ÖVP-Bundesparteiobmann Christian Stocker erklärte jüngst, die neue Regierung wolle das Asylrecht verschärfen. Unter anderem kündigte er an, den Familiennachzug „mit sofortiger Wirkung“ auszusetzen. Laut dem Regierungsprogramm der neuen schwarz-rot-pinken „Ampel“ scheint jedoch künftig das Gegenteil geplant zu sein.

Regierungspläne im Widerspruch

Im Regierungsprogramm der neuen Koalition findet sich unter dem Kapitel „Sicherheit“ die Ankündigung einer „Neuregelung des Familiennachzugs“. Konkret heißt es dort: „Familiennachzug wird mit sofortiger Wirkung vorübergehend und im Einklang mit Art. 8 EMRK gestoppt.“ Doch genau hier liegt das Problem.

Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert das Recht auf Familienleben. Ein generelles Verbot des Familiennachzugs wäre damit nicht vereinbar, wie Europarechtsexperte Franz Leidenmüller (Uni Linz) im Gespräch mit Ö1 erklärte. Einschränkungen seien zwar erlaubt, jedoch nur mit individueller Prüfung der Einzelfälle. Wie die Regierung die angekündigte Maßnahme tatsächlich umsetzen will, bleibt vorerst offen.

Christian Stocker (Bundeskanzler, ÖVP) und Andreas Babler (Vizekanzler, Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport, SPÖ).APA/ROLAND SCHLAGER

Vorbereitungskurse für Migranten

Besonders brisant: Im Regierungsprogramm der neuen schwarz-rot-pinken Koalition ist vorgesehen, dass Migranten noch vor ihrer Ankunft in Österreich staatlich finanzierte Sprachkurse und kulturelle Orientierungsprogramme im Herkunftsland absolvieren können. Konkret heißt es im Programm:

„Personen, die im Rahmen von Familienzusammenführung nach Österreich gelangen, lernen die deutsche Sprache und verinnerlichen die demokratischen und kulturellen Werte Österreichs. Um dies effizient und schnellstmöglich zu ermöglichen, erhalten Migrantinnen und Migranten bereits vor ihrer Ankunft die Möglichkeit, diese Kenntnisse zu erwerben (z.B. durch Sprachkurse und kulturelle Orientierungsprogramme im Herkunftsland).

Diese Programme helfen den Migrantinnen und Migranten, die deutsche Sprache zu lernen und sich mit den kulturellen Normen und Werten Österreichs vertraut zu machen. Eine frühe Vorbereitung erleichtert die Integration und fördert das Verständnis für die neue Umgebung. Durch Intensivierung von Kooperation mit internationalen Organisationen können diese Integrationsmaßnahmen bereits zuvor im Ursprungsland kosteneffizient umgesetzt werden.“

Zusätzlich hat sich die „Ampel“ im Regierungsprogramm klar zum EU-Asyl- und Migrationspakt bekannt, der legale Fluchtwege, eine verpflichtende Verteilung von Migranten und Erleichterungen für den Familiennachzug vorsieht.

FPÖ kritisiert ÖVP als „unglaubwürdig“.APA/HELMUT FOHRINGER

FPÖ kritisiert ÖVP: „Glaubwürdigkeit verloren“

Laut FPÖ-Nationalratsabgeordneter Lisa Schuch-Gubik werde der Familiennachzug aktiv gefördert – mit österreichischem Steuergeld. Während die ÖVP öffentlich betont, den Familiennachzug begrenzen zu wollen, geschehe im Hintergrund offenbar das Gegenteil: „Die ÖVP hat jedwede Glaubwürdigkeit verloren: Wo bei Stocker, Karner und Co. strenge Asylpolitik draufsteht, ist das fortgesetzte ‚Tür-auf‘-Programm für illegale Einwanderer drin“, kritisiert Schuch-Gubik.

„Stocker und Co. wollen diesen Plan auf Punkt und Beistrich umsetzen. Und da der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass afghanische Frauen grundsätzlich Asyl erhalten, wissen wir jetzt schon, wer nachkommen wird: die männlichen Verwandten“, warnt sie abschließend.