Die renommierte israelische Völkerrechtlerin Yifa Segal rechnet im exxpressTV-Interview scharf mit den Vereinten Nationen ab. Der Vorwurf, Israel setze Lebensmittel als Waffe ein, sei nicht nur falsch, sondern eine Verdrehung des Völkerrechts: „Was hier als Waffe missbraucht wird, ist nicht Nahrung – sondern das Völkerrecht selbst.“

Blockade gegen Terroristen ist erlaubt – wenn Hamas dazwischensteht

Segal betont: Eine Blockade gegen eine bewaffnete, feindliche Gruppe wie die Hamas ist völkerrechtlich legitim, solange Maßnahmen getroffen werden, um die Zivilbevölkerung zu versorgen. „In der Geschichte galt eine Blockade oft als legitimes und sogar bevorzugtes Mittel, um den Gegner zur Aufgabe zu zwingen – und blutige Kämpfe in Wohngebieten mit unzähligen Opfern zu vermeiden.“

Israel handle genau nach diesem Prinzip: Es errichte humanitäre Zonen, fordere die Bevölkerung jedes Mal zur Evakuierung auf und entwickle neue Wege, um Hilfe direkt zur Zivilbevölkerung zu bringen.

UN-Generalsekretär António Guterres nach der Annahme einer Resolution zu Gaza: Kritiker werfen der UNO vor, das Völkerrecht einseitig gegen Israel auszulegen.GETTYIMAGES/Lev Radin/Pacific Press/LightRocket

Hamas stiehlt die Hilfe – Israel baut neue Wege

Zehntausende Tonnen Hilfsgüter wurden bereits geliefert. Doch etliche wurden von der Hamas gestohlen, die meisten für ihre Terrorkämpfer verwendet, andere zu Wucherpreisen weiterverkauft. Segal: „Die Hamas versorgt zuerst ihre Kämpfer und verkauft den Rest teuer an die eigene Bevölkerung.“

Ein neues, von Israel und den USA unterstütztes Hilfsprogramm (Gaza Humanitarian Foundation, GHF) – umgesetzt von einer amerikanischen Firma – zeigt nun Wirkung: Die Verteilung findet ohne die Hamas statt. „Anfangs hat Hamas versucht, die Menschen mit Drohungen und Gewalt davon abzuhalten, die Verteilungspunkte zu erreichen. Doch die Zivilbevölkerung hat sich durchgesetzt. Das zeigt: Die Menschen durchschauen Hamas.“

Hilfe ohne Hamas: In Gaza erreicht erstmals eine von Israel und den USA unterstützte Hilfsinitiative (Gaza Humanitarian Foundation) die Menschen direkt – ohne Umweg über die UNO und ohne Kontrolle durch die Hamas.APA/AFP/Eyad BABA

UNO widerspricht sich selbst

Für Segal ist die Kritik der UNO an der neuen Versorgung unlogisch: Erst übten die Vereinten Nationen Kritik am bisherigen System, nun erregen sie sich über das neue, funktionierende. „Was wir zuvor hatten, war entweder korrumpiert oder schlecht organisiert. Jetzt funktioniert es – und genau das passt manchen nicht.“

Die wahre Verantwortung für das Leid

Eine humanitäre Krise in Gaza existiert – doch wer ist schuld? „Israel hat Millionen Kilo an Hilfsgütern geliefert. Warum kritisiert niemand die Hamas, wenn sie diese Transporte stiehlt oder blockiert?“ Und: „Warum erlaubt Hamas nicht, dass Frauen und Kinder in den unterirdischen Tunnelsystemen Schutz suchen?“

Hamas-Show der Gewalt: Bewaffnete Hamas-Kämpfer marschieren bei einer Militärparade im Süden Gazas (2019). Die Terrorgruppe setzt auf Indoktrination und Eskalation – auf Kosten der eigenen Bevölkerung.GETTYIMAGES/Yousef Masoud/SOPA Images/LightRocket

Hamas hindere die Menschen an der Flucht und nutze Tunnel für Waffen statt zum Schutz. Israel hingegen errichte Schutz- und Evakuierungszonen. Zur Kritik an der Verlegung von Zivilisten: „Ich kenne kein Völkerrecht, das es verbietet, Menschenleben zu retten. Im Gegenteil: Das ist ein fundamentales Menschenrecht.“

Ein geleakter UN-Bericht belegte überdies: „In den meisten Monaten gab es keine Hungersnot in Gaza. Der Bericht wurde nicht veröffentlicht, weil er nicht zur Erzählung der UNO passte.“

Tunnelkrieg in Gaza: Israelische Soldaten sichern den Eingang eines Hamas-Tunnels in Rafah. Solche unterirdischen Anlagen nutzt die Terrororganisation für Waffenlager, Kämpferbewegungen – und zur Sabotage humanitärer Hilfe.APA/AFP/Sharon ARONOWICZ

Kein Völkermord – sondern Schutz der Zivilbevölkerung

Zum Vorwurf systematischer Angriffe auf Zivilisten sagt Segal: „Wenn wir wirklich einen Völkermord begehen wollten, würden wir nicht zur Evakuierung aufrufen. Und: „Wir greifen anschließend die Gebiete an, vor denen wir die Bevölkerung zuvor gewarnt haben – nicht jene, in die sie sich zurückgezogen hat. Wir wären die schlechtesten Militärstrategen der Welt, wenn wir einen Genozid durchführen wollten und dann so vorgehen.“

Kriegsziel und Pläne für danach

Zum Kriegsende, das noch immer auf sich warten lässt: „Dieser Krieg endet erst, wenn Hamas nicht mehr an der Macht ist – Punkt.“

Gezielter Einsatz statt blindem Bombardement: Reservisten der israelischen Armee (IDF) rücken in den Gazastreifen vor.APA/AFP/HO/IDF

Israel plane für die Zeit nach Hamas offenbar eine übergangsweise, humanitäre Verwaltung. Gruppen aus Gaza selbst, die sich nun gegen die Hamas stellen, könnten künftig Verantwortung übernehmen. Erste Anzeichen sieht Segal bereits: Proteste gegen Hamas, schwächelnder Einfluss, neue Allianzen zum Schutz von Hilfskonvois.

Segal richtet auch einen Appell an westliche Politiker, die Israel permanent kritisieren: „Mit Ihren Kommentaren verlängern Sie diesen Krieg. Sie geben Hamas Hoffnung, dass Israel einknickt. Damit füttern Sie den Konflikt.“

Das neue Hilfssystem GHF gilt als Hoffnungsschimmer inmitten der humanitären Krise.APA/AFP/Eyad BABA

Der 7. Oktober 2023 veränderte das Land

Eines steht fest: Das Massaker der Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 war für zahlreiche Menschen in Israel ein böses Erwachen.

„Viele Israelis haben bis dahin geglaubt, dass Frieden mit allen möglich ist, dass alle Menschen im Grunde Sicherheit, Wohlstand und ein gutes Leben wollen. Die fatale Illusion war unser Glaube: Wenn wir den Menschen in Gaza nur erlauben, bei uns zu arbeiten, wenn sie kostenlose medizinische Versorgung bekommen, wenn wir sie hin- und zurückbringen, wenn wir dafür sorgen, dass Geld aus Katar bei ihnen ankommt – dann wird irgendwann der Friede kommen. Aber diese Illusion ist am 7. Oktober brutal zerplatzt.“

Nun sei klar: Frieden lässt sich nicht durch Hilfszahlungen erkaufen. „Wir werden nicht mehr mit dem Kopf im Sand neben dem Teufel schlafen.“

Yifa Segal (geb. 1982) ist eine israelische Anwältin und eine der profiliertesten Expertinnen für internationales Recht und Sicherheitspolitik. Sie ist Geschäftsführerin von Hetz for Israel, einer NGO zur Stärkung von Israels nationaler Sicherheit auf internationaler Ebene. Segal ist zudem mit dem Israeli Defense and Security Forum (IDSF) verbunden, einem sicherheitspolitischen Thinktank aus hochrangigen Militärs, Diplomaten und Experten. Dort arbeitete sie an einem Plan für sichere humanitäre Zonen im Gazastreifen – unabhängig von der Hamas.

Zuvor war Segal Stabschefin des israelischen Botschafters in Washington und Gründerin sowie langjährige Geschäftsführerin des International Legal Forum (ILF) – einem globalen Netzwerk von Juristen und Aktivisten aus über 40 Ländern im Kampf gegen Terror und Antisemitismus.

Yifa Segal studierte Rechtswissenschaften an der Universität Haifa sowie Internationale Beziehungen an der Universität Tel Aviv. Sie begann ihre berufliche Laufbahn  beim Israel Law Center, später war sie Direktorin der israelischen Nachrichtenagentur TPS.