
Peter Sichrovsky: „FPÖ beugt sich nicht mehr der ÖVP wie einst im Jahr 2000“
Die FPÖ ist nicht mehr die Partei von 2000 – und sie lehnt sich nicht mehr an die ÖVP an, sagt Ex-FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky. Heute habe sie einen stabilen Mittelbau und sehe sich selbstbewusst als rechte, nicht konservative Partei. Dazu gehörten Distanz zu Brüssel und Widerstand gegen Gender- und Transpolitik. Dass die Verhandlungen daran scheitern, glaubt Sichrovsky nicht.

In den blau-schwarzen Verhandlungen sieht der ehemalige FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky die Volkspartei in größeren Schwierigkeiten als die Freiheitlichen. Denn anders als im Jahr 2000 würde sich die FPÖ heute nicht mehr an der ÖVP orientieren. Sie sei heute eine ganz andere Partei als damals, und zwar „aus zwei maßgeblichen Gründen“, wie Sichrovsky am Donnerstagabend in der ZiB2 gegenüber ORF-Moderatorin Margit Laufer unterstrich.

„FPÖ hat heute mehr Erfahrung in der Landespolitik und mehr Selbstsicherheit“
Sichrovsky: „Erstens: Die FPÖ hat heute einen stabilen Mittelbau, was der gesamten Partei eine andere Struktur gibt. Sie kann auf erfahrene Leute zurückgreifen, die bereits in der Landespolitik mitgearbeitet haben.“
Zweitens gebe es heute rechts der Mitte zwei legitime Positionen: „konservativ“ und „rechts“ – und die FPÖ vertrete eben die zweite. Sichrovsky: „Innerhalb des konservativen oder rechts der Mitte angesiedelten Spektrums ist ‚rechts‘ heute eine legitime politische Position. Die FPÖ hat die Selbstsicherheit gewonnen, eine rechte Partei zu sein – ähnlich wie es auf der linken Seite sowohl Sozialdemokraten als auch Grüne gibt.“

Kickl habe eine Wahl mit einem klaren Programm gewonnen. „Dieses Programm unterscheidet sich bewusst von jenem einer konservativen Partei. Jetzt erwartet die ÖVP, dass sich der Wahlsieger ihr anpasst – das halte ich für schwierig.“
„FPÖ wird sich nicht zur Mitte bewegen“
So sei es auch im Jahr 2000 unter den Verhandlern Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Jörg Haider (FPÖ) gewesen, damals habe „sich die FPÖ der ÖVP angenähert“. Genau das erwarte sich ÖVP-Chef Christian Stocker nun von der FPÖ. „Er fordert, dass sich die FPÖ mehr zur Mitte bewegt. Doch die FPÖ hat die Wahl als rechte Partei gewonnen und wird sich nicht zur Mitte bewegen.“
Die FPÖ habe eine klare Haltung, etwa in der Europapolitik, sagte Sichrovsky, der früher auch für die Freiheitlichen im Europaparlament saß. „Sie will sich von Brüssel distanzieren. Es gibt hunderte Themen – von Genderpolitik bis Trans-Rechte oder Sportlerfragen –, bei denen die FPÖ eine andere Linie verfolgt. Jetzt muss man schauen, ob es genug inhaltliche Überschneidungen gibt, um eine Koalition zu bilden.“
Einige Streitpunkte in Wahrheit frei erfunden
Grundsätzlich rechnet der ehemalige FPÖ-Politiker mit einer Einigung der beiden Parteien. Mit Blick auf die in der Öffentlichkeit thematisierten Streitpunkte meinte er: Vieles werde da „von außen hineingetragen“. Manches sei sogar frei erfunden. „Ich erinnere mich an die große Aufregung, als es hieß, Bachelor- und Masterarbeiten sollten nur noch auf Deutsch geschrieben werden. Das wurde als Gefahr für den Wissenschaftsstandort dargestellt – dabei hatte das niemand so formuliert.“
Sichrovskys Einschätzung: „Es gibt doch eine Zusammenarbeit, die zu einem Ergebnis führen wird.“ Er sei hier „nur realistisch. Beide Parteien haben kaum eine andere Wahl, als zusammenzukommen. Für die ÖVP wäre ein Scheitern eine Katastrophe, ebenso für die FPÖ. Deshalb glaube ich, dass am Ende doch eine Regierung entstehen wird – und zwar sehr bald.“
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