
Nur 57 Prozent der Jugend für Demokratie – Europa am Abgrund?
Europas Jugend geht eigene Wege: Nur gut die Hälfte hält Demokratie für die beste Staatsform – jeder Fünfte ist offen für autoritäre Regierungen. Die Zustimmung zur EU bröckelt, Kritik an Migration wächst, der Glaube an Europas Stärke schwindet. Ein Kontinent zwischen Spaltung, Misstrauen und Systemkrise.
Die jüngste Umfrage der TUI-Stiftung zur Jugend Europas liefert Zahlen, die alarmieren: Nur 57 Prozent der jungen Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in sieben europäischen Ländern halten die Demokratie für die beste Regierungsform. Ganze 21 Prozent sind sogar offen für autoritäre Regime – unter bestimmten Umständen.
In Deutschland ist das Vertrauen in die Demokratie mit 71 Prozent noch vergleichsweise hoch. Doch in Polen, wo die Zustimmung auf 48 Prozent gesunken ist, zeigt sich eine gefährliche Entwicklung. „Wenn 57 Prozent der jungen Europäerinnen und Europäer angeben, dass sie die Demokratie jeder anderen Regierungsform vorziehen – dann bedeutet das eben auch, dass viele von ihnen nicht 100 Prozent hinter der Demokratie stehen“, warnt der Politikwissenschaftler Thorsten Faas gegenüber der Welt.
Europa? Ja, aber...
Zwar sagen 59 Prozent, dass sie sich zumindest teilweise als Europäer fühlen – die meisten in Deutschland, Italien und Spanien. Doch in Frankreich (nur 30 Prozent) und Polen (48 Prozent) sehen sich viele in erster Linie als Angehörige ihres Nationalstaats. Die einst gefeierte „europäische Identität“ bekommt Risse.
Und die Zustimmung zur EU? 66 Prozent sagen, die EU-Mitgliedschaft ihres Landes sei gut – in Deutschland sind es sogar 80 Prozent. Doch auf den zweiten Blick offenbart sich Skepsis: Mehr als die Hälfte (53 Prozent) meint, die EU kümmere sich zu sehr um „Kleinigkeiten“, statt die „wirklich wichtigen Dinge“ anzugehen.
Rechtsruck, Gender-Gap und Migrationskritik
Die Umfrage offenbart auch politische Bewegungen: Immer mehr junge Menschen ordnen sich rechts der Mitte ein. Der Anteil ist von 14 Prozent (2021) auf 19 Prozent (2025) gestiegen. Zwar bleibt das politische Spektrum gespalten – 33 Prozent Mitte, 32 Prozent links – doch der Trend ist eindeutig: Die politische Landschaft der Jugend wird polarisiert.
Besonders brisant: Der Gender-Gap wächst. Junge Frauen in Deutschland, Frankreich und Italien sind progressiver geworden, während junge Männer in Polen und Griechenland konservativer auftreten als noch vor vier Jahren.
Auch die Migration wird kritischer gesehen: Der Anteil derer, die Zuwanderung stärker beschränken wollen, ist von 26 auf 38 Prozent gestiegen. Gleichzeitig verliert der Klimawandel an Dringlichkeit – nur noch 32 Prozent wollen ihn auch auf Kosten des Wirtschaftswachstums bekämpfen (2021: 44 Prozent).
Gefährdete Demokratien und geopolitischer Bedeutungsverlust
Gerade einmal sechs Prozent der Jugendlichen glauben, das politische System ihres Landes funktioniere gut. Fast die Hälfte (48 Prozent) hält die Demokratie im eigenen Land für gefährdet – in Deutschland sogar 61 Prozent.
Noch ein beunruhigender Befund: Die EU verliert an weltpolitischem Gewicht. Nur 42 Prozent der Jugendlichen zählen sie zu den drei mächtigsten Akteuren der Welt – weit abgeschlagen hinter den USA (83 Prozent), China (75 Prozent) und sogar Russland (57 Prozent).
Was fordern die jungen Europäer? Wirtschaftswachstum (35 Prozent), mehr Zusammenhalt in der EU (34 Prozent), stärkere Verteidigungsausgaben (20 Prozent) und weniger Bürokratie (13 Prozent).
Kommentare