Was jahrzehntelang als „nationale Sicherheitsfrage“ galt und daher als Tabu behandelt wurde, ist jetzt Teil des großen Klima-Plans: Die EU fordert mehr Transparenz bei den CO2-Emissionen des Militärs. Hintergrund ist der sogenannte Erweiterte Transparenzrahmen (ETF), der seit Ende 2024 für alle Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens gilt – also auch für europäische NATO-Staaten.

Damit werden erstmals die bisher verschwiegenen Treibhausgas-Emissionen von Armeen öffentlich sichtbar werden. Diese machen laut Schätzungen bis zu 5,5 Prozent der globalen Emissionen aus – etwa so viel wie der gesamte internationale Flug- und Schiffsverkehr.

Künftig klimaneutrale Bomben?

Die Brüsseler Klimakommissare sehen offenbar auch im Krieg noch Verbesserungspotenzial für das Klima: Die Streitkräfte sollen – neben mehr Budget – künftig auch eine bessere CO2-Bilanz vorweisen. Wer bisher dachte, Kriege seien ohnehin schon schlimm genug, erlebt jetzt die nächste Eskalationsstufe – politisch korrekt und emissionsfrei: Die Armeen der EU-Staaten erklären auch dem Klimawandel den Krieg.

Müssen wir uns also bald auf klimaneutrale Bomben, grüne Munition und Solarpanzer einstellen?

„Grüner Nachschub für die Front?“ – Von der Leyen, Selenskyj und Rutte beim NATO-Gipfel zur Verteidigungsindustrie in Den Haag. APA/AFP/ANP/JONAS ROOSENS

Saubere Schlachtfelder, grüne Raketen

Was wie ein politisches Kabarett klingt, ist Realität. Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin oder Thales haben sich zu Netto-Null-Zielen verpflichtet. Parallel dazu testen einige Armeen den Einsatz von Solaranlagen, Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen – etwa zur Versorgung entlegener Stützpunkte. Experten betonen dabei taktische Vorteile: elektrische Geräte seien leiser und gäben keine Wärmesignatur ab.

Der nächste Schritt? Raketen vom Wind getragen – vom Winde verweht.

Von der Leyens grüne Wende – und der Ukraine-Krieg

Als Ursula von der Leyen 2019 erstmals Kommissionspräsidentin wurde, setzte sie voll auf die grüne Wende: Mit dem „European Green Deal“ sollte Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Klimaschutz war das Leitmotiv – über alle Politikbereiche hinweg.

Dann kam der russische Angriff auf die Ukraine. Plötzlich standen Aufrüstung, Energieversorgung und Sicherheitspolitik im Vordergrund. Klimathemen rückten in den Hintergrund – und wurden teils als hinderlich empfunden. Jetzt versucht Brüssel offenbar die Quadratur des Kreises: Aufrüstung und CO2-Neutralität sollen gleichzeitig erreicht werden.

Green Deal fürs Gefechtsfeld? Ursula von der Leyen beim NATO-Gipfel. Brüssel will künftig auch militärische Emissionen erfassen – mitten im Ukraine-Krieg.APA/AFP/NICOLAS TUCAT

Riskantes Experiment: Was bedeutet das für Kiew?

Die Kombination von Klimapolitik und Kriegsführung könnte für die Ukraine zur doppelten Herausforderung werden: Wenn militärische CO2-Bilanzen wirklich zählen, könnten Waffenlieferungen oder Rüstungsprojekte künftig rechtlich erschwert werden. Die Vergrünung des Militärs könnte den Aufbau der ukrainischen Armee verkomplizieren oder verteuern.

Brüssel könnte durch neue Auflagen ungewollt Selenskyjs Spielraum einschränken, gerade im Abwehrkampf gegen die völkerrechtswidrige Invasion Russlands. Mit anderen Worten: Was als idealistische Klimapolitik beginnt, könnte am Ende in der Realität des Krieges zur Falle für Verbündete werden.

Weniger Emissionen, mehr Kontrolle

Kritiker halten die Maßnahme für überfällig – nicht wegen der Panzer, sondern wegen der Intransparenz. Im Kyoto-Protokoll von 1997 ließ sich etwa die USA ein Schlupfloch einbauen, das es erlaubte, militärische Emissionen von den nationalen Klimazielen auszunehmen. Dieses wurde im Pariser Abkommen zwar theoretisch geschlossen, die CO2-Berichterstattung blieb aber freiwillig. Mit dem neuen ETF dürfte sich das ändern – zumindest auf dem Papier.

Der Trend geht zur grünen Kriegsführung. Vielleicht wird bald nicht mehr nur gezählt, wie viele Panzer ein Land hat, sondern wie viel CO2 sie dabei ausstoßen? Luftschläge müsste dann nicht nur präzise, sondern auch klimaschonend ausgeführt werden.