Österreich hat sie beschlossen – Deutschland lebt seit zehn Jahren mit ihr: der Mietpreisbremse. Was als sozial gerechtes Instrument verkauft wird, zeigt in der Realität fatale Nebenwirkungen. Der deutsche Immobilienexperte Dr. Christian Osthus, Geschäftsführer des Immobilienverbands IVD, zieht auf exxpressTV eine schonungslose Bilanz – und warnt Österreich vor dem gleichen Fehler, den Vizekanzler und Wohnminister Andreas Babler (SPÖ) jetzt anpreist.

Die Mieter? Nur wenige profitieren – und zwar die Falschen

Babler hat sich wiederholt für die Mietpreisbremse starkgemacht. Nun wird sie umgesetzt: „Wir haben die Stopp-Taste gedrückt“, erklärte er bei einer Pressekonferenz. In den kommenden zwei Jahren dürfen Mieten nur noch um maximal ein bzw. zwei Prozent steigen.

Osthus widerspricht: „Die Mietpreisbremse ist nicht nur weitgehend unwirksam, sondern auch extrem ungerecht.“ Zwar profitiert, wer eine günstige Wohnung ergattert – „aber alle anderen suchen weiter vergeblich“. Und das sind viele: „In manchen Städten kommen heute bis zu 1.000 Bewerber auf eine Mietwohnung – ein Resultat der staatlichen Eingriffe.“

Doch wer bekommt am Ende die Wohnung? Meist nicht der mit dem größten Bedarf, sondern der mit dem dicksten Konto. „Die Mietpreisbremse privilegiert eher vermögende Mieter – und die breite Masse schaut durch die Finger.“

Das Angebot? Schrumpft – und verkommt

Mit der Mietpreisbremse wird das Grundproblem sogar verschärft: „Die Mietpreisbremse löst das eigentliche Problem nicht – den Mangel an Wohnungen.“ Immer mehr Vermieter verzichten in der Zwischenzeit auf Sanierungen und Modernisierungen, weil die Kosten hoch, die Mieteinnahmen aber gedeckelt sind. „Das Ergebnis ist ein alternder, unzeitgemäßer Wohnungsbestand.“

Auch der Neubau bricht ein, weil sich Investitionen nicht mehr rechnen. „Der Bauherr ist der Vermieter von morgen. Wenn der Bauherr heute nicht mehr bauen will, wird morgen auch niemand vermieten.“ Baukosten steigen, Investoren bleiben weg. „Wer investiert, will Sicherheit und Rentabilität – die Mietpreisbremse nimmt genau das weg.“

Wohnraum mit Aussicht – doch nur für wenige: In Wien spitzt sich die Wohnungsnot zu. Die Mietpreisbremse wird die Lage verschlimmern.GETTYIMAGES/Schartig

Die Wirtschaft? Wird mitgerissen

Die Folgen reichen weit über den Wohnungsmarkt hinaus. „Die Bauwirtschaft ist das Rückgrat des Mittelstands – der einzige Sektor, der zuletzt noch für Wachstum gesorgt hat.“ Doch: „Wenn wir diesen Bereich kaputtregulieren, droht ein Dominoeffekt.“ Die gesamte Wirtschaft gerät ins Straucheln: „Wenn man den Bausektor stranguliert, wird sich auch die Wirtschaft nicht erholen.“

Davor hatte übrigens auch der verstorbene Ex-SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch in seinem letzten Interview mit den Wirtschaftsnachrichten gewarnt: Die anhaltende Rezession „wäre wohl am leichtesten durch Überwindung des Stillstands beim Wohnbau zu beseitigen.“

Hannes Androsch (Bild, SPÖ) empfahl den Wohnungsmarkt zu beleben, um die Wirtschaftskrise zu überwinden.APA/GEORG HOCHMUTH

Die Politik? Will Gerechtigkeit – erreicht das Gegenteil

Trotz aller Warnungen hält die Politik an der Maßnahme fest. „Wenn man eine Mietpreisbremse einmal eingeführt hat, wird man sie nur schwer wieder los“, sagt Osthus. Selbst Parteien, die früher dagegen waren, trauen sich heute nicht mehr, sie abzuschaffen. „Wir stecken in einer Regulierungsspirale – aus der man politisch kaum mehr herauskommt.“

Warum das so ist? Osthus: „Mietrecht zu ändern kostet nichts – aber es zerstört den Wohnungsmarkt.“ Förderung hingegen wäre sinnvoller – aber teuer. „Regulierung wirkt sofort und billig. Genau deshalb wird sie politisch bevorzugt.“

Was es wirklich bräuchte: Bauen wieder leistbar machen

Statt Deckelungen und Bürokratie wären echte Lösungen gefragt. „Das alte Mantra gilt nach wie vor: bauen, bauen, bauen.“ Doch wie?

Osthus fordert: „Man müsste an den Baukosten ansetzen – damit das Angebot wieder wächst.“ Dazu müssten Standards überdacht werden – etwa bei Energieeffizienz, Aufzügen, Tiefgaragen und Ausstattung. „Wenn Mieter, Gesetzgeber und Planer nur Top-Standards wollen, dann wird es eben teuer – und unbezahlbar.“

Auch serielles Bauen – also industriell standardisierte Bauweise – sei eine Chance: „Davon wird viel zu wenig Gebrauch gemacht.“ Was es dafür bräuchte? Politischen Mut. „Wer traut sich schon zu sagen: ‚Ihr braucht gar nicht so große oder hochwertige Wohnungen‘? Aber genau das wäre realistisch.“

Am Ende aber zerstört die Mietpreisbremse das Vertrauen – und blockiert den Markt. „Ein Ausweg ist das nicht – eher ein Abgrund auf Raten.“ Die große Gerechtigkeit, die versprochen wurde, bleibt aus. „Die Aussage, man sorge mit der Mietpreisbremse für ‚mehr Gerechtigkeit‘, ist eine Illusion.“