
Hölle über Kiew: So brutal schlägt Russland zu
Kinder sterben im Schlaf, Häuser stürzen ein, Explosionen erschüttern Kiew: Russland hat in der Nacht auf Sonntag einen der schwersten Angriffe seit Wochen auf die Ukraine gestartet. Die ukrainische Führung spricht von gezieltem Terror gegen Zivilisten und fordert mehr internationalen Druck auf den Kreml.

Bei russischen Luftangriffen auf die Ukraine sind in der Nacht auf Sonntag nach Behördenangaben mindestens ein Dutzend Menschen getötet und viele weitere verletzt worden. In der Region Schytomyr starben laut Zivilschutz zwei Kinder im Alter von acht und zwölf Jahren sowie ein 17-Jähriger. In der Hauptstadtregion Kiew wurden laut Rettungsdiensten mindestens vier Menschen getötet. Auch in der Region Chmelnyzkyj wurden vier Tote gemeldet, im südukrainischen Mikolajiw ein Toter.
Russland griff nach ukrainischen Angaben mit insgesamt 298 Drohnen und 69 Raketen an. Wie die Luftwaffe weiter mitteilte, konnten 266 Drohnen und 45 Raketen abgeschossen werden. Es war die zweite Nacht in Folge, in der Russland einen Großangriff auf die Ukraine startete. Die Attacke in der Nacht auf Sonntag war dabei offenbar noch einmal umfangreicher: Am Samstag hatte die Luftwaffe einen russischen Angriff mit 250 Langstrecken-Drohnen und 14 ballistischen Raketen gemeldet.
Angriff auf Kiew
Bürgermeister Vitali Klitschko erklärte, es gebe einen „Angriff” auf die Stadt, aber die Luftabwehr sei aktiv. „Bleiben Sie in Schutzräumen”, befahl er. Explosionen waren zu hören.
„Mehr als ein Dutzend feindliche Drohnen” befänden sich im Luftraum über der Hauptstadt, teilte der Leiter der militärischen Verwaltung Kiews, Tymur Tkaschenko, über Telegram mit. „Einige der Drohnen über Kiew und Umgebung wurden bereits abgeschossen”, hieß es. Allerdings bewegten sich weitere Drohnen auf die Hauptstadt zu, warnte er. Es seien bereits Drohnentrümmer auf ein fünfstöckiges Wohnhaus gefallen.
Zivile Ziele getroffen
Der stellvertretende Armeeleiter der Region Chmelnyzkyj westlich von Kiew meldete vier Tote. “Letzte Nacht wurde die Region Chmelnyzkyj von feindlichen russischen Angriffen getroffen, bei denen zivile Infrastruktur zerstört wurde. Leider wurden vier Menschen getötet”, erklärte Sergij Tjurin im Onlinedienst Telegram und fügte hinzu, dass fünf Menschen verletzt worden seien.
Auch aus den südukrainischen Regionen Cherson und Mikolajiw wurden nächtliche Angriffe gemeldet. In Mikolajiw wurde nach Angaben von Rettungsdiensten ein Mann bei einem Drohnenangriff auf ein Wohngebäude getötet.
Kiew fordert mehr Druck auf Moskau
Außenminister Andrij Sybiha sprach vom massivsten russischen Luftangriff seit vielen Wochen und von einem schweren Sonntag für die Ukraine mit einer schlaflosen Nacht. Russland habe Hunderte Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen gegen Städte und Kommunen eingesetzt. “Während die ganze Welt ein Ende des Tötens fordert, ordnet Putin noch mehr Schläge, Angriffe an und Morde an Kindern”, schrieb Sybiha auf der Plattform X. Es brauche eine bedingungslose und haltbare Waffenruhe für Friedensverhandlungen. Die Weltgemeinschaft müsse den Druck auf den russischen Staatschef Wladimir Putin erhöhen.
Der aktuelle Druck sei ungenügend, erklärte der Chef der Präsidialkanzlei, Andrij Jermak, bei Telegram. “Ohne Druck wird sich nichts ändern, und Russland und seine Verbündeten werden nur Kräfte aufbauen für solche Morde in westlichen Ländern. Moskau wird kämpfen, solange es die Möglichkeit hat, Waffen zu produzieren.”
Flugverkehr in Moskau zeitweise beeinträchtigt
Der Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin, erklärte indes, dass zwölf Drohnen, die in Richtung der russischen Hauptstadt unterwegs waren, abgefangen werden konnten. Nach Angaben der russischen Zivilluftfahrtbehörde wurde der Flugverkehr an mindestens vier Flughäfen eingeschränkt, darunter der größte Moskauer Flughafen Scheremetjewo.
Über Russland wurden nach Regierungsangaben in der Nacht 110 aus der Ukraine kommende Drohnen unschädlich gemacht. Davon seien 13 über dem Gebiet Moskau und der an die Hauptstadt angrenzenden Region Twer abgefangen worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Es gab zunächst keine Angaben über Opfer. Auch ließ das Ministerium offen, mit wie vielen Drohnen die Ukraine insgesamt angegriffen hatte.
Gefangenenaustausch, aber keine Waffenruhe
Die neuen Angriffe ereigneten sich vor dem Hintergrund des größten Gefangenenaustausches zwischen Russland und der Ukraine seit dem Beginn des Krieges vor gut drei Jahren. Am Freitag hatten beide Seiten je 390 Gefangene zurückgegeben, am Samstag kamen jeweils 307 Gefangene frei. Insgesamt sollen 1.000 Gefangene ausgetauscht werden, wie bei den ersten direkten russisch-ukrainischen Gesprächen seit drei Jahren in Istanbul vor einer Woche vereinbart worden war.
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