Trotz eines offiziellen Verbots haben am Samstag in Budapest rund 200.000 Menschen an der größten Pride-Parade in der Geschichte Ungarns teilgenommen. Die Regierung unter Viktor Orbán hatte die Demonstration im Vorfeld untersagt – unter Berufung auf das seit 2024 verschärfte Versammlungsgesetz. Dieses erlaubt es den Behörden, Veranstaltungen zu untersagen, die „nicht-heterosexuelle Lebensweisen sichtbar machen“.

Trotzdem griff die Polizei während der Parade nicht ein. Auch wenn Kamerawagen vor Ort waren und Gesichtserkennungssoftware zum Einsatz kommen könnte, blieb es ruhig. Viele Beobachter deuten das als bewusste Zurückhaltung der ungarischen Behörden: Keine Eskalation, keine Gewalt – ein klares Zeichen für staatliche Kontrolle statt Chaos.

„Auf Befehl aus Brüssel“?

Die Regierung spricht von einer politischen Inszenierung: Sprecher Zoltán Kovács nannte den Umzug eine Demonstration „auf Befehl Brüssels“. Man versuche, Ungarn mit ausländischer Unterstützung eine „woke Kultur“ aufzuzwingen. Tatsächlich hatten sich 33 Länder, darunter fast alle EU-Mitglieder, im Vorfeld solidarisch mit der Parade erklärt. Auch dutzende EU-Parlamentarier marschierten mit.

Politische Botschaft statt Partystimmung

Die Pride in Budapest war in diesem Jahr klar politisch motiviert: Die oppositionelle Stadtregierung hatte sich zum Mitveranstalter erklärt, um das staatliche Verbot zu umgehen. Bürgermeister Gergely Karácsony bezeichnete das Verbot im Nachhinein als „Eigentor“ der Regierung – es habe die Beteiligung sogar noch erhöht.

Kritiker sehen das anders: Die Parade habe weniger mit Toleranz zu tun als mit einem politischen Stellvertreterkrieg zwischen Brüssel und Budapest. Dass die Polizei trotz Verbots nicht eingriff, werte mancher als souveränen Umgang Orbáns mit dem Protest – und als Signal, dass Ungarn selbst über den Umgang mit gesellschaftlichen Themen entscheiden will.

In Budapest besuchten 200.000 Menschen die Pride, in Österreich soagr 300.000.APA/HANS PUNZ

Strafandrohungen weiter möglich

Offen bleibt, ob es zu Sanktionen kommt: Laut Gesetz drohen Teilnehmern von verbotenen Versammlungen Geldstrafen von bis zu 500 Euro. Diese könnten automatisiert durch das Finanzamt eingetrieben werden. Organisatoren drohen sogar bis zu ein Jahr Haft – doch bisher gab es keine Berichte über Festnahmen oder Strafbescheide.

Ungarns nächster politischer Showdown folgt im Frühjahr 2026, wenn das Parlament neu gewählt wird. Premier Orbán liegt laut aktuellen Umfragen hinter der neuen Tisza-Partei – der Pride-Protest könnte ein erster Stimmungstest gewesen sein.

Wahlen im Frühling 2026

Der Abgeordnete Hadházy, der selbst immer wieder Proteste gegen die Regierung organisiert, verwies in seinem Facebook-Posting auf die möglichen weiteren Konsequenzen des repressiven Versammlungsrechts. Eine Pride gebe es nur einmal im Jahr, schrieb er, aber länger anhaltende Protestwellen, ausgelöst etwa durch einen Wahlbetrug, könnten durch die permanente Verhängung von hohen Geldstrafen effizient unterdrückt werden.

Die nächsten Parlamentswahlen stehen im Frühling 2026 bevor. Jüngste Meinungsumfragen sehen Orbans Fidesz-Partei um elf bis 15 Prozentpunkte im Rückstand hinter der neuen Tisza-Partei des konservativen Herausforderers Peter Magyar.