
Herbert Scheibner: Das FPÖ-Ausländer-Volksbegehren war richtig, das Lichtermeer falsch
Ex-FPÖ-Verteidigungsminister Herbert Scheibner im exxpress-Interview über ungelöste Migrations- und Integrationsprobleme, Fehler der letzten 30 Jahre und die Gefahr des Islamismus. Scheibner konzipierte 1993 als FPÖ-Generalsekretär das Volksbegehren „Österreich zuerst“. Heute ist er Präsident eines Anti-Terror-Thinktanks in Wien.

Im Interview mit exxpress-Redakteur Stefan Beig rechnet Herbert Scheibner mit der Protestbewegung gegen das FPÖ-Volksbegehren „Österreich zuerst“ von 1992 an: Die Kritiker von damals lagen falsch, nur will das heute niemand zugeben. Die Wurzeln der heutigen Probleme lägen in den 1990er Jahren, als man begonnen habe, die Idee einer multikulturellen Gesellschaft zu propagieren, die mittlerweile gescheitert sei.
Eskaliert sei die Situation durch die als Asyl getarnte Zuwanderung ab 2015. Wer damals vor Extremisten gewarnt habe, sei ausgelacht worden, kritisiert der Ex-Politiker, dabei seien sogar Terroristen mit Sprengstoff im Rucksack gekommen. Herbert Scheibner leitet heute das Europäische Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention (EICTP).
„Müssen Gesetze ändern ohne Angst vor Europäischen Gerichtshöfen“
Oft hört man: Wir können Asyl und Zuwanderung nicht mehr so steuern, wie wir wollen, weil wir dann gegen europäisches Recht verstoßen. Stimmen Sie dem zu?
Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht geeignet sind, die aktuellen Probleme zu lösen, dann muss man die Rahmenbedingungen ändern – und das ist das Recht. Es kann nicht sein, dass man nichts ändert, weil man Angst hat, dass ein Europäischer Gerichtshof wieder verhindert, was die Nationalstaaten für absolut notwendig halten. Genau das führt zu dieser permanenten Kritik an der Europäischen Union. Rechtliche Instrumente sind dazu da, Probleme zu lösen, sie dürfen nicht als Ausrede dafür dienen, Probleme nicht zu lösen.

„Warnungen vor Terroristen wurden im Jahr 2015 belächelt“
Ihr Institut beschäftigt sich mit Extremismus und Terrorismus. Hat sich die Bedrohungslage seit der Flüchtlingswelle 2015 verändert?
Damals, im Jahr 2015, wurden die Warnungen vor Extremisten und Terroristen, die mit dem Flüchtlingsstrom nach Europa kommen, belächelt. „Die haben andere Wege“, hieß es. Nein, es waren genau diese Wege. In ihren Rucksäcken befanden sich nicht nur lebensnotwendige Dinge, sondern auch Sprengstoff und Utensilien für Anschläge. Man hat damals undifferenziert und unkontrolliert Menschen ins Land gelassen, darunter sehr viele Menschen, die nicht politisch verfolgt waren, sondern wirtschaftliche Interessen hatten – und eben Extremisten mit ganz anderen Interessen.
„Selbst Grüne halten Forderungen des Volksbegehrens heute für richtig – aber sie kommen zu spät“
Vor 30 Jahren konnte man Gefährder und Kriminelle noch abschieben. Heute nicht mehr. Was ist falsch gelaufen?
Die Wurzeln des Problems liegen in den 1990er Jahren. Ich erinnere mich an das FPÖ-Volksbegehren „Österreich zuerst“. Als Generalsekretär war ich für den Inhalt zuständig. Es folgte eine riesige Protestbewegung, die im Lichtermeer gipfelte. 2023 feierte man das 30-Jahr-Jubiläum, ohne sich einzugestehen, dass die Gegenbewegung eigentlich falsch lag. Wenn man sich heute die damaligen Forderungen anschaut, dann lächeln selbst Grüne darüber und geben zu, dass sie notwendig waren. Nur heute ist es zu spät.

Eine der Forderungen war, den Anteil der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache in den Schulen auf 30 Prozent zu begrenzen. Das ist heute nicht mehr möglich, weil inzwischen zumindest in den Ballungszentren die Mehrheit nicht Deutsch spricht. Damals hätte man diese Probleme lösen können, aber man ist daran aus ideologischen Gründen gescheitert, weil man begonnen hat, die Idee einer multikulturellen Gesellschaft zu vertreten. Ihr zufolge ist Integration nicht notwendig, weil es ja so schön ist, wenn in Österreich verschiedene Kulturen nebeneinander existieren. Das funktioniert nicht.
Wir haben auch das Prinzip Integration vor Neuzuwanderung gefordert. Demnach muss man die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Zuwanderer integrieren können, aber auch müssen. Das wurde verabsäumt. Aufgrund der Multikulti-Ideologie hat man sich überhaupt nicht um die Voraussetzungen für eine gelungene Integration gekümmert und so sind die Probleme entstanden.

„Man muss die Einhaltung von Regeln fordern, das wurde 30 Jahre lang vernachlässigt“
Sie meinen: Hätte man das FPÖ-Volksbegehren ernst genommen, wären uns die heutigen Probleme erspart geblieben?
Ja, aber es geht um mehr: Das ist keine ideologische Frage, sondern eine Frage der Vernunft. Wenn man Arbeitskräfte und ihre Familien aus anderen Kulturkreisen ins Land holt, dann stellt sich die Frage der Integration. Und: Ich kann nur eine kleinere Gruppe in eine größere Gruppe integrieren. Für all das muss ich Maßnahmen und Grenzen setzen, und Regeln einfordern. Wer sich nicht daran hält, muss wieder gehen. All das wurde in den letzten 30 Jahren sträflich vernachlässigt. Eskaliert ist die Situation durch die als Asyl getarnte Zuwanderung ab 2015 aus völlig fremden Kulturen, vor allem aus islamischen Ländern.

„Die Multikulti-Ideologie will keine Leitkultur, das funktioniert nicht“
Sie halten demnach die Multikulti-Ideologie für die Wurzel der Probleme?
Mit der Idee der multikulturellen Gesellschaft wurde das Ziel verfolgt, auf eine Leitkultur zu verzichten, sondern zu propagieren, dass alle Kulturen gleichberechtigt sind und ohne Regeln nebeneinander existieren können. Alles würde von alleine funktionieren. Das ist falsch.
Die chaotischen Zustände in den Schulen sind eine Katastrophe in zwei Richtungen, einerseits natürlich für die autochthonen Österreicher, denn wenn 70, 80 Prozent der Schüler einer Klasse die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, kann man die österreichischen Schüler nicht mehr fördern. Aber auch Kindern aus Migrantenfamilien nimmt man die Zukunft: Was sollen sie ohne die notwendigen Bildungsstandards erreichen?

Was Europa von allen anderen Kontinenten unterscheidet, ist ein durchgängig hohes Bildungsniveau in allen Bevölkerungsschichten. Wenn wir das verlieren, dann wird es wirklich kritisch für unsere Zukunft.
„Die Bedrohung beginnt mit der Propaganda von Islamisten“
Hat die Zuwanderung die Bedrohung durch den Islamismus verschärft?
Schwarz-Weiß-Denken ist falsch. Weder sind alle Zuwanderer und Muslime kriminell, noch sind alle Opfer und gute Menschen. Gott sei Dank verhält sich die überwiegende Mehrheit der zugewanderten Muslime völlig regelkonform und will hier einfach nur gut leben. Diese Menschen sollte man unterstützen, denn auch sie leiden unter den Zuständen und werden auch zunehmend von Fundamentalisten unter Druck gesetzt. Auch das ist in den letzten 30 Jahren nicht oder zu wenig geschehen, auch das kritisiere ich. Man muss bessere Möglichkeiten schaffen, dass Muslime, die sich integrieren wollen, einen Platz in unserer Gesellschaft finden.

Es gibt den politischen Islam, der eine islamische Gesellschaftsordnung propagiert, ohne gewalttätig zu sein, und es gibt den Dschihadismus und Terrorismus. Wo sehen Sie die größere Bedrohung?
Ich denke, sie beginnt genau dort: bei der islamistischen Propaganda. Wenn islamistische Vereine und Moscheen den Muslimen signalisieren, dass sie in Österreich gefährdet sind und sich vor der Gesellschaft schützen müssen, dann ist das der erste Schritt in eine Parallelgesellschaft, in eine Spaltung der Gesellschaft und in den Extremismus. Genau da muss man ansetzen, denn hier wird der Extremismus genährt. Es kann nicht sein, dass selbst öffentlich geförderte Vereine Propaganda gegen Integration verbreiten und Muslime davor warnen, an den Bräuchen der Mehrheitsbevölkerung teilzunehmen, sich etwa in den Schulen von Weihnachtsfeiern fernzuhalten. Bei aller Notwendigkeit Muslime vor wirklicher Diskriminierung zu schützen, muss man aber den undifferenzierten Vorwürfen der Islamophobie, die permanent eine Bedrohung für die muslimische Bevölkerung konstruieren, entschieden entgegentreten, denn auch das befeuert Extremismus, Radikalismus und in letzter Stufe Terrorismus.
Vielmehr sollten Organisationen unterstützt werden, die sich für ein funktionierendes Zusammenleben in Österreich einsetzen und die einen Islam propagieren, der mit europäische Werten vereinbar ist.

Bei jedem Extremismus, auch beim Rechtsextremismus, fängt das Problem bei der Propaganda an. Ein kleiner Teil wird zu Terroristen. Deshalb muss man die Wurzeln bekämpfen.
„Wir brauchen auch Verbotsgesetze gegen Linksextremismus und Islamismus“
Wo muss man ansetzen? In der Erziehung, in den Schulen?
Zunächst muss das Problem erkannt werden. Viele meinen immer noch, man dürfe das Problem nicht ansprechen, weil ohnehin alles gut sei. Die Schulen sind sehr wichtig aber auch das Internet: Extremisten arbeiten immer stärker auf Social Media – dem muss man stärker mit attraktivem Auftreten im Netz begegnen.
Bei den gescheiterten Ampel-Gesprächen wurde über ein Islamismus-Gesetz gesprochen, nach dem Vorbild des Verbotsgesetzes gegen die NSDAP. Begrüßen Sie das?
Das sollte man auf jeden Fall weiterverfolgen. Am besten wäre ein Verfassungsgesetz, wie es das Verbotsgesetz ist. Bei aller Liberalität muss es auch möglich sein, unsere Freiheitsrechte gegen die Feinde unseres Systems zu verteidigen. Dass wir in Österreich Gott sei Dank keine nennenswerte rechtsextreme Szene mehr haben, ist auch ein Verdienst des Verbotsgesetzes. Dasselbe brauchen wir gegen Linksextremisten und gegen Islamisten, denn auch sie bekämpfen unsere Gesellschaftsordnung, so wie die Rechtsextremisten.
„Bei der Überwachung von Messenger-Diensten sind wir auf ausländische Hilfe angewiesen“
Die österreichischen Richter sind auf Rechtsextremismus geschult, vom politischen Islam haben sie keine Ahnung. Sie kennen nicht einmal die wichtigsten Vertreter.
Das stimmt. So wie es Schulungen zum Rechtsextremismus gibt, muss es auch Schulungen zum Linksextremismus und zum Islamismus geben. Der Staat muss gegen alle Strömungen vorgehen, die sich gegen den Staat und unsere Gesellschaftsordnung richten.
Wie sind die Sicherheitsbehörden aufgestellt?
Es gibt Verbesserungsbedarf. Die Nachrichtendienste brauchen die Möglichkeit, Messenger-Dienste zu überwachen. Es ist schon eine merkwürdig, dass wir bei der Überwachung von Messenger-Diensten auf ausländische Dienste angewiesen sind. Sie geben uns die Informationen, die wir selbst nicht beschaffen dürfen. Aber das ist nur ein Aspekt. Wichtig ist: Es darf kein Augenzwinkern gegenüber Radikalismen geben, egal welcher Art.
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