Zum Schulschluss zückt der exxpress das Zeugnisheft – für Österreichs Regierung. Wer glänzte mit hoher Medienpräsenz? Wer fiel durch Abwesenheit auf?

Wenig überraschend: Kanzler, Vize, Finanzminister und Außenministerin heimsen Einser ein – sie führen das Klassement an. Christian Stocker wurde allein im März in 692 Tageszeitungsbeiträgen erwähnt. In Summe sind es seither mehr als 1500 geworden – dazu knapp 30 medienwirksame Auftritte und regelmäßige Social-Media-Posts.

Die Spitzenriege glänzt: Kanzler Stocker (2.v.r.), Vize Babler (2.v.l.), Finanzminister Marterbauer (l.) und Außenministerin Meinl-Reisinger (r.) führen das Sichtbarkeitszeugnis klar an.APA/HELMUT FOHRINGER

Die Staatssekretäre hingegen sind meist nur als Namen auf Regierungspapieren existent. Mit einer Ausnahme: Sepp Schellhorn.

Der NEOS-Mann schaffte es mit Pannen, Peinlichkeiten und einem Instagram-Solo zum sichtbarsten Staatssekretär des Landes – medienpräsenter als manche Minister. Wofür er zuständig ist? Wissen die wenigsten. Doch kennen tut ihn jeder. Eine beachtliche PR-Leistung – wenn auch keine geplante.

Der sichtbarste Staatssekretär – und keiner weiß, warum

Sepp Schellhorn, Gastronom, Ex-NEOS-Mandatar und nun Staatssekretär für Deregulierung, hat eine beachtliche Sichtbarkeitskarriere hingelegt – allerdings nicht mit politischen Erfolgen, sondern mit inszenierten Auftritten, medialen Ausrutschern und verschiedenen Skandälchen. Was er im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten konkret tut, weiß bis heute niemand so genau.

Kein Wunder. Wie sich nun zeigt, schicken engagierte Bürger längst Vorschläge zur Entbürokratisierung an Schellhorns Büro – doch die freundliche Rückmeldung lautet: Die entsprechende Stelle existiert noch gar nicht (!), und das vier Monate nach Angelobung der Regierung. Sie sei „im Aufbau“ und werde frühestens ab September zu arbeiten beginnen. Bis dahin heißt es: Vorschläge sammeln, lesen, vielleicht irgendwann prüfen.

Ein Nutzer auf X berichtet, sein Vater – ein pensionierter General – habe einen ganzen Katalog an Ideen eingereicht. Die Antwort? „Eher unterwältigend.“ Immerhin verspricht das Büro einen jährlichen Entbürokratisierungsbericht. Ob der auch den Aufbau der Stelle selbst deregulieren wird? Man darf gespannt sein.

Im Mai übertrifft Schellhorns Präsenz sogar die NEOS-Chefin

Während sich andere Staatssekretäre mühsam aus der Unsichtbarkeit herausarbeiten, katapultierte sich Schellhorn im Mai 2025 auf Platz sieben im offiziellen APA-Politik-Ranking – und überholte in diesem Monat damit gleich mehrere Minister. Mit 183 Nennungen im Mai übertraf Schellhorn sogar Beate Meinl-Reisinger (Außenministerin), Wolfgang Hattmannsdorfer (Wirtschaft), Gerhard Karner (Innen) – und sogar Bundespräsident Van der Bellen.

APA/Screenshot

Fleißig im Fettnapf – Schellhorns Top-3-Pannen

Vor allem drei Fauxpas machten ihn österreichweit bekannt:

1. Der Dienstwagen-GAU:
Kaum im Amt, schon die erste Schlagzeile: Statt wie vorgesehen im Audi A6 ließ sich Schellhorn einen Audi A8 vors Ministerium stellen – ein Dienstwagen der Luxusklasse, Listenpreis rund 145.000 €. Kein gutes Bild in Zeiten von Sparpaketen. Und das dicke Ende? Der ursprünglich bestellte A6 wurde gar nicht abbestellt – der Steuerzahler zahlt doppelt. Damit wurde er offiziell zum „Teuersten Staatssekretär aller Zeiten“ in der „Teuersten Regierung aller Zeiten“ – kurz: zum TeuStaZ der TeuRaZ.

2. Der NS-Sager und Berlin-Ausflug:
Auf Kritik am Dienstwagen reagierte der Staatssekretär im TV mit einem historisch entgleisten NS-Vergleich – was ihm nicht nur empörte Reaktionen, sondern auch ein Medienfeuerwerk und eine Anzeige einbrachte. Nur wenige Tage später reiste er mitten in der Arbeitswoche nach Berlin – nicht im Regierungsauftrag, sondern für eine private Speaker-Veranstaltung. Abends ließ er sich auf ein Luxus-Steak einladen. Die Frage: Wer kümmerte sich daheim ums Entbürokratisieren?

3. Insta-Schweigen und fragwürdiger Werbeclip:
Nach dem Social-Media-Hype um „Sepp, was machst du?“ verstummte sein Account plötzlich. Grund: Ein Video, in dem er Werbung für ein privates Medium machte, sorgte für Wirbel. Er löschte sein Konto – mit Verweis auf die Unvereinbarkeitsrichtlinie. Einsicht? Fehlanzeige. Derweil schwoll seine Deregulierungsstelle im Außenamt personell weiter an.

Bonus-Fettnäpfchen:
Sepp Schellhorn bastelt offenbar an mehreren Karrieren – mit durchwachsenem Erfolg. Ende Mai wurde er zum dritten Mal zum NEOS-Landeschef in Salzburg gewählt – mit nur 52 Prozent, knapp vor einem weitgehend unbekannten Herausforderer. Eine schallende Ohrfeige für den 58-Jährigen: Der 26-jährige Ignacio Patt erhielt 32 Stimmen, nur fünf weniger als Schellhorn. NEOS-Sprecher Simon Makart räumte ein: „Es war ein Weckruf, so ehrlich muss man auch sein.“

Sichtbarkeit statt Substanz – das KI-Ranking zeigt's

Die exxpress-Sichtbarkeitsanalyse (3. März – 27. Juni) ermittelte für Sepp Schellhorn rund 250 Mediennennungen, dazu einige öffentliche Auftritte und eine zwischenzeitlich eingestellte, moderat betriebene Social-Media-Aktivität. Damit liegt er im Gesamtranking der Regierung im soliden Mittelfeld – aber weit vor allen anderen Staatssekretären. Kein anderer erreichte auch nur annähernd so viel Aufmerksamkeit. Die meisten kamen auf unter 100 Nennungen, über 200 schaffte niemand außer ihm. Die meisten Österreicher kennen nicht einmal die Namen der anderen Staatssekretäre – Schellhorn kennt man. Leider.

Natürlich sind andere Regierungsmitglieder präsenter. Neben Christian Stocker kommt auch Andreas Babler laut Auswertung auf mehr als 1000 Nennungen. Doch der Schein trügt: Eine einzige APA-Meldung über Kanzler oder Vizekanzler wird oft von einem Dutzend Medien übernommen – und bläht so die Statistik auf. Überdies bekommt die Staatsspitze allein durch zahlreiche öffentliche Termine automatisch mehr Aufmerksamkeit – ganz ohne besonderes Zutun. Anders Schellhorn: Er hat sich seine mediale Sichtbarkeit hart erarbeitet – leider unfreiwillig.