Iddo Netanjahu, renommierter israelischer Dramatiker, Buchautor und jüngerer Bruder von Premierminister Benjamin Netanjahu, warnt im Gespräch auf exxpressTV: „Wer will, dass der Westen überlebt, sieht: Europa wird infiltriert und überrannt. Es ist eine andere Art von Krieg – nicht wie früher bei Wien, heute geschieht es über Migration.“ Das Problem seien „radikale Kräfte“ im Islam – nicht alle Muslime –, die den Ton angäben.

Europas Schwäche sei das fehlende Verständnis für den Islamismus: „Der Westen versteht die Ideologie nicht.“ Ziel ist die Errichtung einer radikal-islamischen Herrschaft. „Viele glauben nicht, was Extremisten offen sagen – ob Muslimbruderschaft, darunter auch Hamas, oder radikale Schiiten aus dem Iran.“

Iddo Netanjahu (r.) mit exxpress-Redakteur Stefan Beig (l.): In der Mitte befindet sich die serbische Übersetzung seines Buchs „Itamar K.“.EXXPRESSTV /EXXPRESSTV

Kurswechsel nach dem 7. Oktober

Im Medienkrieg, räumt Netanjahu ein, sehe Israel oft schlecht aus. Doch das eigene Überleben sei wichtiger: „Die PR-Schlacht ist begrenzt. Aufgabe Nummer eins jeder Regierung ist, die Sicherheit ihres Volkes zu gewährleisten. Und wenn man die PR-Schlacht verliert, dann verliert man sie. Punkt.“

Während seines Wien-Aufenthalts wurde die serbische Übersetzung von Iddo Netanjahus Roman „Itamar K.“ präsentiert. Veranstalter waren die Vertretung der Republika Srpska in Wien und die Österreichisch-Serbische Gesellschaft.Filip Gaspar/Foto

Vor dem Massaker habe Israel „gezögert“ und immer nur auf Angriffe aus dem Gazastreifen reagiert. Einen großen Krieg vermied man. „Dann kam der 7. Oktober – und es gab einen vollständigen mentalen Schwenk. Reines Reagieren ist keine Option mehr – wir übernehmen an allen Fronten die Initiative.“ Israel habe Armee und Rüstungsindustrie rasch hochgefahren und die „Abhängigkeit von amerikanischen und europäischen Waffen“ reduziert.

Zwei-Staaten-Lösung? „Nur noch linke Minderheit“

„Die Zwei-Staaten-Lösung ist in Israel seit Jahren nur noch Sache einer linken Minderheit“, betont Netanjahu. In den 1990ern habe die Linke, begleitet von massiver Medienpropaganda, den Oslo-Prozess durchgesetzt: „Arafat wurde zum ‚Prinzen des Friedens‘ stilisiert.“ Kurz darauf folgten Selbstmordattentate und Bombenanschläge; die Öffentlichkeit sei „schlagartig nach rechts“ gerückt. Deshalb habe auch sein Bruder Benjamin Netanjahu später die Wahlen gewonnen.

Die israelische Linke war ursprünglich politisch weiter rechts. Als sie wieder nach links rückte, verlor sie den Zuspruch der Mehrheit in Israel, sagt Iddo Netanjahu.EXXPRESSTV/EXXPRESSTV

Die israelische Linke, die unter Ben Gurion einst nach rechts gerückt war, sei damals wieder zu ihren antinationalen Ursprüngen zurückgekehrt, habe kulturelle Deutungshoheit gewonnen – „doch die Realität zwang die Bevölkerung nach rechts“.

„Cancel Culture“: Sein Buch als Warnspiegel

Netanjahus satirischer Roman „Itamar K.“ entstand in der Oslo-Ära. Erst kürzlich wurde er ins Deutsche übersetzt – und für ihn passt das Buch auch „heute auf Europa“: Kulturelle Institutionen und Universitäten würden von links dominiert, abweichende Stimmen „abgestraft“. Er spricht von „Kontrolle ohne Staat“ – gesellschaftlicher Druck statt Zensurbehörde.

Sein Buch aus den 1990er Jahren sei in Europa heute hochaktuell, sagt Netanjahu: Es habe die Cancel Culture vorweggenommen.EXXPRESSTV/EXXPRESSTV

Linke gegen Israel

Israel stehe „für Nation, Identität, Grenzschutz – wenn nötig, Verteidigung mit Gewalt“. Damit tue sich die Linke schwer. Auch in Brüssel würden Nationen „gewissermaßen neu definiert“. Der Konflikt sei: Kosmopolitismus versus Nationalstaat.

Über die Campus-Proteste in den USA nach dem 7. Oktober zeigt er sich wenig überrascht: „Die Radikalisierung begann in den 1960ern. Diese Radikalen wurden Professoren und prägten die Studenten.“

Iddo Netanjahu spricht bei der Präsentation der serbischen Übersetzung von „Itamar K.“ in Wien.Filip Gaspar/Foto

Rechtsruck im Westen, Antisemitismus der Linken, anderer Weg Osteuropas

Auch in Europa sieht er eine Gegenbewegung: „Die Menschen sind nicht dumm.“ In Westeuropa registriere er einen Rechtsruck, in Osteuropa eine andere, weniger dekadente Entwicklung seit dem Ende der Sowjetherrschaft. Das sei aus israelischer Sicht erfreulich.

Selbst wer Israel kritisch sehe, könne es unterstützen, „wenn er erkennt, dass ein starker jüdischer Staat im eigenen Interesse ist“. Und: „Derzeit verhält sich die Linke weitaus antisemitischer als die Rechte.“

Iddo Netanjahu signiert die serbische Ausgabe von „Itamar K.“.Filip Gaspar/Foto

Demografie: „Ohne Kinder kein Sieg“

Eine zweite Warnung richtet Netanjahu an Europa: „Wenn Europa nicht anfängt, Kinder zu bekommen – so wie wir in Israel –, ist es fast ein verlorener Kampf. Kein Land gedeiht ohne wachsende Bevölkerung.“

Über seinen Bruder Benjamin

Zur Innenpolitik sagt er knapp: „Politiker in Israel – das ist ein hartes Leben.“ Doch sein Bruder wolle es anscheinend. „Als Finanzminister hat er die stark regulierte Wirtschaft befreit. Ohne starke Wirtschaft keine starke Armee. Insgesamt macht er einen sehr guten Job.“

Iddo Netanjahu, 1952 in Jerusalem geboren, ist Radiologe, Schriftsteller und Dramatiker. Er ist der jüngere Bruder von Premierminister Benjamin Netanjahu und des Kommandeurs Jonathan („Yoni“) Netanjahu, der 1976 bei einem Spezialeinsatz zur Geiselbefreiung in Entebbe (Operation „Thunderbolt“) fiel; sein Vater war der Historiker Benzion Netanjahu.

Einen Teil seiner Kindheit verbrachte Iddo Netanjahu in den USA, schloss 1973 an der Cornell University ab, diente – wie seine Brüder – in der Spezialeinheit Sayeret Matkal und erwarb anschließend den MD an der Hebräischen Universität Jerusalem. Stationen seiner medizinischen Ausbildung führten ihn unter anderem an das Georgetown University Hospital in Washington, D.C., und das Mount Sinai Hospital in New York; bis 2008 arbeitete er als Radiologe am St. James Mercy Hospital in Hornell (NY), bevor er sich ganz dem Schreiben widmete.

Zu seinen Werken zählen der Roman „Itamar K.“ sowie Theaterstücke wie „A Happy Ending“ (EU-Gedenktag 2008, Italien) und „Worlds in Collision“ (UA 2015, Usbekisches Jugendtheater).