Seit dem schrecklichen Schulmassaker in Graz überschlagen sich Politiker, Experten und Medien mit Rufen nach härteren Waffengesetzen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen will prüfen lassen, „ob das Waffengesetz geändert werden muss“. Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) fordert sogar ein generelles Verbot von Schusswaffen für Privatpersonen.

Passend dazu trommelt auch der SPÖ-nahe Politblog Kontrast.at, herausgegeben vom SPÖ-Parlamentsklub*, für drastische Verschärfungen. Dort heißt es: „Strengere Waffengesetze führen zu weniger Gewaltdelikten.“ Belege bleibt man jedoch schuldig.

So viele Waffen wie fast nirgends

Kontrast.at zeichnet ein dramatisches Bild: „Fast nirgends in der EU kommt man so leicht an eine Waffe wie in Österreich.“ Rund 2,5 Millionen Schusswaffen sollen laut einer Schätzung des Small Arms Survey von 2018 im Umlauf sein – registrierte und illegale zusammengezählt. In Österreich gibt es demnach etwa 30 Waffen pro 100 Einwohner, in Deutschland und Frankreich nur 19 bis 20. Kurz: Österreich sei ein Eldorado für Waffenbesitzer, mit EU-weit besonders laxer Gesetzeslage und mangelhafter Kontrolle.

Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) will eine deutliche Verschärfung des Waffengesetzes in die Wege leiten: „Wir werden den Zugang zu Waffen für bestimmte Personengruppen deutlich einschränken und den Erwerb von Waffen erschweren.“APA/MAX SLOVENCIK

Richtig ist: Der legale Waffenbesitz stieg seit 2015 kräftig. Laut Innenministerium sind heuer 1.518.873 Waffen registriert – verteilt auf 374.141 Personen. Das ergibt 17 legale Waffen pro 100 Einwohner.

Die verdrängte Kriminalitätsstatistik

Worüber fast niemand spricht: Wie wirkt sich der wachsende Waffenbesitz auf die Verbrechensrate aus? Überraschend: Die Zahl der Gewalttaten mit Schusswaffen hat sich im  vergangenen Jahrzehnt fast halbiert: 2014 wurden mehr als 672 Fälle registriert, 2024 waren es nur noch rund 352.

Parallel dazu stieg die Zahl der registrierten Waffenbesitzer um mehr als 120.000 – von rund 250.000 (2015) auf über 370.000 (2025).

(Wenn das Innenministerium „registrierte Waffen“ ausweist, meint es praktisch nur Schusswaffen. Andere Waffen, wie Messer, Schlagringe, Baseballschläger etc., sind nicht registrierungspflichtig.)

Bundeskriminalamt/KI generiert

Auch der Anteil der Schusswaffen an allen Gewaltdelikten ging zurück – von 17,7 Prozent (2015) auf knapp 10 Prozent (2024).

Ganz anders sieht es bei Messern aus: 2015 wurden 64 Prozent aller Gewaltverbrechen mit Stichwaffen begangen, 2024 waren es bereits 73,3 Prozent. Messer sind damit mit Abstand die häufigste Tatwaffe.

Bundeskriminalamt/Screenshot

Das Sicherheitsgefühl sinkt – die Tresore füllen sich

Offensichtlich kaufen sich immer mehr Österreicher Schusswaffen, um sich sicherer zu fühlen – nicht, um sie einzusetzen. Dass das Sicherheitsgefühl sinkt, wie auch eine neue Studie des Verbandes der Sicherheitsunternehmen Österreichs (VSÖ) zeigt: 84 Prozent der Befragten fühlen sich grundsätzlich sicher. 55 Prozent meinen aber, dass sich die Sicherheitslage in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert hat. Besonders in Wien liegt das subjektive Sicherheitsgefühl mit 75 Prozent deutlich unter dem Landesschnitt von 87 Prozent.

Auffällig: Nach der Migrationskrise 2015 und nach Terroranschlägen wie zuletzt in Villach berichten Waffenhändler von stark steigenden Verkaufszahlen. Die VSÖ-Studie hat den Zusammenhang aber nicht her.

Mehr private Schusswaffen in Österreich: Sicher im Tresor verwahrt – die Zahl der Waffendelikte sinkt trotzdem.GETTYIMAGES/Dmitri Toms

Mehr Sicherheit statt Waffenverbot

Die Österreicher fühlen sich unsicherer und schaffen sich daher immer mehr Waffen an – nutzen sie aber nicht, schon gar nicht für Verbrechen. Darauf deuten die Zahlen hin. Die Debatte blendet diesen Zusammenhang bislang aus.

Verbesserungen im Waffengesetz sind selbstverständlich überlegenswert. Doch klar ist auch: Legale Waffenbesitzer sind nicht die Täter, vor denen man sich fürchten muss. Vielleicht würde ein besseres Sicherheitsgefühl im Alltag den privaten Waffenbesitz eher senken als strengere Gesetze.

* In einer früheren Version haben wir die Arbeiterkammer fälschlicherweise als Herausgeberin des Politblogs Kontrast.at genannt – dies wurde korrigiert.