Politkrimi in Wien: Seit viereinhalb Monaten hat Österreich keine Regierung – und die Verhandlungen hängen am seidenen Faden. Während das Land mit Wirtschaftsproblemen, Asylkrise und einem drohenden EU-Defizitverfahren kämpft, drehen sich die Gespräche offenbar nur noch um Posten. Vor allem um das Innenministerium, das seit 25 Jahren in ÖVP-Hand ist.

Jetzt meldet sich FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker zu Wort. Er antwortet auf die Kritik der ÖVP, die den Freiheitlichen am Mittwoch vorwirft, nicht über Inhalte reden zu wollen. Auch auf das Papier „Gemeinsame Grundlinien außer Streit stellen“, das die Volkspartei den Freiheitlichen am Montag überreicht hatte, habe die FPÖ nicht reagiert, heißt es.

Hafenecker kontert: „Die ÖVP selbst hatte kein Interesse, über das Papier im Detail zu sprechen. Kein Wunder! Seit genau zwei Wochen redet die ÖVP mit uns nicht mehr über Inhalte, sondern nur über die Ressort-Verteilung. Das war ja ihr ausdrücklicher Wunsch. Wir hingegen wollten immer über Inhalte reden – die ÖVP aber nicht.“

Über ihr eigenes „Grundlinien“-Papier habe die ÖVP nicht näher eingehen wollen, behauptet der FPÖ-General.YouTube/FPÖ TV/SCREENSHOT

„ÖVP hat vor zwei Wochen die Stopp-Taste gedrückt“

Über alle Punkte dieses Papiers haben man in den Verhandlungen zur Regierungsbildung bereits besprochen. „In manchen Bereichen sind wir uns ohnehin einig, in anderen Fragen haben wir noch keinen gemeinsamen Weg gefunden – aber das wäre möglich gewesen – wenn die ÖVP nicht vor zwei Wochen auf die Stopp-Taste gedrückt und die inhaltlichen Gespräche abgebrochen hätte! Denn plötzlich wollte sie nicht mehr über Inhalte reden – sondern nur noch über Posten.“

Hafenecker benützte aber auch seinen Video-Auftritt, um öffentlich zu erklären, wie seine Partei inhaltlich zu dem Papier steht. „Das Papier ist eigentlich eine Sammlung von Selbstverständlichkeiten, die aber zum Teil recht missverständlich formuliert sind und einen breiten Interpretationsspielraum bieten“, erklärt der freiheitliche Generalsekretär.

Kritik an Asyl-, Klima- und Zensurpolitik der EU

Zur geforderten proeuropäischen Positionierung erklärte Hafenecker: „Ja, eh! Natürlich bekennen wir uns zur Europäischen Union und zu unserer Mitgliedschaft.“ Ebenso wolle man, im Gegensatz zu Klimaministerin Leonore Gewessler, eine gemeinsame Haltung in Brüssel einnehmen. Die FPÖ wolle aber vor allem „eine Verbesserung der Europäischen Union“ und zwar „im Sinne der Österreicher!“. Das bedeute: „eine bessere Asyl- und Migrationspolitik, ein Ende der wirtschaftszerstörenden Klimapolitik, und eine EU mit freien Bürgern in souveränen Ländern – ohne Zensur und ohne gesteuerte öffentliche Debatten!“

Hafenecker: Unliebsame Meinungen gelten oft als „Fake News“

Zum Punkt „Verlässlicher Partner der freien Welt“, bemerkte der FPÖ-General neuerlich: „Ja, eh! Natürlich verurteilen wir den russischen Angriffskrieg, und wir setzen uns – gemäß unserem Auftrag als neutrales Land –für den Frieden ein. Natürlich sind wir ein Rechtsstaat! Aber deshalb muss man nicht jedes absurde Urteil europäischer Höchstgerichte in seiner Maximalvariante umsetzen. Man kann auch Recht ändern“.

Die FPÖ sei auch für Meinungs- und Pressefreiheit – „aber das heißt gerade nicht, dass man unliebsame Meinungen als ‚Fake News‘ und ‚Desinformation‘ brandmarkt und mit Zensur und Löschungsaufträgen verfolgt!“

Man ist noch kein „Extremist“, weil man vom Mainstream abweicht

Zur Abgrenzung von politischem und religiösem Extremismus wiederholte Hafenecker: „Ja, eh! Natürlich lehnen wir jede Form von Extremismus ab und wollen Extremisten nicht mit dem Geld der Steuerzahler fördern.“ Nur werde das Wort mittlerweile zum „Kampfbegriff, der weit über seinen eigentlichen Kern hinausreicht. Zum ‚Extremisten‘ wird heute jeder gemacht, dessen Meinung vom Mainstream abweicht – und nicht nur diejenigen, die Demokratie ablehnen und Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele gutheißen!“

Asyl: Dürfen nicht beim ersten Gegenwind aus Brüssel umfallen

Auch zum „Stopp der illegalen Migration“ sagen die Blauen: „Ja, eh! Natürlich wollen wir angesichts der hunderttausenden illegalen Einwanderer in den letzten Jahren die EU-Notfallsklausel aktivieren und keine neuen Asylanträge mehr annehmen! Das bedeutet aber auch, dies gegenüber der EU entschlossen zu vertreten – und nicht beim ersten Gegenwind einfach umzufallen.“ Ebenso wolle man mit internationalen Geheimdiensten zusammenarbeiten und den österreichischen Luftraum verteidigen, aber ohne Sky Shield.

Hafenecker: Es bräuchte Konkretisierung

Einen fünften Grundsatz fügte der FPÖ-Politiker zu den vier Grundsätzen der Volkspartei noch hinzu, nämlich: „Alles für das Wohl der Österreicher zu tun!“

Hafeneckers Resümee: „Vieles auf dem ÖVP-Papier ist selbstverständlich. Aber wenn man zwischen den Zeilen liest, dann wird klar: Es braucht eine Konkretisierung!“ Darüber müsse man aber reden, und dafür brauchen Regierungsverhandlungen um Inhalte.