Nur zehn Tage für 35.616 Einwände: Impfpflicht-Gesetz vor dem Scheitern
Mit der gesetzlich verordneten Impfpflicht könnte sich die Regierung in ein Schlamassel hineintheatert haben. Denn die Beschwerden nehmen kein Ende. Woche für Woche, Tag für Tag, und Stunde für Stunde treffen neue Stellungnahmen gegen den Gesetzesentwurf auf der Website des Parlaments ein. Auch in den weihnachtlichen Feiertagen ist nicht Schluss.
Bis 25. Dezember 12.00 Uhr sind insgesamt 35.616 Beschwerde-Stellungnahmen eingetroffen. Bis 9. Jänner dürften es noch mehr werden, und bis dahin hat die Regierung Zeit, sich mit den bisherigen Einwänden auseinanderzusetzen. Geht sich das überhaupt aus?
3562 Stellungnahmen pro Tag durcharbeiten
Zehn Arbeitstage verbleiben der Regierung noch bis 9. Jänner 2022. Bis dahin dauert die Begutachtungsfrist. Selbst wenn bei den bisherigen Stellungnahmen plötzlich Schluss sein sollte und auf einmal keine weiteren eintreffen, müssten die zuständigen Beamten im Gesundheitsministerium 3561 Stellungnahmen pro Tag durcharbeiten, sprich: 445 pro Stunde bzw. mehr als sieben pro Minute. Das ist “sportlich”. Im Übrigen dürfte die Beschwerdeflut nicht plötzlich abreißen. Im Gegenteil: Sollte sie mit dem bisherigen Tempo weitergehen, wird sich die Anzahl der Stellungnahmen bis zum 9. Jänner noch verdoppeln. . .
Nun könnte die Regierung eventuell alle Argumente wegwischen und ignorieren – was aber bei einem so brisanten Gesetz verfassungsrechtlich hochproblematisch ist. Andererseits wird ihr auch die Auseinandersetzung mit den einzelnen Argumenten nicht leicht fallen, natürlich wegen ihrer Menge, aber nicht nur deshalb.
Die Regierung wird unter anderem die "chaotische Datenlage" vorgehalten
Viele Stellungnahmen beklagen nämlich bisherige Versäumnisse der Corona-Politik, die eine Rechtfertigung der Impfpflicht erschweren. Man fragt sich, wie die Politik Probleme im Corona-Management nun, nach fast zwei Jahren, mit einem Schlag lösen will. Zahlreiche Einwände kritisieren etwa die ungenügende Datenlage bei Covid-Patienten und Impfstatus. Das Chaos bei den Patienten-Zahlen wurde schon in der Vergangenheit mehrfach von Statistiker beklagt – der eXXpress berichtete: Täglich werden die neuen Covid-Fälle in den Spitälern und den Intensivstationen gemeldet, nicht jedoch, wie viele davon geimpft sind, sagen sie. Es gibt zwar eine Studie der Ages und Auswertungen aus Wien, aber die nackten Zahlen scheinen nirgendwo transparent auf. Weder Gesundheitsministerium, noch Bundesländer scheinen bisher darin ein Problem gesehen zu haben.
Die Einwände sind im Einzelnen natürlich von unterschiedlicher Qualität, und manche Argumente wiederholen sich auch. Allerdings sind einige Stellungnahmen auch sehr professionell, konkret und umfassend, sie bestehen dann meistens aus einer ganzen Liste von Argumente. Das gilt etwa für die Einwände der “Partei zur nachhaltigen Neuorientierung in Politik und Gesellschaft” und des Gesundheitsmediziners Martin Sprenger aus Graz.
Im Folgenden einige der bisherigen Hauptargumente im Überblick:
Unzählige Einwände
Gelindere Maßnahmen wurden bisher nicht ausgeschöpft. Impfpflicht kann aber nur das letzte Mittel sein.
Die Verhältnismäßigkeit werde im Gesetzestext nicht einmal begründet.
Sämtliche Anstrengungen um auf anderem Weg die Impfquote zu steigern, seien nicht unternommen worden, etwa vertrauensbildende Maßnahmen, wie von der OECD empfohlen.
WHO, UNO, Europarat und Gesellschaft der Biotechnologie seien gegen eine Impfpflicht bzw. warnten vor einer Impfpflicht.
Im Gesetzesentwurf fehlten messbare und erreichbare Ziele innerhalb eines bestimmten Zeithorizonts.
Die Zahlen der Ages (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) betreffend infizierte Geimpfte fehlten.
Ebenso fehle es an Transparenz betreffend die Nebenwirkungen.
Eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz der geplanten Impfpflicht mit Blick auf die Nebenwirkungen sei nicht vorgelegt worden.
Es müssten laufend Erkenntnisse über Virus und Impfung revidiert werden.
Es sei unklar, wie viele Auffrischungen nötig sein werden.
Ungeimpfte würden kriminalisiert und nicht mehr gleich behandelt. Ungeimpfte Jugendliche zwischen 14 und 18 werden straffällig.
Der Gesetzesentwurf umfasse sowohl Österreicher, die im Ausland leben, als auch Ausländer, die einen angemeldeten Wohnsitz in Österreich haben – mit absurden Konsequenzen.
Es sei ein zu massiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit über den eigenen Körper.
Trotz Impfung könne man andere Sicherheitsmaßnahmen, wie Maskentragen, regelmäßige Testungen, Abstand, Lockdown, etc. nicht ausschließen.
Die Impfung verhindere nicht die Ausbreitung des Virus, sondern schränke sie nur ein.
Es fehlten Ausnahmebestimmungen, falls eine rechtzeitige Durchimpfung bis zum nächsten Impfstichtag nicht möglich ist.
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