die Lage im Gazastreifen als „unerträglich“. Die humanitäre Hilfe müsse dringend wieder anlaufen, allerdings sei die GHF „kein verlässlicher Partner“.

Diese Aussage schlug medial hohe Wellen – und wanderte prompt durch zahlreiche österreichische Schlagzeilen.

Die Außenministerin hat einen klare Meinung. Kennt sie auch die Fakten? Beim GHF bezweifelt man das.ORF.AT/Screenshot
Meinl-Reisingers Kritik ging durch alle Schlagzeilen.Oberösterreichische Nachricten/Screenshot

Tatsächlich ist die GHF derzeit die einzige Organisation, die im Gazastreifen überhaupt Lebensmittel verteilt. Israel und die USA setzen auf diesen neuen Mechanismus – nachdem frühere Hilfswege massive Kritik ausgelöst hatten. Ein zentrales Problem war: Hilfsgüter wurden systematisch von der Terrororganisation Hamas gestohlen oder umgeleitet. Nun betreibt die GHF alle vier Verteilzentren im Gazastreifen. Laut eigenen Angaben hat sie allein im Juni über 50 Millionen Mahlzeiten bereitgestellt.

Jetzt spricht der Chef – exklusiv mit dem exxpress

Einzig der exxpress hat auch eine Stellungnahme des GHF-Vorsitzenden Johnnie Moore Jr. eingeholt. Der prominente US-Geschäftsmann, der enge Kontakte zu Präsident Trump, dem Weißen Haus und internationalen Religionsführern pflegt, zeigt sich über die Aussagen der Ministerin zutiefst irritiert: „Die GHF ist überrascht, dass die österreichische Außenministerin eine derart gefestigte Meinung über unsere Arbeit hat, obwohl weder sie noch ihre Berater auch nur den geringsten Versuch unternommen haben, mit irgendjemandem von der GHF oder der US-Regierung – sei es im Weißen Haus oder im Außenministerium – zu sprechen.“

Johnnie Moore Jr. ist Trump-Berater, Geschäftsmann und seit Jahren im interreligiösen Dialog aktiv.Johnnie Moore Jr./Johnnie Moore Jr.

Moore unterstreicht: Die GHF wurde gegründet, um genau das zu verhindern, was zuvor humanitäre Hilfe in Gaza unmöglich gemacht hat: den großflächigen Diebstahl und die Zweckentfremdung von Hilfsgütern durch die Hamas. Die Umleitung von Hilfsgütern nach Gaza sei ein „seit langem bekanntes Phänomen“, das „von Österreich, großen Teilen der EU und den Vereinten Nationen gleichermaßen anerkannt und ignoriert“ worden sei, bemerkt Moore spitz.

Statt das Gespräch mit den USA oder mit der GHF zu suchen, habe Meinl-Reisinger die Organisation „vorschnell und auf schädliche Weise verurteilt“ – und dabei den Eindruck erweckt, sie bevorzuge den früheren Zustand, in dem „praktisch sämtliche Nothilfe durchgängig zweckentfremdet wurde“.

Gaza-Bewohner holen bei einer von der GHF eingerichteten Ausgabestelle Hilfspakete,APA/AFP/Eyad BABA

„Will Österreich, dass die Menschen in Gaza verhungern?“

Eine Rückkehr zur vorigen Situation sei alles andere als wünschenswert. Moore unterstreicht mit seinem besonders dramatischen Appell an die österreichische Öffentlichkeit: „Wollen die Menschen in Österreich wirklich, dass die Menschen in Gaza verhungern? Wer wirklich an deren Leidenslinderung interessiert ist, sollte mit uns sprechen – nicht über uns.“

Wer wirklich das Leiden im Gazastreifen lindern will, soll mit uns sprechen – nicht über uns", sagt Johnnie Moore Jr.Johnnie Moore Jr./Johnnie Moore Jr.

Laut Moore sei es unverständlich, wie sich eine Ministerin in einer so dramatischen Lage öffentlich derart festlegen könne – ohne je mit der Organisation oder mit US-Stellen gesprochen zu haben. Er führt weiter aus: „Unsere von den USA unterstützte Gaza Humanitarian Foundation hat allein in diesem Monat mehr als 50 Millionen Mahlzeiten bereitgestellt – inmitten von zwei Kriegen. Diese Lebensmittel wären sonst gar nicht im Gazastreifen angekommen.“

Überdies sei die GHF kein starres System. „Wir passen unser Modell laufend an, verbessern es kontinuierlich und arbeiten mit Partnern zusammen.“ Auch Ratschläge aus Österreich seien willkommen – doch: „Leider bergen ihre jüngsten Äußerungen das Risiko, weiteren Schaden für die Menschen in Gaza anzurichten.“

Eine seltsame Prioritätensetzung

Bei der Pressekonferenz am Montag erwähnte Meinl-Reisinger, dass sie drei Millionen Euro Steuergeld an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz überwiesen habe. Auch andere Organisationen wurden von ihr gelobt. Ausgerechnet die einzige Organisation, die derzeit tatsächlich Hilfsgüter im Gazastreifen verteilt – die GHF –, wurde hingegen scharf kritisiert.

Dabei betonte die Außenministerin, Ziel ihrer Nahost-Reise sei es, sich „vor Ort ein Bild zu machen“, um effektiver helfen zu können. Warum sie ausgerechnet mit der GHF nicht gesprochen hat – und wie sie auf die deutliche Kritik von Johnnie Moore Jr. reagiert –, hätte der exxpress gerne erfahren. Eine Antwort der Pressestelle steht bislang aus.

GHF-Mitarbeiter getötet – Hamas setzt Kopfgelder aus

Die GHF machte am Wochenende publik, dass allein im Juni zwölf ihrer palästinensischen Mitarbeiter von der Hamas ermordet wurden – andere seien gefoltert worden. Auch dazu schwieg Meinl-Reisinger bei ihrem Israel-Besuch.

Die Terrororganisation hat zudem Kopfgelder auf US-Sicherheitskräfte und lokale Hilfskräfte ausgesetzt, die für die GHF im Einsatz sind, berichtete die Hilfsorganisation. „Unsere Mitarbeiter sind Helden“, heißt es in einer Stellungnahme, „sie versuchen inmitten eines Krieges, die Menschen in Gaza zu ernähren – und bezahlen dafür mit ihrem Leben.“ Auch würden Hamas-Kämpfer gezielt in der Nähe humanitärer Zonen positioniert, um die Hilfslieferungen zu stören.

Die Jerusalem Post berichtete darüber: „GHF gibt bekannt: 12 ihrer lokalen Mitarbeiter wurden von der Hamas ermordet und weitere in Gaza gefoltert.“Jerusalem Post/Screenshot

Appell an die UNO – und scharfer Vorwurf an Europa

In einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres fordert die GHF jetzt eine klare Verurteilung der Gewalt gegen ihre Mitarbeiter. Es brauche ein „neues, ehrliches Hilfssystem – ohne Euphemismen“. Gleichzeitig beklagt die Organisation das „strukturelle Versagen“ internationaler Hilfsmechanismen – eine direkte Kritik an Europa, den UN und auch Österreich.

In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La Stampa bekräftigte GHF-Chef Moore: „Wir werden auch nach dem Krieg bleiben. Unsere Mission ist es, den Palästinensern zu helfen.“ Doch die Realität sei erschütternd: „Die UNO boykottiert uns, die Hamas jagt uns – und der Westen schaut weg.“

Besonders heftig trifft Moore das Schweigen europäischer Regierungen angesichts der gezielten Angriffe auf seine Helfer: „Wir retten Leben, aber einige stören sich daran, dass wir es anders machen.“

„Wir wollen Gaza ernähren, aber die UNO boykottiert uns – und Hamas jagt uns“, sagt der Geschäftsmann gegenüber La Stampa. „Wir werden auch nach dem Konflikt bleiben. Unsere Mission ist es, den Palästinensern zu helfen. Der Vatikan könnte eine Rolle spielen.“La Stampa/La Stampa

Diplomatischer Bumerang für Österreich?

Meinl-Reisingers Stellungnahme enthält noch eine brisante geopolitische Komponente. Die US-Mission bei den Vereinten Nationen hat kürzlich klar gemacht, dass die USA von ihren Verbündeten Unterstützung für die GHF erwarten. Das ist brisant, denn Österreich bewirbt sich derzeit um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat (2027 bis 2028).

Dass die Außenministerin sich während eines Staatsbesuchs in Israel so offen gegen den von Israel und den USA getragenen Hilfsmechanismus stellt, könnte sich daher nicht nur humanitär, sondern auch diplomatisch als Bumerang erweisen.

Wer ist Johnnie Moore Jr.?

Der Vorsitzende der GHF ist kein Unbekannter: Johnnie Moore Jr. ist ein weltweit vernetzter, langjähriger Trump-Berater, Ex-Kommissar der US Commission on International Religious Freedom und Gründer der Kairos Company. Der Evangelikale gilt als einflussreiche Stimme im interreligiösen Dialog und engagierte sich in der Vergangenheit für verfolgte Christen im Irak, religiöse Minderheiten in Asien und Reformprozesse in der islamischen Welt.

Im Juni 2025 übernahm er den Vorsitz der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) – mit dem erklärten Ziel, eine politisch unabhängige, sichere und effektive Lebensmittelverteilung im Gazastreifen sicherzustellen.

Bisher Kritik statt Gespräch

Ob Meinl-Reisinger nun auf die Einladung zum Dialog reagiert, ist offen. Moore unterstreicht: „Wir haben nur ein Ziel: mehr Lebensmittel nach Gaza zu bringen. Wer uns erreichen will, kann das jederzeit tun – sei es über das Außenministerium, das Weiße Haus oder die US-Mission bei den Vereinten Nationen. Aber eines ist sicher: Die Menschen in Gaza können nicht warten.“ Und: „Wir sind überzeugt: Wenn die Außenministerin sich tatsächlich dazu entschließen sollte, mit uns in den Dialog zu treten, wird auch sie erkennen, dass unser Modell überzeugend ist.“