Kinder werden zum Kanonenfutter? Eltern laufen Sturm gegen Rückkehr der Wehrpflicht
Die Debatte um die Wehrdienstreform bringt Bewegung in die deutsche Gesellschaft – und Unruhe in viele Familien. Während die Bundesregierung über neue Modelle einer Wehrpflicht diskutiert, wächst unter Eltern die Sorge, dass ihre Kinder bald in den Krieg ziehen müssen.
Das Denkmal des kleinen Aufständischen (Pomnik Malego Powstanca) zum Gedenken an die Kindersoldaten des Warschauer Aufstands von 1944, gesehen entlang der Verteidigungsmauern der Warschauer Altstadt, in Warschau, Polen, am 15. August 2025.GETTYIMAGES/NurPhoto
Die Zahl jener Deutschen, die sich über Wege zur Kriegsdienstverweigerung informieren, steigt sprunghaft an. Besonders auffällig: Immer häufiger sind es Eltern, die sich an Beratungsstellen wenden, um Klarheit über die rechtliche Lage zu erhalten.
„Wir werden gerade nahezu überflutet von Anfragen“, erklärte Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFGVK), gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Allein im September habe die Website der Organisation über 125.000 Aufrufe verzeichnet – ein deutlicher Anstieg gegenüber 55.000 im August und 24.000 im Mai. „Darunter sind mittlerweile ein Viertel besorgte Eltern. Ihr Anteil wächst“, so Schulze von Glaßer. Zudem gebe es „einen kleinen Mitgliederaufschwung“.
Diese Entwicklung zeigt, wie tief das Misstrauen gegenüber der geplanten Reform sitzt. In Zeiten, in denen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) über mögliche Losverfahren und Pflichtmusterungen diskutiert, wächst bei vielen Familien der Eindruck, dass die Regierung auf eine schleichende Reaktivierung der Wehrpflicht zusteuert – unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit.
„Über unsere Köpfe hinweg entschieden“
Auch junge Menschen selbst fühlen sich übergangen. Viele kritisieren, dass über ihre Zukunft diskutiert werde, ohne sie einzubeziehen. Die Idee eines Losverfahrens, das bei zu wenigen Freiwilligen greifen soll, sorgt für Unmut. „Gerade werde über unsere Köpfe hinweg entschieden“, heißt es ZDF-Medienberichten zufolge aus Jugendkreisen.
Eine Gesellschaft zwischen Friedenssehnsucht und Aufrüstungskurs
Die zunehmende Nachfrage nach „Kriegsdienstverweigerungsberatungen‟ zeigt, dass viele Menschen in Deutschland den neuen militaristischen Ton der Politik skeptisch sehen. Nach Jahrzehnten des Friedens und des Abbaus der Wehrpflicht empfinden viele Bürger den aktuellen Kurs als Rückschritt – als Versuch, militärisches Denken wieder gesellschaftsfähig zu machen.
Dass Eltern, empfindlich auf die neue Rhetorik reagieren, ist verständlich. Sie wollen nicht, dass ihre Kinder – kaum erwachsen – in einem geopolitischen Machtspiel aufgerieben werden, bei dem der Westen ein Konflikt mit Russland heraufbeschwört.
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