
Protest gegen Orbán: Neuer Gesetzesentwurf in Ungarn sorgt für Aufregung
Internationale Medienorganisationen üben Kritik an einem neuen Gesetzesentwurf in Ungarn. Das geplante “Transparenzgesetz” könnte weitreichende Auswirkungen auf unabhängige Medien haben und sorgt auch auf EU-Ebene für Diskussionen.
Internationale Medienorganisationen protestieren gegen einen neuen Gesetzesentwurf in Ungarn, der der unabhängigen Medienlandschaft des Landes ein Ende setzen könnte. Das nach russischem Vorbild erstellte so genannte “Transparenzgesetz” richtet sich gegen Organisationen und Medien, denen vorgeworfen wird, sie würden “aus dem Ausland beeinflusst”. Regierungschef Viktor Orbán hatte bereits in einer Rede am Nationalfeiertag (15. März) einen “Großputz im Frühling” angekündigt.
Die Internationale und die Europäische Journalisten-Föderation (IFJ/EFJ) sowie das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (Committee zu Protect Journalists, CPJ) verurteilten den von Kritikern auch “Russland-Gesetz” genannten Entwurf, der in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Parlament eingebracht worden war. In der Volksvertretung hat die Regierung von Orbán eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
"Orbán will letzte Reste unabhängiger Medien beseitigen"
“Die Einführung dieses Gesetzes über ‘ausländische Agenten’ nach russischem Vorbild ist ein beängstigendes Signal, dass die Regierung Orbán bereit ist, die letzten Reste der unabhängigen Medien in Ungarn zu beseitigen, da sie vor den Parlamentswahlen im nächsten Jahr nach unkontrollierter Macht strebt”, teilte CPJ-Vertreter Tom Gibson in einer Aussendung mit. “Diese Maßnahme läuft darauf hinaus, dass Ungarn seine Verantwortung als Mitglied der Europäischen Union vollständig aufgibt, und würde die Demokratie grundlegend untergraben. Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen schnell handeln.” In Umfragen führt derzeit die größte Oppositionspartei TISZA des EU-Abgeordneten Péter Magyar vor Orbáns Fidesz. Die nächste Parlamentswahl ist für Frühjahr 2026 geplant.
Laut dem Gesetzesentwurf sollen neue Instrumente zur Einschränkung der Aktivitäten von Organisationen eingesetzt werden, die nach Ansicht des Gesetzgebers “ausländische Quellen” zur Beeinflussung des öffentlichen Lebens in Ungarn nutzen und damit die “Souveränität” des Landes bedrohten. Die Annahme von Förderungen und Spenden aus dem Ausland soll an Genehmigungen gebunden sein. Dies bezieht sich auf sämtliche finanzielle Zuwendungen, einschließlich der Spenden von Privatpersonen oder Förderungen aus EU-Ländern.
Bereits EU-Verfahren wegen "Souveränitätsschutzgesetz"
Ungarn hatte bereits mit einem “Souveränitätsschutzgesetz” von 2023 eine neue “Behörde für Souveränitätsschutz” mit umfassenden Kompetenzen installiert. Diese hat schon mehrere unabhängige Plattformen ins Visier genommen und Untersuchungen gegen diese eingeleitet. Der Behörde kommt im neuen Gesetz eine Schlüsselrolle zu, “Verletzer der Souveränität” zu identifizieren und auf eine schwarze Liste zu setzen, was laut dem Entwurf zu schweren Geldstrafen führen kann. Die EU-Kommission hatte im Februar 2024 ein Verfahren gegen Ungarn wegen des Verdachts auf Grundrechtsverstöße aufgrund des “Souveränitätsschutzgesetzes” eingeleitet.
In Ungarn gibt es keine Presseförderung. Der Staat bzw. staatsnahe Institutionen und Unternehmen finanzieren die staatlich gelenkten Medien über Inserate. Die politischen Inhalte dieser Medien werden direkt vom Kabinettschef von Premier Orbán, Antal Rogán, vorgegeben bzw. überwacht. Bisher waren die wichtigsten finanziellen Quellen für das Überleben unabhängiger Medien der Erhalt von Spenden und Fördermitteln – oft aus dem Ausland – sowie die Zuwendungen ungarischer Steuerzahler, die die Möglichkeit haben, 1 Prozent ihrer jährlich zu zahlenden Einkommensteuer einer gemeinnützigen Organisation zu widmen.
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