Am Samstag ging die Pride-Parade in Wien über die Bühne, oder besser: über den Ring. Bei strahlendem Sonnenschein zogen rund 300.000 Meschen die Ringstraße entlang, feierten, lachten, tanzten und genossen das musikalische Rahmenprogramm mit JJ, Conchita Wurst und Mel C von den Space Girls. Neben Fußmärschen fuhren auch etliche LKW mit fröhlich Feiernden über den Ring. Und hier stach besonders ein Truck ins Auge: der des Wiener Gesundheitsverbundes.

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Bereits zum dritten Mal nahm der Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) mit einem Truck an der Pride teil. Bereits einen Tag vor der Regenbogenparade war der WIGEV auf der LGBTIQ-Job-Info-Messe mit einem Infostand vertreten. Auch ein Werbevideo gibt es vom Gesundheitsverbund, in dem betont wird, dass in WIGEV-Spitälern „Diversität nicht nur am Blatt Papier steht, sondern hier Diversität gelebt wird”. Prinzipiell nicht schlecht, doch dieses Engagement und vor allem die Teilnahme mit einem eigenen Truck verwundert, da der WIGEV gebetsmühlenartig wiederholt, er habe kein Geld, kein Personal und wie hinlänglich bekannt, auch nicht ausreichend Betten für die Patienten zur Verfügung.

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Der Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) wird hauptsächlich durch die Stadt Wien finanziert, da er eine Unternehmung der Stadt ist. Zusätzlich fließen Mittel aus der Krankenversicherung, die durch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern gespeist wird, und der Gebietskrankenkasse. 

2024 feierte auch Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ, 2.v.r.) mit bunten Hosenträgern auf dem WIGEV-Truck mit.Instagram/wiengesundheit

Dass diese finanziellen Mittel nicht ausreichen, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Personalmangel, monatelange Wartezeiten auf teils lebensnotwendige Operationen und Unterbringung von Patienten auch schon einmal am Gang oder gar auf Matratzenlager auf dem Gangboden, weil nicht einmal ausreichend Betten vorhanden sind, beherrschen immer wieder die Schlagzeilen.

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Gefeiert wird und wurde freilich trotz allem: 2023 sorgte ein nobles Sommerfest der Führungsetage des AKH mit Prosciutto, Grillspezialitäten und Mousse von der Zartbitterschokolade für Kritik – kurz nachdem der „Kurier” von den Missständen in den WIGEV-Spitäklern berichtete. Unter anderem wurde kritisiert, dass eine 100-jährige Patientin eine Woche am Gang liegen musste. Die Die AKH-Leitung distanziert sich flugs vom eleganten Sommerfest: Veranstalter sei die MedUni Wien gewesen.

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Wie unfassbar die Zustände in den WIGEV-Spitälern sind, deckte auch der Stadtrechnungshof 2024 auf: In einem Überprüfungszeitraum von 2018 bis 2022 stieg die Zahl der Patienten, die über zwölf Stunden in einem Gangbett untergebracht waren, von 1.259 auf 2.136. Der Anstieg der Personen, die über 24 Stunden am Gang „geparkt” wurden, stieg von 168 auf 820.

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Besonders prekär war die Lage in der Klinik Ottakring und der Klinik Donaustadt, wo über 90 Prozent der Gangbett-Fälle registriert wurden. Auch der Personalmangel spitzt sich laut Stadtrechnungshof zu: Unbesetzte Arztposten haben sich mehr als verdreifacht, im Pflegebereich fehlten Anfang 2023 rund 650 Kräfte. In dem überprüften Zeitraum wurden insgesamt 363 Gefährdungsanzeigen von Mitarbeitenden eingereicht – ein massiver Anstieg, der auf gefährliche Zustände für Patienten und unerträgliche Arbeitsbedingungen hinweist.

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Auch extrem lange Wartezeiten auf Operationstermine sind in Wien mittlerweile normal. So muss man etwa knapp neun Monate auf eine neue Hüfte warten. Keine Ärzte, Pfleger, Betten. Doch ausreichend Kapazitäten und Werbebudget für Diversität und Pride-Parade. Für viele Wiener nicht nachvollziehbar.