„Nur ein Einzelfall“? ORF-Beitragsstelle verharmlost Skandal – der Chef muss gehen
Erst zahlreiche Berichte des exxpress, dann das Gerichtsurteil, zuletzt der Rücktritt: Nun steckt die ORF-Beitragsstelle in der Krise. Weil sie Bescheide ohne gültige Unterschrift verschickte, erklärte das Bundesverwaltungsgericht diese für nichtig. Nun muss der Geschäftsführer gehen – offiziell spielt man das Problem herunter.
ORF-Beitragsservice in der Kritik: Nach dem Gerichtsurteil folgt der Rücktritt an der Spitze.IMAGO/IMAGO
Ein Bescheid ohne gültige Unterschrift ist nichtig – das stellte das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig fest, wie der exxpress berichtete. Statt einer Unterschrift hatte die ORF-Beitrags Service GmbH (OBS) in mutmaßlich tausenden Fällen nur eine Paraphe – also ein handschriftliches Kürzel – verwendet. Die Folge: Der Bescheid ist unwirksam. Wer bei der OBS die Feststellung seiner Beitragspflicht beantragt und anschließend einen solchen „Paraphenbescheid“ erhalten hat, ist nicht zur Zahlung verpflichtet.
Nur wenige Tage nach dem Urteil wurde bekannt: OBS-Geschäftsführer Alexander Hirschbeck muss seinen Posten räumen. Die neue Leitung übernimmt interimistisch Bettina Parschalk, bisher für den ORF-Kundendienst zuständig. Ein Zufall? Wohl kaum.
Führungswechsel als Reaktion auf massive Kritik
Am Dienstag wurde die Ablöse Hirschbecks offiziell bekannt. Begründet wird sie mit dem Ziel, künftig „kundenorientierter“ zu agieren, sowie mit der Beschwerdeflut von rund 100.000 Beitragszahlern. Doch der zeitliche Zusammenhang mit dem jüngsten Gerichtsurteil ist auffällig – zu auffällig, um ihn als Nebensächlichkeit abzutun.
Ausgelöst wurde die Causa vom Jus-Studenten Lucas Ammann, der sich im Frühjahr juristisch gegen einen fehlerhaften Gebührenbescheid der ORF-Tochter gewehrt hatte – vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Gerold Beneder. Der Bescheid war lediglich paraphiert, nicht unterschrieben. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte ihn deshalb für nichtig. Die OBS verzichtete auf eine Revision – das Urteil ist rechtskräftig und hat Signalwirkung.
Ammann selbst wertet den Rücktritt als persönlichen Erfolg. Auf seinem Blog schreibt er: „Das Engagement zeigt Wirkung: Nach heftigem Druck muss der vielkritisierte OBS-Geschäftsführer gehen.“ Er verweist zudem auf politische Reaktionen: Der ORF-Stiftungsrat habe bereits Verbesserungen eingefordert, und auch in der Regierung mehren sich die Stimmen für eine Reform des ORF-Beitragsgesetzes.
Die Affäre ist damit längst über das Juristische hinaus zu einem medienpolitischen Thema geworden.
Anwalt: Auch im Juli wurden ungültige Bescheide verschickt
Doch die ORF-Tochter will von einer breiten Wirkung nichts wissen. Gegenüber dem Kurier spielte sie alles herunter und sprach von einer „Einzelfallentscheidung“. Auch der ORF selbst erklärte: Das Problem sei längst behoben, Bescheide würden mittlerweile digital amtssigniert.
Mag. Beneder widerspricht. Im Gespräch mit dem exxpress betont er, dass auch im Juli 2025 Bescheide mit bloßer Paraphe bei seinen Mandanten eingelangt seien. In seinem aktuellen YouTube-Video sagt er: „Diese Bescheide sind absolut nichtig und entfalten keine Rechtswirkung.“ Ein Rechtsmittel auf Grundlage eines solchen Schriftstücks sei unzulässig, Mahnspesen und Vollstreckungen rechtswidrig. Auch eine Zahlungspflicht bestehe nicht.
Neue Bescheide – mit fragwürdiger Unterschrift
Hinzu kommt: Die jüngsten Bescheide sind zwar unterzeichnet – aber nicht vom Geschäftsführer, sondern von Mag. Doris Vogelsinger, einem Mitglied des OBS-Aufsichtsrats. Beneder hält fest: „Frau Mag. Vogelsinger ist laut Firmenbuch nicht zeichnungsberechtigt. Sie möge bitte darlegen, warum sie dennoch Bescheide unterfertigt.“
Das Pikante: Vogelsinger ist gleichzeitig Pressesprecherin der OBS. Auf eine entsprechende Presseanfrage des exxpress reagierte sie nicht. Ob mittlerweile ausschließlich gültig unterzeichnete oder amtssignierte Bescheide verschickt werden, wollte die OBS ebenso wenig beantworten wie die Frage, wie viele fehlerhafte Bescheide seit 2023 insgesamt versendet wurden.
Für Mag. Beneder ist klar: „Die OBS versucht, die Tragweite des Urteils kleinzureden – doch es geht nicht um Formalitäten, sondern um tausende rechtswidrige Bescheide.“ Der Fall ist damit nicht abgeschlossen – und dürfte sowohl die Justiz als auch die Politik noch länger beschäftigen.
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