Nach einem spannenden Einblick in seine Arbeit im Ukraine-Krieg ließ ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz auf dem 4. Internationalen Journalistenkongress in Vorarlberg aufhorchen. Auf die Publikumsfrage zum Umgang der EU mit russischer Propaganda antwortete er: „Ich hätte Russia Today nicht abgeschaltet, weil ich der Meinung bin, dass das ein Schwächezeichen ist. So viel Unsinn dort auch berichtet wird – man muss sich damit auseinandersetzen.“

Er fügte hinzu: „Ich sehe die gesamte digitale EU-Politik eher als ein Instrument der Zensur denn als Schutz vor falschen Informationen. In westlichen Demokratien sollte das Prinzip immer gelten: Im Zweifel für die Freiheit, nicht für die Zensur.“ Eine klare Ohrfeige gegen Brüssel und Gesetze wie den „Digital Services Act“.

Auch sonst fehlte es bei der von der Libertatem Stiftung organisierten Veranstaltung, zu der zahlreiche Journalisten und Medieninteressierte nach Hohenems kamen, nicht an deutlichen Worten.

Abrechnung mit „Zwangsabgabe“ und „Wettbewerbsverzerrung“

Wie stark der Staat in das Mediengeschehen eingreift, zeigte der Blogger und Jus-Student Lucas Ammann. „Der ORF kassiert 757 Millionen Euro an Beiträgen – unabhängig davon, ob jemand zuschaut oder nicht. Das ist eine leistungsunabhängige Zwangsabgabe“, kritisierte Ammann, der schon mehrfach für den exxpress geschrieben hat.

Zu Gast bei exxpressTV: Lucas Ammann hat bei exxpress schon mehrfach über Wettbewerbsverzerrung, insbesondere durch den ORF, geschrieben.EXXPRESS/EXXPRESS

Er wartete mit Zahlen auf, die eine gewaltige Wettbewerbsverzerrung offenlegen: „Rechnet man die Steuerbegünstigungen dazu, kommt der ORF auf rund 880 Millionen Euro – das Zehnfache der gesamten Presseförderung für private Medien.“ Und weiter: „Der ORF bekommt also den Löwenanteil – und konkurriert gleichzeitig am Werbemarkt mit privaten Medien. Das ist eine massive Wettbewerbsverzerrung.“

Scharfe Kritik an Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler (SPÖ)

Problematisch sei auch die Presseförderung, die sich aus einem „Dutzend verschiedener Fördertöpfe“ zusammensetze. „Die staatliche Medienförderung ist in fünf Jahren um 90 Prozent gestiegen – weit mehr als die Inflation“, berichtete Ammann. Über die Vergabe entscheiden KommAustria und RTR – letzterer unter politischer Kontrolle: „Bei der RTR hat der Medienminister Weisungsrecht – und das ist brandgefährlich.“

In seinem Vortrag übte Ammann bei dieser Gelegenheit deutliche Kritik an Medienminister und Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ): „Babler hat sich beschwert, dass Medien gefördert werden, die ihm nicht passen. Jetzt will er das Gesetz ändern – das ist ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Medienförderung.“ Ammann fasste zusammen: „Österreichs Presseförderung ist kein neutrales Instrument der Demokratie, sondern ein Mittel der Kontrolle.“

Auch bei den Inseraten gebe es keine objektiven Kriterien: „Pro Einwohner gibt Österreich dreieinhalbmal so viel für Regierungsinserate aus wie Deutschland. Der Standard bekommt 67-mal mehr Inseratengeld pro User als der exxpress. Das ist ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung.“ Wenn man wirklich Medienvielfalt wolle, brauche es „klare, nachvollziehbare Regeln – und keine politische Willkür.“

Presseförderung brauche „klare, nachvollziehbare Regeln – keine politische Willkür“, warnt Ammann und kritisiert bei dieser Gelegenheit Medienminister Babler (SPÖ, Bild) scharf.APA/HANS KLAUS TECHT

Gudula Walterskirchen: „Journalismus ist kein Erziehungsprojekt“

Auch die prominente Publizistin Gudula Walterskirchen übte offen Kritik – allerdings an der eigenen Zunft, nicht an der Politik. „Ich will etwas bewegen – das sagen viele junge Menschen, die in den Journalismus gehen. Aber die Frage ist: Ist Journalismus dann überhaupt der richtige Beruf?“ Journalismus werde zunehmend als „Kampf gegen etwas oder für etwas verstanden“ – das sei gefährlich.

Für Gudula Walterskirchen (Bild) steht fest: „Journalismus ist kein Erziehungsprojekt.“APA/Hans Punz

Die Herausgeberin und Chefredakteurin des Online-Wochenmagazins Libratus hielt fest: „Moral darf nicht die Recherche ersetzen. Journalismus ist kein Erziehungsprojekt. Unsere Aufgabe ist nicht, den Menschen beizubringen, was sie denken sollen.“ Sie verwies auf den Klima-Alarmismus in Wetterberichten: „Wenn Wetterkarten bei sieben Grad schon dunkelrot eingefärbt sind, dann ist das keine Information mehr – das ist Framing mit der Absicht, Angst zu erzeugen.“

Unterschied zu Wahlwerbung geht verloren

Auch im Bundespräsidenten-Wahlkampf 2016 sei der journalistische Kompass verloren gegangen: „Wenn ein Magazin auf dem Cover schreibt, warum ein bestimmter Kandidat der richtige Bundespräsident ist, dann ist das keine Berichterstattung mehr, sondern Wahlwerbung.“

Walterskirchen warnte vor einem Verlust journalistischer Distanz: „Was Journalismus von Aktivismus unterscheidet, ist Distanz – und die scheint vielen verloren gegangen zu sein. Wer früher in der Mitte stand, gilt heute schnell als rechts. Diese Verschiebung der Begriffe ist gefährlich.“

Studie zeigt deutliche Schlagseite nach links

Walterskirchens Kritik fand Bestätigung durch den Wirtschaftswissenschaftler Thomas Maran (Universität Innsbruck), der eine europaweit einzigartige Studie präsentierte. Er untersuchte das Verhalten von 1.800 österreichischen Journalisten auf X (ehemals Twitter) – basierend auf hunderttausenden Tweets aus den Jahren 2014 bis 2024. Das Ergebnis: „Die Mehrheit der österreichischen Journalisten weist eine deutlich linksliberale Tendenz auf – beim ORF ist sie sogar noch ausgeprägter.“

Besonders deutlich sei die Einseitigkeit beim Thema Migration: „Die meisten Journalisten vertreten keine andere Haltung als aktivistische Gruppen im Migrationsbereich.“ Auch bei Wirtschaftsthemen dominiere ein sozialstaatlich-interventionistischer Zugang, marktwirtschaftliche Stimmen seien selten.

Maran verband diese Befunde mit dem massiven Vertrauensverlust in die Medien: „Nur 41 Prozent der Österreicher vertrauen den Medien. Nur 23 Prozent glauben, dass Medien politisch unabhängig berichten.“ Seine Schlussfolgerung: „Wenn Journalisten mehrheitlich gleich ticken, entsteht ein Meinungsecho – keine Pluralität. Vertrauen sinkt, wenn veröffentlichte Meinung und persönliche Wahrnehmung zu weit auseinanderliegen.“

Jan A. Karon: „Der staatlich alimentierte NGO-Komplex prägt die öffentliche Meinung“

Doch in dieser Einseitigkeit liegt auch die Chance neuer Medien, wie der Vortrag von Jan A. Karon, Investigativjournalist beim deutschen Online-Medium NIUS, deutlich machte: „Nur weil ARD, ZDF, Spiegel oder Zeit sich weit von der Lebensrealität vieler Menschen entfernt haben, gibt es Raum für Medien wie NIUS. Wir besetzen diese Lücke.“

Er prangerte den „staatlich alimentierten NGO-Komplex“ an, der mit staatlichen Geldern und medialer Vernetzung „die öffentliche Meinung prägt“. Recherchen seines Teams hätten Verbindungen zwischen geförderten NGOs und der radikalen Antifa offengelegt – mit politischen Folgen bis in den Bundestag.

Jan A. Karon von NIUS: „Wir besetzen eine Lücke.“Libtertatem/Frontline Filmproduktion/Screenshot

„Neue Medien sind der Taktgeber der Demokratie“

Karon beklagte die Ausgrenzung alternativer Stimmen: „Wir werden nicht eingeladen – nicht, weil wir keine Argumente haben, sondern weil man uns moralisch disqualifiziert.“ Zugleich zeigte der Abend, dass Aufdecker-Journalismus politisch wirkt: Mehrfach folgten parlamentarische Anfragen. „Neue Medien können Taktgeber sein – wir setzen Themen, die später im Parlament landen.“

Der NIUS-Journalist bilanzierte: „Unsere Positionen wären vor 30 Jahren noch Mitte gewesen – heute gelten sie als rechts. Aber wir sind die neue Mitte.“ Sein Appell: „Es gibt kaum noch Orte, an denen linke und konservative Journalisten zusammenarbeiten. Solche Begegnungen wie hier sind deshalb wichtiger denn je.“

Raum für Streitgespräche

Gemeint waren auch anwesende Kollegen aus linken oder zumindest nicht rechten Medien: Barbara Tóth (Falter), Michael Prock (Vorarlberger Nachrichten) und Otmar Lahodynsky, früher Innenpolitik-Redakteur und EU-Koordinator bei profil, heute Ehrenpräsident der Association of European Journalists. Sie saßen im Publikum und später auf zwei Panels; an einem nahm auch KroneTV-Moderatorin Katia Wagner teil. Die Debatten waren kontrovers; das Verständnis von Journalismus ging sichtbar auseinander. Es flogen Spitzen, der Ton war stellenweise hart – und genau das belebte den Abend.

Wenn Karon recht hat, meldet sich hier die „neue Mitte“: laut, streitbar – und mit Themen, die am Ende im Parlament landen.

Vertrauen schlägt Reichweite

Dass die Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen, ja konträren Meinungen im Internet mitunter zu kurz kommt – das machte Digitalexperte Hannes Kirchbaumer, Geschäftsführer von SYNTAGMA Strategies, indirekt deutlich. Sein Hauptthema war Vertrauen und Bindung: Heute zählt nicht mehr, wie viele Menschen man erreicht, sondern wem sie glauben. Meinung entsteht zunehmend in Communities – rund um Kanäle, Influencer oder Blogs. Früher entschieden klassische Medien als Gatekeeper, welche Themen sichtbar wurden; heute übernehmen Algorithmen diese Rolle. Wer Wirkung will, jagt nicht Klicks, sondern baut Bindung auf – Vertrauen ist die härteste Währung.

Kirchbaumer zeigte, wie Social Media über Emotion und kurze Impulse funktioniert, während reine Information an Gewicht verliert. In 48 Stunden wird mehr Inhalt produziert als in der gesamten Menschheitsgeschichte bis 2013; KI verstärkt diese Flut. Wer bestehen will, braucht direkte Verbindungen zur eigenen Community – etwa über Newsletter oder Messenger –, um weniger von Plattformen und neuen EU-Regeln abhängig zu sein. Von „Meinungsblasen“ sprach er nicht, sein Befund deutet es aber an: In der digitalen Welt wird der Austausch über Lagergrenzen hinweg schwieriger – die Gefahr der Filterwelt wächst.