Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP hat Bundespräsident Van der Bellen erneut jene Parteien an den Verhandlungstisch geholt, die bereits über 100 Tage miteinander gesprochen, Zeit vergeudet und schließlich krachend gescheitert sind. In einem Interview mit FPÖ-TV hat der ehemalige deutsche Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen die aktuelle politische Lage rund um die Regierungsverhandlungen in Österreich scharf kritisiert.

Regierungssituation in Österreich: „In keiner Weise demokratisch“

Die derzeitige Regierung sei ohne jegliche demokratische Legitimation im Amt, so Maaßen, der von 2012 bis 2018 unter Angela Merkel (CDU) Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Deutschland war. „Nehammer ist zurückgetreten, und nun gibt es eine neue Regierung, die noch weniger Legitimation hat. Der ÖVP scheint das ganz recht zu sein”, erklärte er. Er kritisierte zudem die fehlende Ernsthaftigkeit der ÖVP in den Koalitionsverhandlungen.

Die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sind gescheitert. Laut Maaßen habe die ÖVP nie ernsthaft verhandelt.APA/AFP/ALEX HALADA

Laut Maaßen sei es „in keiner Weise demokratisch“, Verhandlungen nicht ernsthaft zu Ende zu führen. Er unterstellte der ÖVP, von Anfang an mit der Absicht in die Gespräche mit der FPÖ gegangen zu sein, diese bewusst scheitern zu lassen. „Am Ende konnte man dann sagen, es lag an der FPÖ, und die ÖVP kann nun doch mit den Linken koalieren.“ Diese Strategie sei bereits im Vorfeld absehbar gewesen. „Das könnte ich mir vorstellen, war der eigentliche Dreh der ganzen Sache.“ Die ÖVP habe lediglich vorgetäuscht, ehrlich bereit zu sein, Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ zu führen, um „nachher sagen zu können: ‚Ging nicht, deswegen machen wir es doch mit den Roten‘“, so Maaßen.

„Ein Kanzleramt ohne Fachministerien ist machtlos“

Viele Menschen hätten ein mangelndes Verständnis über die politischen Abläufe. Maaßen betonte, dass ohne die Kontrolle der Fachministerien keine tiefgreifenden Reformen umgesetzt werden könnten: „Der Kanzler kann die Richtlinien der Politik vorgeben, aber entscheidend sind die Fachminister. Besonders im Bereich Migration ist das Innenministerium von zentraler Bedeutung. Ein Innenminister kann Abschiebungen erhöhen, Einbürgerungen erschweren und Zurückweisungen an der Grenze anordnen.“

Aus seiner Sicht sei es nachvollziehbar, dass Herbert Kickl auf das Innenministerium bestanden habe. „Aus deutscher Perspektive besteht die ÖVP im Grunde von einer ‚Weiter so‘-Politik“. Ein ÖVP-Innenminister würde an der bisherigen Linie festhalten, wodurch die FPÖ ausgebremst würde, so Maaßen. „Ohne das Innenministerium kann die FPÖ keine Wende in der Migrationspolitik einleiten, das wäre den Wählern nicht zu vermitteln.“ Damit hätte Kickl die Wähler enttäuscht, die sich von der FPÖ eine neue Migrations- und Sicherheitspolitik erwarten. „Mit einem ÖVP-Innenminister wäre das nicht zu machen“, ist Maaßen überzeugt.

Maaßen skeptisch zu Deutschland: „Mit Merz keine Wende möglich“

Auch mit Blick auf die politische Zukunft Deutschlands zeigte sich Maaßen wenig optimistisch. „Ich mache mir wenig Hoffnungen. Wahrscheinlich läuft es auf eine Koalition von Merz mit SPD und Grünen hinaus. Vielleicht muss das erst passieren, damit es nach ein oder zwei Jahren Neuwahlen gibt und dann eine echte Politikwende möglich wird. Denn mit Merz ist eine Wende in Deutschland nicht zu machen.“