Am Freitagmorgen staunten Pendler in St. Pölten nicht schlecht: Ein Zug mit mehreren Leopard-2-Kampfpanzern durchquerte den Bahnhof – offenbar in Richtung Wien. Die Fahrzeuge trugen eine einheitlich graue Lackierung und waren offensichtlich übermalt: Weder taktische Kennzeichen noch nationale Symbole waren zu erkennen.

Ein Video des Transports liegt exxpress vor. Es zeigt mehrere schwere Kettenfahrzeuge mit 120-mm-Kanone – eindeutig Leopard-2-Typen, wie sie in Deutschland, der Schweiz, Spanien, Polen oder Schweden verwendet werden. Alle Erkennungszeichen wurden entfernt oder überdeckt. Ein klarer Hinweis auf Tarnung – oder gezielte Geheimhaltung.

Tarnung pur: Alle taktischen Kennzeichen und Symbole wurden übermalt – niemand weiß, woher diese Panzer stammen.Rumble/Screenshot

Kein Truppenaufenthalt, keine Durchfuhrmeldung – sagt die Regierung

Der exxpress konfrontierte vier Stellen mit dem Vorfall: das Bundesheer (BMLV), das Innenministerium (BMI), das Außenministerium (BMEIA) und die ÖBB. Die Reaktionen? Ausweichend oder gar nicht vorhanden.

Beim Innenministerium heißt es nur: „Dem BMI liegt kein Antrag für eine Durchfuhr von Panzern am 16. Mai 2025 vor.“

Das Bundesheer teilt mit: „Am 16. Mai 2025 ist kein Zug gemäß Truppenaufenthaltsgesetz angemeldet gewesen. Es ergibt sich somit keine Zuständigkeit des BMLV.“

Vom Außenministerium? Keine Antwort.

Nachtrag: Das Verteidigungsministerium teilte nach Veröffentlichung des Artikels mit, dass es sich bei dem Transport am 16. Mai um Leopard-2A4-Kampfpanzer des österreichischen Bundesheeres handelte. Die Panzer wurden vom Panzerbataillon 14 in Wels zum Truppenübungsplatz Allentsteig gebracht. Alle Details zur nachträglichen Stellungnahme finden Sie hier: Nach eXXpress-Bericht: Rätsel um Panzer-Transport gelöst – Bundesheer klärt auf

Auch die ÖBB fühlen sich nicht zuständig

Und was sagen die Österreichischen Bundesbahnen, deren Lok den Zug zog?

Auch dort will man nichts Genaues wissen – und verweist auf die Ministerien: „Nachdem es hierbei um den Transport von Kriegsmaterial geht, bitte ich Sie, sich beim Innen- und/oder Verteidigungsministerium zu informieren.“

Wohlgemerkt: Die ÖBB müssen wissen, was sie an diesem Tag, von wem, wohin transportiert haben.

Schweres Gerät ohne Absender: Ein Leopard-2-Panzer, grau lackiert und anonym – doch durch Österreich gefahren.Rumble/Screenshot

Weitertransport in EU-Staat grundsätzlich erlaubt

Die grauen Leopard-2-Panzer könnten aus Deutschland stammen – und etwa nach Tschechien, in die Slowakei oder nach Ungarn gebracht worden sein. Nach Allentsteig, dem größten Truppenübungsplatz des Bundesheeres in Niederösterreich, ging der Transport dem ersten Anschein nach nicht: Nach Einschätzung des Augenzeugen, der den Zug filmte, fuhr dieser in Richtung Wien – was gegen Allentsteig sprach. Nachträglich erklärte das Verteidigungsministerium jedoch, dass Allentsteig sehr wohl das Ziel war.

Das Innenministerium verweist auf § 5 Abs. 2a Kriegsmaterialgesetz, dem zufolge die Durchfuhr von Kriegsmaterial durch Österreich zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich bewilligungsfrei ist: „Keiner Bewilligung bedarf die Durchfuhr von Kriegsmaterial von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat (Verbringung innerhalb der EU), wenn eine entsprechende Ausfuhrbewilligung jenes EU-Mitgliedstaates vorliegt, aus dem das Kriegsmaterial verbracht wird oder nach dem Recht dieses EU-Mitgliedstaates keine solche Bewilligung erforderlich ist.“

Aufzeichnungs- und Mitführungspflichten bestehen allerdings weiterhin.

Und wenn die Panzer an die Ukraine weitergeliefert werden?

Doch was, wenn das Material – etwa über Tschechien – weiter in die Ukraine geliefert wird, also in ein Kriegsgebiet? Dann wird es heikel. Gemäß § 3 Abs. 4 KMG kann „eine Ausfuhrbeschränkung für die nachfolgende Ausfuhr des Kriegsmaterials von einem EU-Mitgliedstaat in Drittstaaten vorgesehen werden.“

Kurz: Österreich kann verlangen, dass Kriegsmaterial, das durch sein Staatsgebiet in einen anderen EU-Staat gelangt, nur mit Zustimmung der Bundesregierung in ein Drittland – wie die Ukraine – weitergeliefert werden darf.

Allerdings müsste Österreich dazu wissen, was transportiert wird – und wohin. Bei übermalten Panzern ohne Kennzeichen, über die angeblich niemand informiert wurde, ist das kaum möglich. In diesem Fall ist eine Kontrolle durch Österreichs Behörden de facto ausgeschlossen, selbst wenn eine Lieferung an eine Kriegspartei erfolgt. Für ein neutrales Land ist das völkerrechtlich brisant.

Schützt Ahnungslosigkeit vor Neutralitätsbruch?

Wenn Österreich von einer EU-internen Durchfuhr weiß, deren Ziel am Ende eine Kriegspartei ist, wird die Lage politisch und völkerrechtlich heikel. Eigentlich müsste Österreich dann eingreifen. Tut es das nicht, könnte das als indirekte Beihilfe zur Kriegsführung gewertet werden – und damit die Neutralität infrage stellen.

Doch möglicherweise wird das gar nicht erst versucht? Österreich könnte bewusst die EU-Rechtslage nutzen, um sich aus solchen Fällen herauszuhalten, keine Genehmigung zu erteilen, aber dennoch formell als neutral zu gelten – obwohl die Realität eine andere ist.

Die Devise lautet offenbar: Ahnungslosigkeit schützt vor Neutralitätsbruch. Es scheint fast so – jedenfalls, solange kein Ministerium genauer hinschauen will oder Bescheid weiß.

Den Schweizern ist nicht egal, was mit den Leopard-Panzern geschieht

Diese Diskussion erinnert an den Umgang der Schweiz mit Leopard-2-Panzern. Nach der Invasion Russlands in die Ukraine achtete Bern streng auf Neutralität: Als 2023 insgesamt 25 stillgelegte Leopard-2-Panzer an Deutschland rückverkauft wurden, geschah das unter der klaren Bedingung, dass sie nicht an die Ukraine weitergeleitet werden. Berlin versprach, die Panzer ausschließlich innerhalb der NATO zu verwenden.

Besonders brisant wäre es natürlich, wenn genau diese Panzer – umlackiert, ohne Kennzeichen – nun durch Österreich gerollt wären. Eine solche Weiterleitung ließe sich nur durch gezielte Tarnung und Intransparenz verschleiern.

Zugegeben: Das ist Spekulation. Doch genau deshalb wären Transparenz und klare Informationen notwendig – um solche Fragen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Nur: Auskunft gibt niemand.