Die Bilanz nach wochenlangen Gesprächen ist ernüchternd: Die blau-schwarzen Verhandlungen sind am Mittwoch offiziell gescheitert – an der Postenverteilung. Nach außen entsteht der Eindruck von Chaos. Schon die Ampel-Gespräche hatten sich unnötig in die Länge gezogen, weil man sich von Anfang an nicht auf eine Budgetkonsolidierung einigen konnte. FPÖ und ÖVP scheiterten an der Ressortverteilung.

Hinter den Kulissen dürfte vor allem der Streit um das Innenministerium das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die ÖVP wollte es nicht hergeben, während FPÖ-Chef Herbert Kickl darauf beharrte. Auch das Angebot des wichtigen Finanzministeriums konnte ihn nicht zum Einlenken bewegen, so dass viele Beobachter schon seit Tagen mit einem Scheitern der Verhandlungen an dieser zentralen Frage rechneten.

Kickl legt Regierungsbildungsauftrag offiziell zurück

Seit Mittwoch steht  fest: FPÖ-Bundesparteiobmann Klubobmann Herbert Kickl hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen darüber informiert, dass die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP gescheitert sind und er als Konsequenz daraus den erhaltenen Regierungsbildungsauftrag zurücklegt.

Er sei mit der Bildung einer „stabilen und zukunftsorientierten Regierung“ beauftragt worden, erklärt der FPÖ-Obmann, „nach einem straffen Zeitplan“ habe die FPÖ „schnell zu einer leistungsfähigen Bundesregierung“ kommen wollen, um „Österreich zurück an die Spitze Europas“ zu führen: „wirtschaftlich stark, sozial verantwortungsbewusst und mit einer Migrationspolitik, die die Interessen unseres Landes und seiner Menschen schützt“.

Gespräche anfangs erfolgreich

Das sei „in einem ersten Schritt“ auch gelungen, als man ein drohendes EU-Defizitverfahren abwenden habe können. Die „inhaltlichen Verhandlungen“ hätten dann „in 13 Untergruppen“ gestartet. Noch vor der Klärung strittiger Punkte habe aber die ÖVP Anfang Februar darauf bestanden, „die Ressortverteilung zu klären“. Nach dem ersten Entwurf, den die Freiheitlichen der ÖVP am 4. Februar vorgelegt haben, sei man der ÖVP in den darauffolgenden Gesprächen „in vielen Punkten entgegengekommen“, doch letztlich „waren die Verhandlungen zu unserem Bedauern nicht von Erfolg gekrönt.“

Verhandlungen mit SPÖ „nicht zielführend“

Verhandlungen mit der SPÖ hält Kickl noch nicht für „zielführend“, denn: „Die Vorgespräche mit Andreas Babler haben gezeigt, dass nicht nur unsere Positionen in entscheidenden Punkten weit auseinander liegen, sondern die SPÖ grundsätzlich eine ablehnende Position zu jedweder Zusammenarbeit mit der FPÖ einnimmt.“

Gerüchte über Scheitern schon am Dienstag

Ex-„Presse“-Chefredakteur Andreas Unterberger hatte das Ende der Verhandlungen bereits am Dienstag in seinem Blog „das-tagebuch.at“ angekündigt: „Unter dem Vorwand, die ÖVP habe Parallelverhandlungen geführt, werden die Freiheitlichen in wenigen Stunden die Koalitionsverhandlungen beenden. So verlautete es zumindest aus gut informierten freiheitlichen Quellen.“

Das Schreiben Herbert Kickls an den Bundespräsidenten im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

Am 6. Jänner 2025 haben Sie mich mit der Bildung einer stabilen und zukunftsorientierten Regierung beauftragt.

Wir haben daraufhin mit der ÖVP das Gespräch gesucht, mit der Absicht, nach einem straffen Zeitplan schnell zu einer leistungsfähigen Bundesregierung zu kommen. Gemeinsam wollten wir Österreich zurück an die Spitze Europas führen – wirtschaftlich stark, sozial verantwortungsbewusst und mit einer Migrationspolitik, die die Interessen unseres Landes und seiner Menschen schützt.

In einem ersten Schritt ist es uns gelungen, mit einem klaren Konsolidierungspfad ein drohendes EU-Defizitverfahren abzuwenden und damit sowohl der Wirtschaft als auch den Bürgern drohende Zusatzkosten zu ersparen. Daraufhin wurden die inhaltlichen Verhandlungen in 13 Untergruppen gestartet.

Ehe jedoch die noch strittigen Punkte auf Chefverhandler-Ebene geklärt werden konnten, bestand die ÖVP Anfang Februar darauf, die Ressortverteilung zu klären. Am 4. Februar 2025 haben wir Freiheitliche einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Obwohl wir in den darauffolgenden Gesprächen der ÖVP in vielen Punkten entgegengekommen sind, waren die Verhandlungen zu unserem Bedauern letztlich nicht von Erfolg gekrönt.

Deshalb lege ich heute, am 12. Februar 2025, den Auftrag zur Regierungsbildung zurück.

Ich setze diesen Schritt nicht ohne Bedauern. Verhandlungen mit der SPÖ sehen wir jedoch nicht als zielführend an. Die Vorgespräche mit Andreas Babler haben gezeigt, dass nicht nur unsere Positionen in entscheidenden Punkten weit auseinander liegen, sondern die SPÖ grundsätzlich eine ablehnende Position zu jedweder Zusammenarbeit mit der FPÖ einnimmt. Daran hat sich auch seit der Wahl nichts geändert. Österreich hat keine Zeit zu verlieren.

Mit besten Grüßen

Herbert Kickl
Bundesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs