Nach annullierter Rumänien-Wahl: Influencer widersprechen Geheimdienstbericht
Ungeheurer Vorgang in einem EU-Land ganz in der Nähe: Nachdem ein Geheimdienstbericht von Rumäniens Präsidenten Klaus Johannis freigegeben wurde, änderten die Verfassungsrichter plötzlich ihre Ansicht: Die erste Wahlrunde der Präsidentschaftswahl in Rumänien wurde annulliert. Ein Text von Zara Riffler (Nius).
Denn der als pro-russisch geltende rechtskonservative Politiker Călin Georgescu errang überraschend einen Erdrutschsieg – womöglich erreichte er wegen seiner Beliebtheit auf TikTok viele junge Rumänen. Die deklassifizierten Geheimdienstinformationen zu Georgescus Wahlkampf sollen angeblich beweisen, es hätte durch Tausende gesteuerte Konten eine Wahlbeeinflussung auf der Onlineplattform gegeben, es ginge auch um gesteuerte Accounts aus Russland.
Mehrere rumänische Influencer, die im Geheimpapier als Kampagnen-Unterstützer namentlich beschuldigt werden, widersprechen den Vorwürfen nun gegenüber NIUS.
Das steht in dem Skandal-Bericht
In dem Geheimdokument wird auf sechs Seiten behauptet, dass Călin Georgescus Beliebtheitsanstieg durch eine „koordinierte Kampagne zur Steigerung der Popularität“ bestimmt wurde. Das Wahlergebnis würde nicht mit vorherigen Meinungsumfragen von befragten Rumänen zusammen passen, so die Argumentationslinie. Diese Kampagne wäre „insbesondere auf der Plattform TikTok“ lanciert worden und hätte „ihm den Sieg in der ersten Runde mit 22,94 Prozent sichern konnte.“
Demnach sei die Kampagne auf TikTok über mehrere koordinierte Konten gelaufen, „die aktiv Wahlinhalte veröffentlichten, sowohl mithilfe von Algorithmen als auch durch bezahlte Werbung.“ Konkret hätte es sich dabei zwei Wochen vor der Wahl um 25.000 Konten gehandelt. Die Geheimdienstler nennen einen Telegram-Account („@propagatorcg“), der andere Nutzer koordinierte und ihnen „klare Anweisungen“ (z.B. zu Emojis, Hashtags, Videos, Fotos) gab.
Geheimbericht wirft Influencern Georgescu-Werbung vor
Merkwürdig: Der Bericht (Seite 3) benennt nicht nur mutmaßliche Fake-Nutzer – sondern echte Personen, die als Belege für eine gesteuerte Wahlkampagne um den Kandidaten Georgescu dienen sollen. „Bei der Werbetätigkeit von Călin Georgescu wurde ein umfangreiches Netzwerk von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit hoher Bekanntheit auf der TikTok-Plattform (Influencer) genutzt.“
Der Vorwurf hier: Über diese Personen hätte er seine Kampagne „direkt“ durch öffentliche Unterstützung und „indirekt“ durch scheinbar neutrale Posts beworben, die jedoch „Tags“ enthielten, die mit Georgescu in Verbindung standen.
Angeblich hätten „einige von ihnen“ „absichtlich nicht die Werbung als bezahlt markiert“, heißt es weiter.
Dann wird darunter eine Liste an Account-Namen von Influencern – ungeschwärzt – angezeigt, die sich FÜR Călin Georgescu auf der Social-Plattform TikTok ausgesprochen haben.
Brisant: Dies hinterlässt den Eindruck, als wolle man diese Personen durch eine namentliche Veröffentlichung nahezu diskreditieren. Denn sie werden in einen Zusammenhang von möglicher gezielter oder gezahlter Kampagnen-Werbung für einen Präsidentschaftskandidaten gebracht. Sie alle sind jetzt für immer Teil eines Wahl-Skandals.
„Ich habe Georgescu aus freien Stücken unterstützt!“
NIUS konfrontierte mehrere dieser im Geheimpapier genannten Influencer mit den Vorwürfen.
Der rumänische TikTok-Influencer Zidaru Virgil Alexandru, auch bekannt unter dem Namen Makaveli, sagte zu NIUS: „Ja, ich habe Georgescu unterstützt. ABER: Das habe ich aus völlig freien Stücken gemacht.“
Weiter sagt der Rumäne Alexandru: „Ich wurde nicht dafür bezahlt. Auch wurde ich nicht von jemandem dazu beauftragt oder anderes. Nichts dergleichen.“ Makaveli hat auf TikTok („makaveli.oficial“) mehr als 195.600 Follower.
Bedeutet also: DIESER Influencer landete offenbar völlig unschuldig in einem Geheimdienstbericht, der für die Öffentlichkeit ungeschwärzt freigegeben wurde.
„Ich habe für ihn geworben, weil MIR sein Denken gefällt!“
Der TikTok-Account von dem Politiker Călin Georgescu hat mittlerweile mehr als eine halbe Million Follower und 6,4 Millionen Likes. In dem Geheimdienstbericht finden sich keine handfesten Beweise, dass Georgescu in irgendeiner Form an einer TikTok-Werbekampagne oder mit der Hilfe Russlands aktiv beteiligt war. Es sind aneinander gereihte Verdächtigungen, in die nun rumänische Influencer ganz offensichtlich wegen ihrer persönlichen politischen Meinung verwickelt werden.
Ein anderer betroffener Influencer streitet im Gespräch mit NIUS ebenfalls die Vorwürfe gegen ihn ab. Der bekannte rumänische Unternehmer Calin Donca sagt: „Ich habe es nicht nötig, Geld zu verdienen – ich bin einer der reichsten Menschen in Rumänien. ICH habe für Călin Georgescu geworben, weil MIR sein Denken gefällt!“
Ein Tag nach dem Gespräch war der Account von Calin Donca plötzlich nicht mehr auf TikTok in Deutschland zu finden.
„Ich hatte nicht mal den Namen von Călin Georgescu erwähnt“
Ein anderer im Bericht genannter Influencer, der mit NIUS sprach, möchte nicht namentlich genannt werden – zu groß ist die Angst vor Konsequenzen. „Ich möchte keine Probleme kriegen.“
Auch dieser TikToker erklärt, dass er NICHT bezahlt wurde und auch nicht Teil irgendeiner gesteuerten Kampagne gewesen wäre. Der TikTok-Influencer sagt: „Ich habe keinen Wahlkampf für Georgescu gemacht. Das sieht man auch eindeutig auf meinem TikTok-Profil. Generell habe ich für niemanden Wahlkampf gemacht“.
Weiter erzählt der Social-Media-Influencer: „Es war einfach so: Ich habe vor langer Zeit ein Angebot bekommen, ein Video zu machen, in dem ich die Leute auffordere, sorgfältig abzustimmen und einen fähigen Präsidenten zu wählen. Und ich fand das interessant, das OHNE Geld zu tun! Weil ich die Idee für Social Media einfach interessant finde. In dem Video habe ich nicht mal einen Namen eines Kandidaten genannt. Nur habe ich gesagt, dass wir eben einen fähigen, patriotischen Präsidenten wählen sollten. Jetzt haben sie mich auf die Liste in einem Geheimdienstbericht gesetzt, weil ich angeblich Wahlkampf für Călin Georgescus gemacht haben soll. Offenbar ist das jetzt Rumänien …“
„Wollte einfach nur den Rumänen sagen, sie sollen wählen gehen.“
Die rumänische Influencerin Corina Ciriblan sagt im Gespräch mit NIUS, dass die Anschuldigungen im Geheimdienstdokument nicht stimmen. „Das stimmt nicht!“
Sie erklärt: „Es war zwar ein bezahltes Video, aber nicht von Georgescu und nicht für Georgescu. In dem Briefing wurde er niemals erwähnt. Es war einfach nur ein Video, um meine Community aufzufordern, wählen zu gehen – egal wen. Ich hätte auch die Menschen aufgefordert wählen zu gehen, wenn ich nicht bezahlt worden wäre. Denn ist es nicht das, was wir alle tun sollten?“
Darüber, dass sie plötzlich in einem geheimen Papier – namentlich – steht, ist sie schockiert. „Ich weiß wirklich nicht, warum sie eine Verbindung zwischen mir, meinem Video und Georgescu hergestellt haben. Und außerdem wurde ich von niemandem offiziell von den Sicherheitsbehörden kontaktiert oder informiert.“ Sie stellt die Frage, ob dies tatsächlich ein „normale Verfahren“. „Ich denke, ein offizielles ‚streng geheimes‘ Dokument sollte doch anders behandelt werden“, so die Tiktokerin Ciriblan.
Die Influencerin meint: „Ich wollte einfach nur den Rumänen sagen, sie sollen wählen gehen.“
Auf TikTok schreibt die betroffene Influencerin Cerasela Maria: „Zum Glück wurde ich nicht auf TikTok gesperrt. Ich habe ihn aus Überzeugung unterstützt – und werde ihn weiterhin unterstützen, egal wie viele Angriffe ich erhalte. Ich warte auf die Beweise, die man gegen mich vorbringen will.“
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